Vorsitzender des LBV: "Die Leute wollen mehr Naturschutz"

11.7.2019, 11:50 Uhr
Vorsitzender des LBV:

© Foto: Roland Huber

Rother Volkszeitung: Herr Schäffer, wie groß war die Umstellung für Sie, von England hierher zu kommen?

Norbert Schäffer: Darüber könnte man ein Buch schreiben. Es war eine gewaltige Umstellung. Wir haben 19 Jahre in England gelebt. Unsere zwei Töchter sind dort geboren und aufgewachsen. Wir waren wirklich integriert. Nach einiger Vorbereitung haben wir aber gesagt: "Okay, wir gehen zurück." Unsere Töchter waren damals 14 und 15 Jahre alt. Das war ein Schnitt, wie man ihn nur einmal im Leben erlebt.

Aber Sie fühlen sich jetzt in Hilpoltstein und Eysölden, wo sie wohnen, wohl?

Schäffer: Das klingt jetzt nach Klischee, aber es war selbst nach 19 Jahren ein Stück heimkommen. Das ist Heimat hier. Wir hatten nie Schwierigkeiten in England als Deutsche. Wir haben viele Freunde drüben. Das war alles wunderbar, aber: "It is where you do come from." Egal, wo man hingeht. Und das habe ich hier nicht mehr. Es ist klar, der stammt aus Bayern – wunderbar. Und das tut unglaublich gut. Weil man einfach automatisch dazu gehört. Wir haben auch in England dazu gehört, aber immer so ein bisschen mit einem Exotenstatus.

Der LBV gehört zum Trägerkreis des Volksbegehrens Artenvielfalt. Zählen Sie das auch zu einem Ihrer Erfolge?

Schäffer: Von mir persönlich – so weit würde ich nicht gehen. Es tut sich momentan sehr, sehr viel. Das habe nicht ich erreicht. Das haben viele, die im Naturschutz zusammengearbeitet haben, über viele Jahrzehnte erreicht. Unsere Umweltbildung trägt jetzt Früchte. Die Menschen wollen mehr Naturschutz. Als LBV-Vorsitzender habe ich natürlich die Verantwortung im Rahmen unserer Möglichkeiten, das Maximale herauszuholen.

Das ist schön für Bayern. Aber bringt es uns etwas, wenn sich diese Bewegung nur innerhalb eines Bundeslandes abspielt?

Schäffer: Das ist eine Frage, die man nicht einfach beantworten kann. Wir alle hören immer wieder von der Abholzung der Regenwälder. Wenn man begeisterter Naturschützer ist, dann müssten wir eigentlich da ansetzen. Weil es sich dort um größere Flächen handelt und es vor Ort um mehr Arten geht. Ich glaube aber, so einfach ist es nicht. Der Schutz hier ist auch wichtig, weil wir die Möglichkeit haben, zu zeigen, dass man gut leben und die Natur schützen kann. Da schaut die ganze Welt auf uns. Wenn wir das hinbekommen, dann können das andere auch. Aber wir müssen halt unsere Hausaufgaben machen.

Was heißt das?

Schäffer: Wenn wir zum Beispiel große Schutzgebiete an der Donau oder im Steigerwald ablehnen, wie können wir dann Schutzgebiete in Brasilien fordern? Das ist absurd. Wir müssen es vormachen. Auch wenn hier alles naturgemäß ein bisschen kleiner ist. Wir müssen es hier schaffen, dass die Menschen gut leben können, und dass man die biologische Vielfalt, die Natur erhält. Dann hat Bayern einen Einfluss, der weit über die Grenzen hinaus geht.

Was halten Sie dann von Fridays for Future?

Schäffer: Ich freue mich darüber. Vor allem weil es ja immer heißt, die Jugendlichen hätten an nichts mehr Interesse. Das war niemals unser Eindruck beim LBV. Ich kenne viele engagierte Jugendliche.

Die gab es also auch schon vor dieser Bewegung?

Schäffer: Ja. Etwas wie Fridays for Future oder das Volksbegehren kann man nicht inszenieren. Entweder ich habe die Bewegung und sie wird dann deutlich oder es gibt keine. Das Volksbegehren wäre vor zehn Jahren krachend gescheitert. Es ist jetzt sehr erfolgreich gewesen, weil der Zeitgeist da ist. Die Leute wollen mehr Natur- und Artenschutz. Fridays for Future und das Volksbegehren haben das Ganze an die Oberfläche gebracht. Über die einzelnen Forderungen kann man natürlich diskutieren. Aber dass die Diskussionen überhaupt stattfinden, ist das Wertvolle.

Sie haben selbst zwei Töchter in dem Alter, die demonstrieren könnten. Was wünschen Sie sich für deren Zukunft hinsichtlich unserer Umwelt?

