Stimmen aus Roth und Schwabach: Kann Kardinal Marx die Kirche wachrütteln?

6.6.2021, 13:32 Uhr
Sein Ersuchen an Papst Franziskus, ihn von seinem Bischofsamt zu entbinden, überrascht die katholischen Geistlichen.

© Tobias Hase Sein Ersuchen an Papst Franziskus, ihn von seinem Bischofsamt zu entbinden, überrascht die katholischen Geistlichen.

Ein Paukenschlag: Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat Papst Franziskus darum gebeten, „meinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising anzunehmen“. Völlig überraschend kam die Nachricht bei den katholischen Geistlichen – auch in der Region – an.

Als Grund für sein Rücktrittsgesuch gibt Reinhard Marx an: „Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten. Die Untersuchungen und Gutachten der letzten zehn Jahre zeigen für mich durchgängig, dass es viel persönliches Versagen und administrative Fehler gab, aber eben auch institutionelles oder 'systemisches' Versagen.“


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Erstaunt hat das Rücktrittsgesuch des Kardinals und langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz natürlich auch die hiesigen Pfarrer. Aber, so kommentiert der Schwabacher Stadtpfarrer Robert Schrollinger, Marx habe in seinem Brief an Papst Franziskus auch von Erneuerung gesprochen. „Und Neuanfang kann unserer Kirche nur guttun.“ Denn der „tote Punkt“, an dem Reinhard Marx die katholische Kirche sieht, sei „der Zustand, den wir erleben“. Durch zahlreiche Austritte werde die Verbindung der Menschen zur Kirche immer schwächer. „Und Corona hat dann wie durch ein Brennglas sichtbar gemacht, was schon da war: Dass wir die Leute verlieren.“

Persönlich und systemisch

Zwei Ebenen sehe Marx in der Frage der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Das persönliche und das systemische Versagen. „Und beides ist richtig“, bestätigt Schrollinger. Das heißt: „Beides muss man aufarbeiten. Das tut weh, aber es ist notwendig.“ Ob der Rücktritt eines Bischofs, dessen Bistum vergleichsweise wenig betroffen ist, dafür der richtige Weg ist? Das könne er noch nicht beurteilen, meint Schrollinger. Ein Zeichen aber setze Marx, „der ja nicht irgendwer ist“, damit schon. Und dass der Bischof einen Großteil seines Privatvermögens in die Stiftung zur Aufarbeitung eingebracht habe, „das nötigt mir großen Respekt ab“.


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Der Schritt des Münchner Kardinals könnte sowohl Kirche als auch Gesellschaft „schon wachrütteln“. Das kann sich auch der Hilpoltsteiner Pfarrer Franz-Josef Gerner nach der Ankündigung vorstellen. Denn wie jede einzelne Pfarrei leidet auch die katholische Kirche in Hilpoltstein unter dem Schwund von Mitgliedern. Pfarrer Gerner sieht die Hemmschwelle für einen Austritt inzwischen sehr viel niedriger. Helfen könnte da vielleicht, dass der Austritt nicht beim Einwohnermeldeamt, sondern bei der Kirche gemeldet werden müsse. „Dann wäre zumindest ein Gespräch möglich.“

Aufarbeitung verstärken

Auch wenn Kardinal Marx in der jüngsten Vergangenheit gewirkt habe, als gehe ihm etwas „sehr an die Nieren“, war der Rother Pfarrer Christian Konecny doch „sehr überrascht“ von dessen Rücktrittsgesuch. Und er ist „sehr traurig“, wenn Marx tatsächlich vom Bischofsamt zurücktritt. Denn er sei ein „sehr guter und vernünftiger“ Bischof, dem er „höchsten Respekt“ zollt. Ob der Rücktritt dann auch eine Auswirkung habe, will Konecny noch nicht sagen. Freilich sei schon einiges passiert, jeder Pfarrer müsse inzwischen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Aber er hoffe schon: „Dass das, was an Aufarbeitung schon begonnen wurde, noch verstärkt wird.“

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