Spiderman im Netz

4.12.2008, 00:00 Uhr
Spiderman im Netz

© oh

Angefangen hat es vor rund zweieinhalb Jahren, erinnern sich die Jungs. Beide waren Fans von Comedians wie Helge Schneider oder Simon Gosejohann, und irgendwann hatten sie die Idee, sich selbst einmal so schrill und schräg vor der Kamera zu produzieren. Mit Hilfe von Philipps Schwester (hinter der Kamera) entstanden erste kleine Filmchen, «Jugendsünden«, schmunzeln die beiden heute, mit 17 und 18 Jahren sind sie jetzt ja schon erfahrene Videodarsteller, -regisseure und -produzenten.

Sie nannten sich «Y-Titty« und stellten kleine Gag-Streifen in das Internet-Portal YouTube. Die Resonanz war erstaunlich - das erste Video wurde 9000 Mal angeklickt, also machten sie weiter.

Erfahrung auf der Schulbühne

Zugute kam den beiden Sketch-Fans, dass Philipp seit vielen Jahren im Gymnasium Schultheater spielt, sich auf einer Bühne also gut bewegen kann. Ihre sechsminütige Filmparodie auf «Cast away«, in der auch noch eine Matrix-Kampfszene verhohnepipelt wird, «kam sehr gut an«, und sie legten nach mit dem Streifen «How to become a gangster«.

Bei den Filmchen verwendeten sie jeweils die Tonspur von Originalen und spielten neue, eigene Bilder drauf. Die witzigen Schlusspointen der Bildsequenzen belohnten die Internet-User mit vielfach-Sternchen und lobenden Kommentaren. Das gab Philipp und Matthias Auftrieb, schließlich waren sie bei einem Contest in der Plattform «my video« dabei.

Die Bewertungen für ihren Ausschnitt aus dem «High School Musical« mit einem schnulzigen Bühnenduett, in dem Matthias als Mädchen verkleidet ist und am Schluss seine Langhaarperücke verliert, waren toll, das Ranking phantastisch. Trotzdem kamen die Hilpoltsteiner Moviemaker nur auf Platz drei.

«Wir waren tief enttäuscht«, sagt Matthias, die Trauerzeit dauerte zwei Monate lang. Doch dann schrieb ihnen jemand von «Premiere« eine Mail, der mit den begabten Jungs einen oder mehrere Filme produzieren wollte.

Nach erstem ungläubigen Staunen, «ob der sich auch verifizieren kann«, waren sie begeistert und euphorisch. Die Idee des Produktionschefs der Premiere-Tochter «creation club« war nämlich, den großen Blockbuster-Filmen des Senders solche kleinen ironischen Streifen voranzustellen wie Philipp und Matthias sie machten. Die Jungs hätten das Zeug dazu.

Dann: Erstes Treffen in Unterföhrung, Angebot für einen Pilotfilm, vier Tage Drehzeit in den Studios für vier Vorstellungsfilme, nochmal zwei Tage zum Schneiden.

«Mamma Mia«

Auch ein Autor wurde ihnen zur Seite gestellt - für den Feinschliff. Ansonsten durften sich die jungen Männer einfach bedienen: das Kostüm für «Spiderman«, die Mädchenausstattung für «Mamma Mia« und die Deko für «Star Wars« wurde ihnen auf ihren Wunsch gestellt, die Maskenbildnerin wischte Matthias noch ein paarmal übers Gesicht, wenn der Puder nicht mehr deckte oder die Frisur verrutscht war.

«Es war ein Gefühl, als ob wir Stars sind«, erinnert sich Matthias mit Wonne an die anstrengenden, aber tollen Tage der Sommerferien 2008. Und nicht nur die beiden Filmhelden, auch die Macher des Senders waren «total begeistert«, und Philipp bilanziert: «Wir haben dabei unheimlich viel gelernt.«

Aber dann kam die Finanzkrise. «Eingestellt«, so hieß es, seien erst einmal alle Produktionen, und die beiden hoffnungsvollen jungen Filmtalente befiel eine «tiefe Depression«.

In so einem Fall erweist sich die Globalität des Internets als Segen: Denn der Bauer-Verlag stieß in den Tiefen des Netzes auf «www.y-titty.de«. Man sei interessiert an einer Zusammenarbeit - für eine Art Online-Wetten-dass.

Wettspiel mit Wäscheklammern

Bis Weihnachten sollen die Jungs jetzt zehn Videos drehen. Ein erstes haben sie schon fertig: das Wettspiel trägt den Titel: «Wer kann sich die meisten Wäscheklammern ins Gesicht klemmen?«

Aber daran haben die beiden Schüler eine Woche lang gearbeitet. Wenn bis Weihnachten noch weitere neun Produktionen fertig sein sollen, wird’s zeitlich ganz schön eng. «Außer Filmen und Schule gibt es für uns momentan wirklich gar nichts.«

Andererseits: Die Tür ist schon einen Spalt breit offen und damit die Chance, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Da wollen die Nachwuchsregisseure doch nicht hinter der Tür stehenbleiben. Und vielleicht hat ja auch Premiere die Finanzkrise bald hinter sich...