Felix Walchshöfer: Was tun am Challenge-Tag ohne Challenge?

5.7.2020, 06:02 Uhr
Felix Walchshöfer: Was tun am Challenge-Tag ohne Challenge?

© Archiv-Foto: Andre de Geare

Herr Walchshöfer, am Sonntagfrüh treffe ich Sie...

Felix Walchshöfer: ... gar nicht. Ich bin nämlich den ganzen Tag an den Wettkampfstrecken unterwegs. So wie ich das immer gemacht habe an Wettkampftagen.

Aber es gibt in diesem Jahr keinen Challenge und damit auch keinen Wettkampf. Sie könnten also ausnahmsweise mal ausschlafen.

Felix Walchshöfer: Ausschlafen? Niemals. Ich will dort sein, wo sonst am ersten Juli-Sonntag die Hölle los ist. Aber es wird komisch sein, wenn kaum Leute da sind und wenn am frühen Morgen die Glocken der Heuberger Kirche nicht läuten.

Wenigstens können Sie sich einen minutiösen Zeitplan schenken, den Sie sonst an diesem Tag immer haben.

Felix Walchshöfer: Das stimmt. Aber selbstverständlich werde ich mal am Solarer Berg und an anderen Hotspots vorbeischauen. Und am Abend vielleicht auch einmal im Zielbereich beim nicht stattfindenden Abschlussfeuerwerk die Gedanken kreisen lassen. Dazwischen und auch schon am Samstag von 11 bis 16 Uhr machen wir im Büro einen Tag der offenen Tür. Mit all den gebotenen Vorsichtsmaßnahmen. Mit Mundschutz, Abstandsregeln, Desinfektionsspender und allem drum und dran. Daheim zu sitzen wäre an diesem Tag für mich noch viel trauriger als auf Achse zu sein.

Wenn man die Sozialen Medien verfolgt, dann wage ich jetzt mal die nicht allzu kühne Prognose, dass Sie nicht der einzige Triathlonbegeisterte sind, der an diesem Sonntag auf den Wettkampfstrecken unterwegs ist.

Felix Walchshöfer: Ja, es gibt Athleten, die haben sich zu einer Trainingseinheit verabredet. Die fahren zusammen Rad oder machen eine Laufeinheit. Nur im Kanal dürfen sie nicht schwimmen. Das wäre bei Schiffsverkehr zu gefährlich. Solange die coronabedingten Standards eingehalten werden, ist das in Ordnung. Das wird ja keine Massenveranstaltung. Die Sportler zeigen so ihre Verbundenheit mit unserem Rennen.

Was mich besonders freut: Nachdem wir das Rennen abgesagt hatten, haben viele Athleten und ihre Angehörigen nicht einfach ihre Buchungen in ihren Unterkünften storniert. Die haben die Buchung gehalten und kommen jetzt für einen Kurzurlaub. Das ist auch ein gutes Zeichen für die Gastronomie und Hotellerie.

Dieser Bereich der Gastronomie und der Zimmervermieter geht in der Coronakrise durch ein tiefes Tal. Es trifft aber auch ein Unternehmen wie das Ihrige. Das Team Challenge arbeitet auf einen einzigen Tag im Jahr hin. Wenn es keinen Challenge gibt, dann gibt es für Sie auch kein Geld. Natürlich trifft uns die Pandemie mit voller Wucht. Wir haben die Startgebühren der Athleten zurückgezahlt, was bei ausländischen Startern nicht immer ganz einfach war. Es gibt keine Sponsorengelder und auch keine Einnahmen durch die Triathlon-Messe. Einziger verbliebener Einnahmeposten ist der Online-Shop. Der läuft gut. Das reicht aber nicht, um eine Firma wie unsere über Wasser zu halten.


Wegen Coronavirus: Challenge Roth 2020 abgesagt.


Wie schaffen Sie es dann?

Felix Walchshöfer: Erst durch eine Privateinlage und dann in Form von Krediten. Die Mitarbeiter sind 50 Prozent in Kurzarbeit. Wir stocken das Gehalt auf 90 Prozent plus auf, weil sie sich in den vergangenen Monaten unglaublich ins Zeug gelegt haben.

Aber Sie haben doch schon die Startgebühren für das Rennen 2021 eingenommen. Das war ja wie immer binnen Sekunden ausgebucht.

Felix Walchshöfer: Das Geld haben wir. Aus rechtlichen Gründen dürfen wir es aber erst 2021 anfassen. Im Januar ist hoffentlich das Schlimmste überstanden.

Hadern Sie mit dem Schicksal? Schließlich hatten Sie das denkbar beste Feld am Start: die Hawaii-Sieger, die Hawaii-Zweiten, die Hawaii-Dritten. Es hätte ein richtiger Festtag werden können.

Felix Walchshöfer: Ja, das ist schon zum verrückt werden. Aber dass der weltbeste Triathlet Jan Frodeno das Versäumte im nächsten Jahr bei uns nachholen will, zeigt schon den Stellenwert, den wir haben.

Was ist, wenn es auch nächstes Jahr kein Rennen geben kann? Corona ist noch längst nicht besiegt.

Felix Walchshöfer: Ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Stand jetzt, gehe ich davon aus, dass es 2021 ein Rennen in irgendeiner Form geben kann. Vielleicht gibt es eine Mundschutzpflicht im Zielbereich, vielleicht können wir das Stadion nicht voll machen. Aber schauen Sie: Ab Herbst darf es zum Beispiel wieder Messen in Nürnberg und München geben. Auch da gibt es ja oft einen großen Menschenauflauf. Man braucht halt ein schlüssiges Hygienekonzept.