Schäffer: Dass die Bewegung, die jetzt in Gang gekommen ist, tatsächlich Früchte trägt. Ich glaube, wir haben die Chance, dass sie tatsächlich zu Konsequenzen führt – und dass die Gesellschaft bereit ist, diese mitzutragen. Man wird nicht irgendwie regiert, sondern jeder hat die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. In 20 Jahren werde ich den LBV nicht mehr leiten, aber meine Töchter werden vielleicht in 20 bis 40 Jahren mal sagen: "2019, da hat sich was verändert." Das wünsche ich mir, dass diese Veränderung jetzt beginnt.

Vorsitzender des LBV:

© Foto: Nina Meier

Wohin reisen Sie eigentlich am liebsten?

Schäffer: Mein liebstes Schutzgebiet ist das Murnauer Moos. Das ist ein wunderschönes "Natura 2000"-Gebiet. Ich habe über die Vogelart Wachtelkönig meine Doktorarbeit geschrieben. Meine ersten Untersuchungen habe ich dort gemacht. Das ist so ein Sehnsuchtsort für mich. Nachts im Murnauer Moos draußen zu sein, wenn die Wachtelkönige rufen, das ist für mich ein Highlight in Bayern.

Was Reiseziele angeht, das verändert sich. Ich war beruflich sehr viel international unterwegs. Da gibt’s natürlich spannende Länder, aber jetzt bin ich sehr gerne in den Alpen.

Aus ökologischer Sicht ist es ja auch am besten, Urlaub vor der Haustür zu machen. Aber dafür muss ich dort attraktive Freizeitaktivitäten anbieten. Die Leute müssen zum Beispiel Kanu fahren dürfen.

Zunächst einmal müssen wir aufpassen, dass die Natur nicht auf eine Kulisse für Gaudi und Spektakel reduziert wird. Mein Lieblingsbeispiel ist der Naturpark Frankenwald. Im Höllental soll eine Hängebrücke gebaut werden, die über einen Kilometer lang ist. Warum? Das hat mit Natur nichts zu tun. Da oben wird niemand herumlaufen, um sich im Kronendach Waldlaubsänger oder andere Vögel anzuschauen.

Wie könnte man Freizeitaktivitäten dann mit der Natur in Einklang bringen?

Schäffer: Es steht außer Frage, dass wir den Menschen Zugang zur Natur geben wollen und müssen, um sie dafür zu begeistern. Wir müssen versuchen die Auswirkungen, die wir auf die Natur haben, zu minimieren. In den Klettergebieten in der Fränkischen Schweiz brüten Wanderfalke und Uhu. Wenn ich da einmal während der Brutzeit klettere, sind sie weg. Daher arbeiten wir mit den Kletterern zusammen. Wir legen zeitliche oder räumliche Einschränkungen fest.

Das müssen wir genauso an unseren Wildflüssen mit Kanufahren und so weiter machen. Der LBV ist nicht gegen Freizeitnutzung. Aber wir wollen bestimmte Regeln, sodass eine Koexistenz von Natur und Freizeitnutzung möglich ist. Wir wollen die Menschen nicht aussperren oder gängeln. Aber wir können auch nicht sagen: "Lieber Uhu, der Kletterer tut dir doch nichts. Reiß dich halt zusammen."

Sie arbeiten für den Naturschutz und mussten zumindest früher sehr viel reisen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Schäffer: Ich bin mir über meine CO2-Bilanz, vor allem über die berufliche damals, bewusst. Ich versuche, das nun zu minimieren. Ich fahre mit dem Zug nach Weißrussland, innerhalb Deutschlands fliege ich natürlich nicht. Aber in manche Länder muss man fliegen, nach Westafrika zum Beispiel. Es ist unbestritten, dass wir ohne die Präsenz vor Ort die Naturschutzerfolge nicht gehabt hätten. Man kann internationalen Naturschutz nicht am Telefon betreiben. Wir haben uns immer überlegt, ob unsere Umweltbelastung mit dem zusammenpasst, was wir erreichen wollen.

Ich muss Sie einfach fragen. Welcher ist Ihr Lieblingsvogel?

Schäffer: Das ist der Wachtelkönig, eine eher unbekannte Vogelart. Der war früher relativ häufig in Wiesen und ist jetzt so gut wie ausgestorben. Im Murnauer Moos gibt’s ihn noch. Da kann man ihn nachts noch hören. In einer klaren Nacht, wenn die Glühwürmchen fliegen, das ist traumhaft. Der Wachtelkönig ist zum einen von der Biologie her eine ganz spannende Vogelart, zum anderen hat er für mich persönlich auch viel Bedeutung. Ich habe durch ihn nicht nur meine Stelle bei RSPB in England bekommen und meine Doktorarbeit geschrieben, sondern auch meine Frau kennengelernt. Das war der entscheidende Vogel in meinem Leben.

 

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