Tätlicher Angriff auf einen Polizisten und eine "Schelln"

11.10.2020, 07:01 Uhr

Wenn Uarwin S. (Name geändert) Alkohol trinkt, dann kann es schon mal passieren, dass er ausrastet. So war es auch im März und April dieses Jahres. Unter anderem wegen eines tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte und wegen vorsätzlicher Körperverletzung musste er sich vor Jugendrichter Reinhard Hader verantworten.

Fall 1: Am 14. März war der mittlerweile 21-jährige Iraker in Rednitzhembach mit Freunden derart lautstark in Streit geraten, dass Anwohner gegen 1.45 Uhr die Polizei verständigten. Beamte aus Schwabach rückten an (die an sich zuständigen Kollegen aus Roth waren alle im Einsatz) und trafen auf drei junge Männer, die noch immer heftig diskutierten.

"Es nützte nichts"

Da die Jacke eines Beteiligten mit Blut verschmiert war, wollten die Polizisten zunächst einmal die Personalien feststellen. Dem widersetzte sich laut den Angaben eines der am Einsatz beteiligten Beamten der Angeklagte zunächst lautstark und "in nicht verständlicher Sprache." Wohl hätten die beiden anderen jungen Männer versucht, beruhigend auf ihren Freund einzureden, doch es nützte nichts, so der Polizist.


Neuigkeiten aus dem Gericht 


Uarwin S. wollte weglaufen, worauf ihn sein Kollege an der Schulter festhielt, so der Zeuge. Der 21-Jährige habe dann die Fäuste geballt und wollte auf seinen Partner losgehen. Beim Versuch, den jungen Mann zu fixieren und ihm Handschellen anzulegen habe sich dieser gewehrt und am Boden liegend mit Füßen getreten. Knapp 1,5 Promille Alkohol hatte Uarwin S. im Blut, wie Richter Hader aus einem Gutachten zitierte.

Eine "Schelln"

Fall 2: Am 15. April dann hatte Uarwin S. wieder einmal heftig getankt: 1,9 Promille. Da er seinen Rausch ausschlafen wollte, fühlte er sich durch einen Nachbarn gegenüber seiner Unterkunft in Roth gestört, der gegen 13 Uhr in einen Altglascontainer Flaschen einwarf. Der als Zeuge geladene 47-Jährige erinnerte sich, dass er dem 21-Jährigen verständlich machen wollte, dass er zu diesem Zeitpunkt Flaschen einwerfen dürfe, doch davon habe Uarwin S. nichts wissen wollen. Er schrie und habe ihm schließlich eine "Schelln" verpasst. Eine Zeitlang, so der Zeuge, habe er überlegt, ob er Anzeige erstatten solle, doch dann sei er zu der Überzeugung gekommen, "dass so etwas gar nicht geht." Deshalb sei er zur Polizei gegangen.

Uarwin S. gab zu, dem 47-Jährigen eine Ohrfeige verpasst zu haben. Dass er gegen die Beamten renitent geworden sei (Fall 1), das bestritt er. Er habe am Boden liegend keine Luft mehr bekommen und deshalb geschrien, so seine Einlassung, die – wie der gesamte Verhandlungsverlauf – von einem Dolmetscher übersetzt werden musste.

Staatsanwalt Philip Pasch sah trotz dieser Angaben alle Sachverhalte der Anklage bestätigt. Er beantragte wegen Widerstands und eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie wegen versuchter und vorsätzlicher Körperverletzung eine Gesamtjugendstrafe von einem Jahr. Da Uarwin S. wegen einer weiteren Körperverletzung seit 16. August in U-Haft sitzt, wollte er ihn dort gerne weiter aufgehoben sehen.

Freiheitsstrafe auf Bewährung

Pflichtverteidiger Rudolf Gerber (Roth) meinte dagegen, dass der angebliche tätliche Angriff auf den Polizeibeamten nicht zu ahnden sei. Sein Mandant sei ja gar nicht dazu gekommen, denn die Beamten hätten ihn vorher zu Boden gebracht.

Die eingestandene Ohrfeige sei nicht so schlimm gewesen, meinte der Anwalt, "obwohl das ja nicht zu tolerieren ist." Gerber plädierte für eine Arbeitsauflage, allenfalls für einen Jugendarrest von einer Woche. Der Haftbefehl sei aufzuheben, so der Anwalt.

Richter Reinhard Hader verurteilte den 21-Jährigen schließlich zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Nach Erwachsenen-Strafrecht. "Denn ein junger Mann, der sich nach der Flucht aus dem Irak seit Ende 2016 auf dieser Welt durchgeschlagen habe (in Deutschland und Frankreich), der wisse, was er tue. "Da sehe ich keinen Reife-Rückstand", so der Richter. "Fangen Sie an, sich wie ein Erwachsener und wie ein Gast in diesem Staat zu benehmen", mahnte Hader. Den Haftbefehl hob er auf.