Schwabach: Plädoyer für Distanzunterricht

5.2.2021, 11:00 Uhr
Schwabach: Plädoyer für Distanzunterricht

© Foto: Günther Wilhelm

Schwabach: Plädoyer für Distanzunterricht

Welch ein Kontrast: Während Bayerns Kultusminister Michael Piazolo ein Verfechter des Wechselunterrichts ist, wächst die Kritik an diesem Konzept. In ganz Bayern, auch in Schwabach.

Kollegiaten hatten sich in einem offenen Brief für den Distanzunterricht ausgesprochen – unterstützt von Eltern und AKG–Direktor Harald Pinzner (wir berichteten). Schon bevor dieser Brief bekannt geworden ist, hatte Claus Bauer zu einem digitalen Pressegespräch mit Lehrern, Eltern und auch einem Schüler über die Erfahrungen am beruflichen Berufszentrum eingeladen. Bauer leitet sowohl die städtische Wirtschaftsschule als auch die staatliche Berufsschule und die neue Fachoberschule (FOS).

"Natürlich ist normaler Präsenzunterricht am besten", schickt Bauer voraus. Doch der Wunsch nach Normalität ist keine Lösung für die Krise. "Selbstverständlich werden wir Wechselunterricht anbieten, wenn das gefordert ist", betont er zu zudem. Gleichzeitig lässt Bauer keinen Zweifel daran, dass er ihn nur für die zweitbeste Lösung hält.

Im Wechsel oder auf Distanz

Wechselunterricht heißt vereinfacht: Die Hälfte der Klasse ist in der Schule, die andere bleibt zuhause und bekommt entweder Arbeitsaufgaben oder verfolgt den Unterricht per Video-Stream. Nach einer Woche wird gewechselt. Seit Montag gibt es diesen Wechselunterricht an Abschlussklassen weiterführender Schulen.

Distanzunterricht ist während des Lockdowns bis zumindest 14. Februar die Regel: Die Schülerinnen und Schüler erhalten Unterricht über eine Lernplattform. Vorteil: keine Begegnungen in der Schule und bei der An- und Abfahrt, weniger Infektionsrisiko.

Nachteil: kein direkter Kontakt mit Lehrern, kein Treffen mit Freunden. Im Schul- und Bildungsausschuss des Kreistags Roth berichteten Sozialpädagoginnen über teilweise depressive Stimmung unter Schülerinnen und Schülern (wir berichteten).

Wie sieht es Claus Bauer? Seine Antwort ist so unaufgeregt wie deutlich: "Wir hatten im vergangenen Frühjahr den Wechselunterricht. Der hat sich als schwierig erwiesen. Beim Wechselunterricht tanzt der Lehrer auf zwei Hochzeiten und wird keinem gerecht." Weder den Schülern in der Klasse noch denen daheim. "Der Distanzunterricht ist dagegen focussiert. Unsere Erfahrung ist eindeutig: Wir würden den Distanzunterricht immer bevorzugen. Er ist viel besser als sein Ruf."

Technische Probleme?

Ja und nein. Ein Grundproblem ist die schlechte Breitbandversorgung der Schulen. Die Stadt arbeitet daran, sie zu verbessern. Das aber geht nicht von heute auf morgen.

Beim Distanzunterricht arbeiten die Lehrer dagegen von zu Hause aus und können ihr häusliches, meist besseres Internet nutzen.

Oft geklagt wird über die Lernplattform Mebis. "Wir benutzen die Plattform Teams und die klappt wunderbar", sagt Bauer.

Ausreichend mobile Geräte?

"Das war zu Beginn von Corona eine große Hürde, inzwischen ist das kein Problem mehr", berichtet Bauer. Auch deshalb nicht, weil die Stadt sehr schnell Leih-Geräte für Schüler bestellt hatte. Bei den Lehrern läuft gerade die Bedarfsabfrage für Dienstgeräte. "Private und schulische Geräte muss man trennen", betont Bauer.

