Von Ritterrüstungen und historischen Gemälden: Ein Heidecker Sammler öffnet seine Türen

13.11.2020, 16:08 Uhr
Josef Krätzer und Hund Gero im unkonventionellen „Wohnzimmer“ der fünfköpfigen Familie, das der Hausherr „Kaiserzimmer“ nennt – unter anderem, weil unterm Kreuzgratgewölbe Kaiser Wilhelm II. über die vielen Relikte aus der Vergangenheit wacht. 

© Tobias Tschapka Josef Krätzer und Hund Gero im unkonventionellen „Wohnzimmer“ der fünfköpfigen Familie, das der Hausherr „Kaiserzimmer“ nennt – unter anderem, weil unterm Kreuzgratgewölbe Kaiser Wilhelm II. über die vielen Relikte aus der Vergangenheit wacht. 

Sicher gibt’s da jene, die ihn einen "Spinner" nennen würden. "Unnachgiebig" mögen andere urteilen. Weil er durchdrückt, was er sich in den Kopf gesetzt hat. Sein Leitspruch: "Wenn ich sage, ich mach’ das, dann mach’ ich das!"

Er selbst charakterisiert sich so: "Bin handwerklich nicht ungeschickt und grundsätzlich innovativ", spricht’s und zwirbelt seinen spitzen Kaiserbart. Der ist wichtig, denn schließlich war er zuerst da. Dann kam das Bild, danach das Zimmer. Das Kaiserzimmer, um genau zu sein. Und besagtes Bild ist – natürlich – ein Kaiserbild.
Josef Krätzer hat sich mit Adel, Glanz und Gloria des deutschen Kaiserreichs umgeben. Warum? Weil er’s kann. Um dem historischen Pomp einen würdigen Rahmen zu verleihen, schuf sich der heute 56-Jährige nämlich ein kleines Refugium, das sich so in keinem zweiten Privatwohnhaus finden dürfte. Weil: "Geht nicht, gibt’s nicht" für den gebürtigen Heidecker.

Wer in die "andere Welt" will, betritt zunächst eine geräumige Wohnküche. Vor dem großen Esstisch mit der Eckbank fläzt Jagdhund Gero, es riecht nach Kaffee. Auffällig allein: ein spitzbögiges Tor am rechten Saum des Raums. Und in der Tat: Dort beginnt sie, die Zeitreise.

Das Krätzer'sche Wohnzimmer gleicht einem Museum. 

Das Krätzer'sche Wohnzimmer gleicht einem Museum.  © Tobias Tschapka

Josef Krätzer öffnet einen Holzflügel der Pforte und bittet zwei Stufen hinab in die Vergangenheit. Das ist kein Wohnzimmer! "Doch", sagt Krätzer, "aber halt a weng anders." Den Beleg dafür liefern Familienfotos, ein Fernseher, eine Hifi-Anlage. Aber sonst.

Tief gelaibte Spitzbogenfenster lassen das Tageslicht durch eine spezielle Schlierenoptik herein in diese "Mini-Halle", wo sich die Decke als imposantes Kreuzgratgewölbe über den Teakholzmöbeln in viktorianischem Stil spannt. "Die sind handelsüblich", sagt der Hausherr. Nicht aber der Rest.

In den Haupttonnen der Decke wurden die Wappen der vier Königreiche am Ende des 19. Jahrhunderts verewigt: Bayern, Sachsen, Württemberg und Preußen. Dafür hätte er eigens drei ungarische Kirchenmaler engagiert, erklärt Krätzer. Ebenso für die übrigen Embleme – mehr als 20 an der Zahl – die zu den Fürsten- und Kurfürstentümern der damaligen Zeit gehörten.

Ein Haus für Wilhelm II.

Einen langen Winter habe er am Stahlgerippe dieses Gewölbes geschweißt. Der Rest des Raums und überhaupt das ganze Gebäude sei dann quasi "drumrum" entstanden, meint Josef Krätzer und lacht. Ob’s stimmt? Eine schöne Geschichte ist es allemal.
Ebenso die, dass er dieses Haus eigens für das Bildnis von Wilhelm II. gebaut habe. Der hörte das sicher gern und grüßt in Paradeuniform aus dem Rahmen überm Kamin. "Als ich das Gemälde erstanden hab’", erzählt Krätzer, "dürfte ich Anfang 20 gewesen sein. Wir waren sechs Kinder, Platz dafür gab’s also nicht." Somit habe er sich für die Zukunft geschworen: ein Bild, ein Haus – und studierte Bauingenieurwesen.