Felix Walchshöfer, 40, ist Renndirektor des weltweit größten Langdistanz-Triathlons. Den Challenge in Roth über 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen bestreiten alljährlich mehr als 3000 Einzelsportler und knapp 2000 Staffelathleten. Walchshöfer begann seine Challenge-Karriere als „Luftballonkind“, das die Sieger ins Ziel begleitet. Nachdem sein Vater Herbert die Rennserie übernommen hatte, musste der damals 24-Jährige früh Verantwortung übernehmen. Nach dem Tod des Vaters stieg er zum Challenge-Chef auf.

Felix Walchshöfer, 40, ist Renndirektor des weltweit größten Langdistanz-Triathlons. Den Challenge in Roth über 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen bestreiten alljährlich mehr als 3000 Einzelsportler und knapp 2000 Staffelathleten. Walchshöfer begann seine Challenge-Karriere als „Luftballonkind“, das die Sieger ins Ziel begleitet. Nachdem sein Vater Herbert die Rennserie übernommen hatte, musste der damals 24-Jährige früh Verantwortung übernehmen. Nach dem Tod des Vaters stieg er zum Challenge-Chef auf. © Foto: Salvatore Giurdanella

In der Triathlon-Szene gehörten Sie zu den ersten großen Veranstaltern, die ihr Rennen abgesagt haben. Was überwog von Athletenseite, Kritik oder Zustimmung?

Felix Walchshöfer: Als in der Szene Corona zum Thema wurde, da wurde schon kritisch hinterfragt, ob es sinnvoll ist, Veranstaltungen im Sommer frühzeitig abzusagen. Viele glaubten, die Geschichte wäre nach zwei oder drei Monaten durch. Als wir uns dann schweren Herzens zur Absage durchgerungen haben, gab es ein überwiegend positives Feedback. Ich habe fast den Eindruck, wir haben damit die Athleten aus einer gewissen Schockstarre geholt. Sie wussten damit wenigstens, woran sie sind. Und die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass wir mit unserer Entscheidung, das Rennen abzusagen, richtig gelegen waren. Leider.

Es könnte ein Jahr ohne Triathlon werden. Selbst die WM in Hawaii ist von Oktober vorerst auf Februar verlegt. Nur der Ironman in Hamburg steht im September noch im Terminkalender.

Felix Walchshöfer: Das mit Hamburg verstehe ich nicht. In Deutschland sind alle Großveranstaltungen bis Ende Oktober verboten. Da wird auch eine Triathlon-Großveranstaltung kein Schlupfloch finden können. Aber das ist ehrlich gesagt nicht mein Spiel.


Beringer, Mahl, Edelhäußer: Stimmen zum Challenge-Ausfall.


Zurück zum Rother Rennen, beziehungsweise zum Rother Nicht-Rennen. Seit Mitte der Woche hängt am Solarer Berg ein großes Challenge-Banner. Was hat es damit auf sich?

Felix Walchshöfer: Es kommen noch zwei weitere hinzu. Die "Wir vermissen euch Banner" sind ein lieber Gruß an die Athleten, Helfer, Gastfamilien und unseren triathlonverrückten Landkreis. Triathlonverrückt ist der ja auch, wenn es mal keinen Triathlon gibt. Außerdem haben wir jedem unserer mehr als 5000 angemeldeten Einzelstarter und Staffelteilnehmer eine "Wir-vermissen-Dich"-Postkarte geschickt. Weil es einfach so ist…

Das Landratsamt ist mittlerweile leicht beunruhigt, weil es am Sonntag große oder zumindest größere Menschenaufläufe befürchtet.

Felix Walchshöfer: Also wir vom Team Challenge veranstalten nichts. Wenn Leute anreisen, um miteinander Sport zu treiben, dann kann ich das weder verhindern noch verbieten. Ich kann nur appellieren, dass sich diejenigen, die da sind, an Abstands- und Hygieneregeln halten. Das werden sie auch tun.

Zumindest können sie aus Triathletensicht auf heiligem Boden trainieren.

Felix Walchshöfer: Ganz so hoch möchte ich es nicht hängen. Aber das ist halt ganz einfach die DNA von Roth: zu Gast sein bei Freunden. Ob mit oder ohne Wettkampf.

Was macht die Coronakrise mit Ihnen persönlich?

Felix Walchshöfer: Arbeitsmäßig ist es eine Katastrophe. Ich mache mir Sorgen um die Mitarbeiter und um die Firma. Auf der anderen Seite bin ich viel draußen und habe Zeit zum Sport. Ich lese viel, kann jetzt auch wieder Freunde treffen. Und ich hatte ein Frühjahr mit vielen freien Abenden. Das kannte ich früher nicht. Jetzt, in der eigentlichen Rennwoche, ist es psychisch für mich aber nicht so einfach. Mir fehlt etwas, und wenn es das Adrenalin ist.


Felix Walchshöfer, 40, ist Renndirektor des weltweit größten Langdistanz-Triathlons. Den Challenge in Roth über 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen bestreiten alljährlich mehr als 3000 Einzelsportler und knapp 2000 Staffelathleten. Das Rennen ist in aller Regel nach Freischaltung der Portale binnen Sekunden ausgebucht. 2020 fällt es coronabedingt aber aus. Walchshöfer begann seine Challenge-Karriere als „Luftballonkind“, das die Sieger ins Ziel begleitet. Nachdem sein Vater Herbert die Rennserie übernommen hatte, musste der damals 24-Jährige früh Verantwortung übernehmen. Nach dem Tod des Vaters stieg er zum Challenge-Chef auf. Er hat selbst dreimal einen Langdistanz-Triathlon ge- finisht: zweimal in Wanaka/Neuseeland und einmal – 2014 – sein eigenes Rennen in Roth.

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