Starkes Bekenntnis zum Medium „Zeitung“

8.7.2016, 16:23 Uhr
Seit 160 Jahren informiert die Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung über die Stadt und die Umgebung.

© Detlef Gsänger Seit 160 Jahren informiert die Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung über die Stadt und die Umgebung.

Dass der Autor „von innen“ kommt, dass er den größten Teil nicht nur seines beruflichen Lebens der „Erhavau“ widmete, wo er den Beruf eines Schriftsetzers erlernte und später zum Redakteur und Redaktionsleiter aufstieg, wird in jedem Kapitel des reich bebilderten Buches spürbar.

Diese mit Sinn für Details und Wissen um Zusammenhänge und Hintergründe verfasste Zeitungschronik ist ein getreuer Spiegel rund zweier Jahrhunderte, in denen aus einer Fachpostille für Hopfenanbau und -handel zunächst ein „Intelligenzblatt“ für die gebildeten Stände und schließlich eine Tageszeitung wurde.

Dabei verzichtet Hans Pühn, wie es jeder seriöse Historiker tun sollte, auf Wertungen, gewichtet so wenig, wie er Stellung bezieht oder gar verurteilt. Dennoch lässt sich zwischen den Zeilen leicht herauslesen, dass vor allem die Übergangszeiten, die auch dem Zeitungswesen nicht erspart blieben, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg in Redaktion und Technik ihre Spuren hinterließen.

Uhren tickten noch langsamer

Mitte des 19. Jahrhunderts gab es andere Prioritäten als die Herausgabe eines täglichen Neuheitenblattes; die Uhren tickten gefühlt noch deutlich langsamer, als am 27. Januar 1856 erstmals eine für die Bürger Roths gemachte Zeitung erschien. Dass sie in Nürnberg auf Initiative des Buchdruckers Ferdinand Knörr produziert wurde, hatte etwas mit Gerichts- und Amtsbezirken zu tun, die seinerzeit völlig andere Grenzen hatten und deshalb auch andere Einflussgebiete absteckten. So beackerte die erste Rother Zeitung ein Gebiet, das Cadolzburg, das Kloster Heilsbronn (heute im Landkreis Ansbach) und Pleinfeld umfasste. „Die Stadt Roth tauchte im Zeitungskopf des ,Intelligenz-Blatts’ nur an untergeordneter Stelle auf“, heißt es bei Pühn.

Dies änderte sich, als Knörr sein Blatt an den Rother Leihhausverwalter Johann Carl verkaufte. Der gelernte Schneider hatte sich selbst das Setzen und Drucken beigebracht und stellte landwirtschaftliche Themen in das Zentrum seiner Berichterstattung. Ab 1861 hieß das in Roth erscheinende Blatt „Hopfenzeitung“, wurde später von der Tageszeitung abgetrennt und existiert bis heute unter neuem Namen weiter.

Häufiger Wechsel des Titels

Heute wird die Zeitung aus großen Maschinen im Druckhaus Nürnberg gedruckt.

Heute wird die Zeitung aus großen Maschinen im Druckhaus Nürnberg gedruckt. © Foto: Stefan Hippel

Die Zeitung in Roth kam mehrmals in andere Hände, ehe sie von Friedrich Feuerlein übernommen wurde und fortan Fränkische Volkszeitung hieß. Feuerlein erhöhte den Umfang und die berichterstatterische Qualität. Der charismatische Verleger starb früh, was seinen Schwiegersohn Karl Müller an die Spitze des Verlages brachte. Müller, der 90 Jahre alt wurde, prägte die Geschicke der Rother Zeitung entscheidend und steuerte das Heimatzeitungs-Schiff auch durch das wilde Fahrwasser zweier Weltkriege einschließlich jener dunklen Nazi-Jahre, in denen die Zeitung von der Propaganda-Maschinerie der Nationalsozialisten zunächst gleichgeschaltet und schließlich eingestellt wurde.

In den Nachkriegsjahren blieb es eine ganze Weile ziemlich turbulent, erst 1949 durfte der Verlag Karl Müller wieder eine Zeitung herausbringen, die diesen Namen verdiente.

Die Umbrüche ebenso wie die kleinen Veränderungen reportiert Hans Pühn nicht nur mit typisch journalistischer Faktentreue, er illustriert sie auch mit sauber faksimilierten Zeitungsseiten aus allen Epochen der RHV von den Hopfenzeitungs-Anfängen bis zum heutigen High-Tech-Produkt, das in digitalem Lichtsatz entsteht und mit seiner hohen Druck-Qualität besticht.

Einvernehmlich

Das wohl einschneidendste Ereignis der Wirtschaftswunderzeit prägt bis heute das Erscheinungsbild ebenso wie die Unternehmenskultur der Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung und ihres erst 1997 ins Leben gerufenen Ablegers Hilpoltsteiner Zeitung: Der Zusammenschluss mehrerer Heimatzeitungs-Verlage mit den Nürnberger Nachrichten zum „Nürnberger Modell“, das einerseits wirtschaftliche Sicherheit für die Heimatzeitungs-Verlage bieten sollte und andererseits Wert auf deren Eigenständigkeit legte. Katalysator und „Klebstoff“ dieser Konstruktion war und ist bis zum heutigen Tag NN-Verleger Bruno Schnell, der für eine im Verlagswesen ansonsten nur sehr selten zu findende soziale Philosophie steht. Und damit dem in Roth gepflegten einvernehmlichen Miteinander von Redaktion und Technik sehr nahe stand und steht.

Was nicht zuletzt auch in der Schwerpunktsetzung von Hans Pühns Zeitungschronik deutlich wird. So singt Hans Pühn beispielsweise in einem Kapitel das Loblied auf die freien Zeitungsmitarbeiter, ohne die keine Zeitung arbeiten kann – und nennt die wichtigsten der RHV aus der aktuellen wie der vergangenen Generation auch beim Namen. Dass Pühn im selben Atemzug den Redaktionsalltag einst und jetzt beschreibt, macht dieses Buch zudem für jene interessant, die Zeitungen bis dato nur lesend wahrgenommen haben.

Digitale Zukunft unumkehrbar

Breiten Raum nimmt bei Hans Pühn, der einst die technische Seite von der Pike auf lernte, der Umbruch hin zu digitaler Informationsverarbeitung und -verbreitung ein. Er, der Zeitungsfreund, lässt keinen Zweifel daran, dass der Weg in die digitale Zukunft unumkehrbar ist. Und dass das ideelle Konstrukt Tageszeitung – egal in welcher Form – noch lange Zeit seine Existenzberechtigung haben wird.

Hans Pühn, „Die Geschichte der Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung 1856 – 2016“, Verlag Karl Müller, vormals Friedrich Feuerlein GmbH. Zu kaufen ist das Buch (28x22 cm, Festeinband mit Schutzumschlag, 88 Seiten) für 12,50 Euro (mit ZAC-Rabatt zehn Euro) in den Geschäftsstellen in Roth, Allee 2-4 und Hilpoltstein, Marktstraße 7.

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