Woher sein Faible fürs Gestern rührt? Josef Krätzer zieht die Schultern hoch. Schon als Ministrant hätte ihn die historische Deckenkonstruktion der katholischen Heidecker Stadtpfarrkirche beschäftigt, mit 18 ließ er sich den gezwirbelten Schnurrbart stehen und ging zum Fasching als Kaiserkopie, Jahrzehnte lang schwang er sich schließlich für den Heidecker Heimat- und Verkehrsverein aufs Pferd und trabte als wohlgerüsteter Ritter Friedrich beim Festzug mit.
Vorbei. Vorbei auch die Zeiten, als er CSU-Stadtrat am Ort war und in einer heißen Phase des kommunalpolitischen Geschehens streitbar seine Meinung kundtat. Jetzt, betont Krätzer, der bei der Bahn für Bauleistungen und Infrastruktur mit Millionen jongliert, suche er in der Freizeit vor allem eines: "Ruhe!"

Nachgemaltes Original

Die finde er bisweilen hier: "Wenn man in diesem Raum alte Musik abspielt, driftet man weg." Dabei schweift sein Blick zum selbstkonstruierten Kronleuchter, dann über einen gut erhaltenen maximilianischen Harnisch aus dem 17. Jahrhundert, über glänzende Kürasse und Blankwaffen aus den napoleonischen Kriegen, den Helm eines sächsischen Gardereiters sowie den eines Ulans, um letztlich am Gemälde der Kaiserreich-Proklamation in Versailles von 1871 hängen zu bleiben. Anton von Werner hatte mehrere Fassungen davon gemalt. Das letzterhaltene Original prangt bei den Nachfahren Otto von Bismarcks in Friedrichsruh. Josef Krätzer hat es abfotografieren und nachmalen lassen.

Der Sammler Josef Krätzer in seinem Wohnzimmer in Heideck - Ritterrüstung inklusive. 

Der Sammler Josef Krätzer in seinem Wohnzimmer in Heideck - Ritterrüstung inklusive.  © Tobias Tschapka

Damit steht sie erneut im Raum, die Frage: "Woher rührt Ihre Faszination für all das, Herr Krätzer?" Der denkt kurz nach. Würde und Ästhetik. Das sei’s, was "diese farbenfrohen Uniformen ausstrahlen. Hat mich immer schon begeistert." Selbiger Umstand bedeute aber keinesfalls, "dass ich an der Zeit damals alles gut finde; also dass ich da hätte leben wollen." Mitnichten. Und er zählt auf: Kriege, Mangelernährung, hohe Sterblichkeit "man hatte nix zu lachen".

Gleichzeitig habe ihn seine intensive Beschäftigung mit der Geschichte vieles gelehrt. "Gemeinwohl geht vor Eigennutz" zum Beispiel. Das hätte er sich inzwischen hinter die Ohren geschrieben. Und dass es für alles eine Lösung gibt.

Vor allem das. Drum kann man drinnen, vom unkonventionellen "Wohnzimmer" der fünfköpfigen Familie Krätzer aus, auch durch zwei große Aquarienfenster in die Tiefe und Weite des Gartenteichs draußen blicken – direkt in die Glupschaugen der neugierigen Karpfen und Kois, die sich während des Gesprächs an der Scheibe versammelt haben. "Unten drunter liegt übrigens der Weinkeller", ergänzt Krätzer.

Feudale Jagdkanzeln

Was als nächstes kommt? Die "Geschichtsphase" habe er mittlerweile hinter sich gelassen, glaubt er. Keine Spezialauktionen mehr, keine bundesweiten Fachsimpeleien mit ähnlich Gesinnten, keine weiteren Ausgaben für diesen Raum. Nein, schon lange nicht mehr.
Stattdessen fließen Hirnschmalz und Geld jetzt in die Konstruktion "feudaler, mobiler Jagdkanzeln". Mit Strom aus Solarzellen beheizt und selbstfahrend auf Raupenketten. Denn: "Geht nicht, gibt’s nicht", wie gesagt. Es sei "alles nur eine Frage des Willens." Was Josef Krätzer jetzt als Ausgleich zum stressigen Job will, das sei Ruhe – "und die finde ich vor allem auf der Jagd.

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