Vergiftete Vögel, erschlagene Biber: Mittelfranken bei Wilderei ganz vorn

19.4.2021, 18:46 Uhr
Bayerische Polizisten vor wenigen Wochen bei der Bergung eines mutmaßlich vergifteten Mäusebussards. Gegen Gift in Aasködern sind selbst große Großvögel wehrlos.

© Foto: picture alliance/dpa/CABS Bayerische Polizisten vor wenigen Wochen bei der Bergung eines mutmaßlich vergifteten Mäusebussards. Gegen Gift in Aasködern sind selbst große Großvögel wehrlos.

Früher nannte man es Wilderei, heute Naturschutzkriminalität. Was gleich geblieben ist: "Solche Vergehen sind keine Kavaliersdelikte, sondern Straftaten." Das machten die Referenten einer Online-Tagung der Gregor Louisoder Umweltstiftung (GLUS) und des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) deutlich. Der erstmalige Report über die Lage in Bayern für die Jahre 2019 und 2020 fördert dabei für Mittelfranken Unrühmliches zutage: Der Bezirk ist in der Bilanz trauriger Spitzenreiter.


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Dafür wiederum sorgen drei Landkreise, die im "Tatort-Natur"-Report weit vorn liegen: Neustadt/Aisch-Bad Windsheim mit sieben Fällen auf Platz zwei (insgesamt zehn Tiere kamen dort teils qualvoll zu Tode), Weißenburg-Gunzenhausen gemeinsam mit Pfaffenhofen/Ilm auf Rang vier (je sechs Fälle und acht gewilderte Tiere) sowie der Landkreis Roth mit vier Straftaten und neun getöteten Wildtieren auf Platz sechs des Negativ-Rankings. Das schlimmste Ergebnis liefert schließlich Cham in Oberpfalz. Hier fiel ein ganzer Vogelschwarm einem Giftköder zum Opfer, was die Todeszahl auf 42 nach oben katapultierte.

Ab sofort soll eine solche Dokumentation jährlich erscheinen, wie GLUS-Naturschutzreferentin Franziska Baur ankündigte. So gibt es nun im Interner unter www.tatort-natur.de erstmals eine landesweite Meldeplattform. Doch damit sei man erst am Anfang der Arbeit: "Wir gehen davon aus, dass wir bislang nur an der Spitze des Eisbergs kratzen", so Baur.

Insgesamt mussten im ersten Jahr des Monitorings 121 Wildtiere illegal durch Menschenhand sterben. Ein Panoptikum des Grauens: Im Berchtesgadener Land wurde ein Auerhahn mit einer Armbrust beschossen; im Landkreis Regen verhungerte ein Luchs nach einem Anschuss – schon 2017 wurden dort einem weiteren Tier Kopf und Vorderpfoten abgetrennt, ein Jahr später Kopf und Krallen eines Mäusebussards provokativ ausgelegt; und nur einen Tag vor der Tagung fanden Spaziergänger bei Freising drei geköpfte Biber.

Biber und Geifvögel im Visier

Noch vor dem Wilderern sehr oft zum Opfer fallenden Biber finden sich etliche Großvögel auf der Liste – an erster Stelle der Rotmilan, von dem rund die Hälfte aller weltweiten Exemplare in Deutschland leben. Auf den folgenden Plätzen befinden sich Mäusebussard, Turmfalke und Uhu.


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Wenn die Täter erwischt werden, drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft. Nicht nur das Töten, sondern auch schon das Verfolgen oder Fangen von Wildtieren stehen unter Strafandrohung. Ein häufiges Motiv: "das Ausschalten der Konkurrenz um die Jagdbeute", erklärt der LBV-Landesfachbeauftragte Andreas von Lindeiner. Die Trophäenjagd, die Lust an der Tierquälerei oder der Hass auf Naturschützer würden manche Menschen ebenfalls zu solchen Untaten treiben. Daneben gebe ganz "praktische" Gründe wie etwa das Ermöglichen von Windkraftanlagen, denen mancherorts Habitate von Greifvögeln im Wegh stehen. Auch Rache für Haustiere wird immer wieder geübt. Paradoxerweise kamen laut dem Report gerade dabei eine weitere Katze und ein Hund ums Leben.

Die häufigste Tötungsmethode ist das Vergiften. Zur Osterzeit legten Täter bei Landshut sogar entsprechend präparierte Eier aus – in Kauf nehmend, dass diese auch Kinder aufsammeln könnten. Als häufigstes Gift kommt das Insektizid Carbofuran zum Einsatz, das Koliken und Herzstillstand auslöst. Wer das bläuliche Granulat oder die pinke Flüssigkeit in der Natur entdeckt, sollte sie auf keinen Fall anfassen. Das Fangen mit Fallen oder der Abschuss sind weitere Verfolgungsarten, ebenso das Zerstören von Greifvogel-Horsten oder das Fällen ganzer Bäume.

Straftaten gegen Tiere ernster nehmen

"Die Behörden sollten alle Fälle ernst nehmen und auch im Zweifelsfall ermitteln", fordern die beiden Naturschutzverbände. Dies geschehe auch immer öfter, wie etwa beim Durchkämmen des "niederbayerischen Giftdreiecks" Straubing-Deggendorf-Dingolfing, wo im Januar mehrere Mäusebussarde verschwanden. Oft loben sowohl Polizei als auch LBV Belohnungen aus.


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Im Fall der toten Jungstörche in Spalt schoss der LBV vergangenes Jahr allerdings über das Ziel hinaus. "Da wollten wir ein zeitnahes Ergebnis und haben deswegen diese Ermutigung ausgesprochen", erklärt von Lindeiner – zumal die Tiere bei der Polizei als Abschüsse gemeldet worden seien. Dies habe sich aber nicht bestätigt, und auch Gift konnte nicht festgestellt werden.

Leise Kritik an den Behörden gab es von GLUS-Referentin Baur. So sei ein Fall von drei toten Uhus nicht weiter untersucht worden, obwohl es deutliche Hinweise auf eine Straftat gegeben habe. Die Aufklärungsquote an sich sei bislang ernüchternd: Im Report gebe es nur eine einzige rechtskräftige Verurteilung für einen Täter, der im Landkreis Rosenheim einen Biber mit einer illegalen Schlagfalle erlegt hatte. Der Jagdpächter muss dafür eine Strafe von 1500 Euro bezahlen.

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