Sebastian Reinwand beim Challenge Roth: Schuften für die 7:59:59

30.3.2019, 06:00 Uhr
Sebastian Reinwand beim Challenge Roth: Schuften für die 7:59:59

© Foto: Nick Staggenborg

Sein Saisonziel für 2019 hat Sebastian Reinwand vor Kurzem klar und unmissverständlich formuliert: Den Challenge Roth in einer Zeit von höchstens 7:59:59 beenden. Mit dieser Ankündigung sorgte der 31-Jährige für erhebliches Aufsehen. Denn was selbst für viele ambitionierte Triathleten ein Lebenstraum bleibt, will der im Herbst vergangenen Jahres zurückgetretene Laufspezialist mit nicht einmal einem Jahr Vorbereitung und ohne jemals zuvor eine Langdistanz absolviert zu haben, schaffen.

Sebastian Reinwand ist Sportler durch und durch. Dass er seine Karriere als Läufer nach den Erfolgen des vergangenen Jahres – Silber bei der Marathon-DM im April in Düsseldorf, Platz 33 bei der EM in Berlin im August – auf dem Höhepunkt an den Nagel gehängt hat, ändert daran herzlich wenig. Anstatt sich auf die faule Haut zu legen, sucht er abseits seiner Spezialdisziplin nach neuen Herausforderungen. Denn für den sportlichen Ruhestand – Reinwand ist vom Team ART Düsseldorf mittlerweile zurück beim Team Leidl der TSG Roth – ist er deutlich zu jung und viel zu fit. "Ich will meine Grenzen ausloten und sehen, was ich noch leisten kann", meint der gebürtige Schwabacher, der in Kammerstein aufwuchs und in Roth unter der Ägide von Loni Schroll zum Spitzen-Läufer reifte.

Der Wechsel zum Triathlonsport sei für ihn naheliegend gewesen, erklärt der 31-Jährige. Der Vater und etliche Freunde sind Triathleten, er selbst hat den Challenge schon oft als Zuschauer verfolgt. "Wenn man aus der Region ist, kommt man am Triathlon einfach nicht vorbei." Außerdem reizt ihn dieser Sport schon seit Langem. Doch aus Rücksicht auf seine Laufkarriere hat es bis dato nur zu einem Staffelstart als Schwimmer in Roth gereicht. Jetzt, nach dem Laufen, will er diese Freiheit, sich ganz auf den Triathlon konzentrieren zu können, auch nutzen. Vom Job nimmt er eine Auszeit, um sich in den kommenden Monaten als Profi einzig und allein auf sein Sub 8-Projekt konzentrieren zu können.

Für wesentlich mehr Aufsehen als der Wechsel zum Ausdauerdreikampf hat dagegen die Ankündigung gesorgt, die 226 Kilometer im ersten Anlauf unter acht Stunden absolvieren zu wollen. Aber auch das ist aus Sicht von Sebastian Reinwand nur konsequent – und keinesfalls überheblich, wie er findet.

Gute Voraussetzungen

Denn aus einer Laune heraus kommt diese Ansage definitiv nicht. Vielmehr sei sie das Ergebnis seines persönlichen Anspruchs und einer exakten Analyse seiner sportlichen Fähigkeiten. Neun Stunden peilen die Ambitionierten, die Semi-Profis an. Die wären "nicht die Herausforderung" für ihn, ist Reinwand überzeugt. Schon gar nicht, wenn er als Profi ("Wenn ich langsamer als die erste Frau bin, darf ich mich nicht Profi nennen.") antritt. Als Laufspezialist und ehemaliger Leistungssportler will er mehr; glaubt er, kann er mehr. Was liegt da näher, als die magische Acht-Stunden-Schallmauer (als Erster unterbot sie Lothar Leder 1996 in Roth) anzugreifen.

Hinzu kommt: "Die Weltspitze geht Richtung 7:40, da sind 7:59 nicht so unrealistisch", findet Reinwand. Davon abgesehen stimmen auch seine körperlichen Voraussetzungen, wie ihm kein Geringerer als Trainer-Legende Dan Lorang (er betreut unter anderem Weltrekordhalter Jan Frodeno und die frühtere Weltmeisterin Anne Haug) sowie eine ausführliche Leistungsdiagnostik bestätigt haben.

Seit die endgültige Entscheidung im Herbst des vergangenen Jahres gefallen ist, arbeitet Sebastian Reinwand zielstrebig auf sein Saisonziel 2019 hin. Wobei die ersten Wochen unter keinem guten Stern stehen. Eine Knieverletzung lässt im Herbst nur etwas Radfahren zu, der Supergau kommt Anfang Dezember: Ein Auto holt ihn vom Rad, das Knie ist endgültig lädiert. Erst Anfang Januar kann er wieder ins Training einsteigen. "Das war schon ein erheblicher Rückschlag", gibt er zu. Seitdem versucht er, den Rückstand Stück für Stück aufzuholen. Schwimmen, Radfahren, Laufen, Kraft- und Ausgleichstraining, Physiotherapie: "Es ist ein viel größerer Aufwand", erzählt er. Anstatt wie früher als Läufer zehn bis 15 Stunden mit intensiven Einheiten zu verbringen, investiert er nun fast 40 Stunden pro Woche in den Triathlon. Während die Intensitäten geringer ausfallen, dominieren nun die Umfänge. Und das kostet eben Zeit.

Es dreht sich ums Rad

Anfang März geht es schließlich für rund drei Wochen ins Trainingslager nach Zypern. Einige Tage sind seine Frau und der kleine Sohn mit von der Partie, die restliche Zeit dreht sich alles um den Sport, um den steten Wechsel von Belastung und Regeneration. Ein Schwerpunkt ist dabei das Radfahren, bislang seine Achillesferse, wie er gesteht. Mit fast 40 Kilometer Schwimmen, über 1400 Kilometern auf dem Rennrad und etwas mehr als 200 Laufkilometern in den Beinen ist Sebastian Reinwand vor Kurzem aus dem Süden zurückgekommen.

In den kommenden Wochen wird er das Pensum weiter steigern. Etwa 20 Kilometer im Wasser, 500 auf dem Rad und 110 Laufkilometer sollten es pro Woche dann gemäß des Trainingsplans sein den sein Trainer Christoph Großkopf (Triathlon-Lehrbeauftragter an der Deutschen Sporthochschule Köln) zusammengestellt hat.

Trotz des Rückschlags gleich zu Beginn des Projekts ist Sebastian Reinwand bislang "sehr zufrieden" mit der Vorbereitung. Zwar wäre er gerne noch ein wenig mehr gelaufen. Aber bei allem Ehrgeiz: "Jetzt darf ich keine Verletzung mehr riskieren." Wie er seine Chancen momentan einschätzt? "50:50", lautet die Antwort. Lachend schiebt er hinterher: "Mein Vorteil ist, dass ich nicht weiß, worauf ich mich einlasse." Und neben der rein sportlichen Herausforderung ist es schließlich genau diese Ungewissheit, die das ganze Projekt so ungemein "interessant macht" – für alle.

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