Kein völliges Neuland

Für viele Schulen ist die Umstellung auf neue Techniken eine große Herausforderung. Die sieht Claus Bauer dagegen relativ entspannt: "Bei uns an der Wirtschaftsschule ist Digitalisierung schon lange ein Thema. Vor 20 Jahren hatten wir die erste Notebook-Klasse in Bayern. Mit dieser Erfahrung tun wir uns vielleicht etwas leichter."

Fünf Erfahrungsberichte

Die Rahmenbedingungen haben sich also zumindest deutlich verbessert. Wie erleben Lehrer, Eltern und Schüler den Unterrichtsalltag auf Distanz?

Michael Stierand (stellvertretender Schulleiter): "Der Wechselunterricht ist weder Fisch noch Fleisch", das ist auch seine Erfahrung. "Beim Lernerfolg ist er dem Distanzunterricht deutlich unterlegen. Die unterschiedlichen Altersstufen stellen ganz eigene Herausforderung." Darauf müsse man sich als Lehrer einstellen. Unterm Strich aber ist er überzeugt: "Der Distanzunterricht ist nicht die schlechteste Form."

Thomas Bauer (Beratungslehrer): Steigt die Zahl der Schüler, die sich mit Sorgen und Nöten an ihn wenden? "Ich habe nicht das Gefühl, dass es mehr werden. Es verschiebt sich vielleicht etwas." Manche täten sich schwerer mit der Situation. "Andere trauen sich plötzlich zu fragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben." Wichtig sei zudem die "Netiquette", also der Umgangston im Netz. "Die hat sich wirklich verbessert."

Mathias Schleicher (Lehrer): "Beim Distanzunterricht ist das Glas weit mehr als halbvoll. Die Schüler schalten sich zuverlässig zu, über Teams ist auch Gruppenarbeit möglich. In den iPad-Klassen in den Achten und Neunten läuft es wirklich toll. Auch der Austausch mit den Eltern ist viel intensiver. Eine unglückliche Entscheidung war, die Woche Faschingsferien ausfallen zu lassen. Eltern und Schüler brauchen die Ferien."

Diana Wilde (Mutter mit zwei Kindern an der Wirtschaftsschule): "Meine Tochter ist in der sechsten und mein Sohn ist in der Abschlussklasse. Auch er fühlt sich durch den Distanzunterricht nicht benachteiligt. Da gibt es nix zu motzen", sagt sie und lacht. "Ich bin wirklich entspannt. Die Schule hat das super organisiert. Kürzlich hatten wir über Teams einen Austausch mit 15 anderen Eltern. Die sind alle begeistert."

Dieter Bierlein (Elternbeirat): "Technisch ist alles da", lobt er die Ausstattung. Sehr wichtig sei auch, dass zu Hause die Lernbedingen stimmten: eigener Laptop, möglichst eigenes Zimmer. "Natürlich stehen meine Frau und ich immer vor der Tür und passen auf, dass gelernt wird", scherzt er. Aber im Ernst: Die Lehrkräfte achteten darauf, die Schüler nicht zu überlasten. "Es werden Pausen gemacht und es gibt fast nie Hausaufgaben." Er jedenfalls sei mit der Wirtschaftsschule sehr zufrieden.

Fabian Binder (Dieter Bierleins Sohn, der die sechste Klasse der Wirtschaftsschule besucht): Er vertrat in der Video-Konferenz quasi die Hauptpersonen: die Schüler. "Sechs Stunden Unterricht am Computer, das ist schon anstrengend", sagt er. Und seine Freunde vermisse er auch sehr. Andererseits könne er auch etwas länger schlafen, weil er den Schulweg spare. "Das ist einfach schön", schmunzelt Fabian. Der Punkt aber sei: "Die Lehrer kümmern sich wirklich." Sein Fazit: "Das läuft super gut. Ich bin echt zufrieden." Und zum Schluss hat der 13-Jährige noch einen Tipp gegen den Computerstress auch für die Lehrer: "In den Pausen ein paar Liegestützen. Ein bisschen bewegen, damit man wieder runterkommt."

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