Rother Schulprojekt fördert Bewegung von Kindern

11.7.2019, 12:09 Uhr
Rother Schulprojekt fördert Bewegung von Kindern

© Foto: Lidia Piechulek

Als der Achtjährige ganz oben angekommen ist, erstarrt er und beißt sich auf die Unterlippe. Knapp zwei Meter über dem Rest der Klasse 3 A schwebend, kommt ihm der Abstand zur sicheren blauen Matte erstaunlich groß vor. Ja, beinahe zu groß, und eigentlich möchte er jetzt runter. Doch die Sprossen zu erklimmen, war erst ein Teil der Herausforderung.

Vor ihm liegt jetzt die Rutsche, eine Langbank, die in die Sprossenwand eingeklemmt wurde. Sich darauf zu setzen und herunterzurutschen, erfordert all seinen Mut und in den Augen des blonden Grundschulkindes liegen Angst und ein Fünkchen Aufregung. Unten angekommen, erlischt diese Angst in einem Wimpernschlag – und zum Vorschein kommt das strahlende Lächeln des Erfolgs.

Die Essenz des Projekts zur Bewegungsförderung in der Grundschule, kurz BIG, ist genau das: den Kindern über sportliche Herausforderungen, die sie bewältigen, Mut und Selbstvertrauen zu geben, damit sie die Angst vor der Bewegung verlieren und Spaß am Sport entwickeln.

Mangel an Selbstvertrauen

Die Volksschule Gartenstraße ist eine der drei Grundschulen in Roth, die am diesjährigen BIG-Projekt teilnehmen. Einmal im Trimester kommen Bewegungskoordinatoren in den Sportunterricht, um in einer Art Zirkeltraining die Koordination, Ausdauer und motorischen Fähigkeiten der Kinder zu fördern. Der Sportlehrer der Klasse, Matthias Federlein, erhält dabei auch Tipps für regelmäßige Übungen und die Eltern werden via E-Mail mit Tipps zu Sport und Ernährung versorgt. Das Projekt wird von der AOK finanziell gefördert.

Das Phänomen, das Federlein am häufigsten begegnet und am meisten bedrückt, ist ein Mangel an Selbstvertrauen. "Viele bleiben am Fuß der Sprossenleiter stehen und trauen sich nicht nach oben." Andreas Dobler leitet das BIG-Projekt an, er beobachtet bei vielen Kindern motorische Defizite. "Sie wissen nicht, wie ein Purzelbaum funktioniert oder können nicht auf einem Bein stehen", wenn sie in seinen Sportverein, die SpVgg Roth, eintreten. Die Entwicklung ist nicht neu, es sei aber ein Trend, der stetig zunimmt.

Ausprobieren ohne Scheu

Das BIG-Projekt beginnt mit dem Sportlehrer, der zu Beginn und am Ende der Förderung einen Fragebogen ausfüllt, in dem er aktuelle Defizite und später die Entwicklung der Schüler festhält.

In jeder BIG-Sportstunde gibt es sechs Stationen. Die Übungen sind in der Grundausführung einfach, können aber erschwert werden: Wenn der Slalomlauf um die Hütchen also leicht fällt, können die Kinder es dann auch rückwärts oder einbeinig versuchen.


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Die Stufen sind wichtig, denn jedes Kind soll lernen, das eigene Können richtig einzuschätzen, erklärt Alexander Maas. Er ist einer der Bewegungskoordinatoren, die die Klasse 3 A anleiten und war früher selbst bei Herrn Federlein im Sportunterricht. Heute hat er eine spezielle Ausbildung als Präventionstrainer für Kinder und Jugendliche. "Bei vielen Kindern fehlt die Selbsteinschätzung: ,Was kann ich schon – und was traue ich mir zu?‘", erklärt sein ehemaliger Sportlehrer.

Bei Laurin sieht das ganz anders aus: Der Neunjährige turnt munter von Station zu Station, als sich die BIG-Stunde dem Ende zuneigt. Er klettert, springt und wirft, ohne zu ermüden. Und so nutzt Laurin jeden Moment bis zur letzten Sekunde, um zu spielen. Angst kenne er keine, erklärt er im Vorbeigehen: "Ich geh einfach hin und probier's aus."

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