Allersberger Autorin nahm sich sensiblen Themas an

Wagen der letzten Wünsche: Allersbergerin schreibt über das Sterben

12.4.2021, 18:43 Uhr
Michelle Schrenk aus Allersberg hat sich den Wünschewagen des ASB als Motiv für ihren neuen Roman ausgesucht.

© Michelle Schrenk, NN Michelle Schrenk aus Allersberg hat sich den Wünschewagen des ASB als Motiv für ihren neuen Roman ausgesucht.

Das nennt man Komfort: Dieser Wagen besitzt durchgängige Verglasungselemente für möglichst viel freie Sicht, es gibt leise Musik, gedimmtes Licht, einen kleinen Sternenhimmel und eine Mini-Bar im Inneren. Alles hier soll in ein „Rundumwohlgefühl“ münden. Doch in Anspruch nehmen, darf die Sonderausstattung nur ein ausgewählter Kreis. Es ist der Kreis derer, die am Ende ihres Weges angekommen sind.

„Wünschewagen“. So heißt ein ganz besonderer Krankentransporter des Arbeiter Samariter Bundes (ASB), der über Land tourt, um todkranken Menschen letzte Wünsche zu erfüllen. Auch für Franken gibt es einen. Und der rollt seit Kurzem sogar durch den jüngsten Roman der Allersberger Autorin Michelle Schrenk.

Leider ist es das Leben selbst, das oft die traurigsten Geschichten schreibt: zum Beispiel die vom kleinen Oskar. Ein inoperabler Hirntumor... viel Zeit auf dieser Welt blieb dem Jungen nicht. Oskars letzte Sehnsucht gehörte den Bergen, dort wollte er hin. Das „Wünschewagen“-Projekt der fränkischen ASB-Verbände konnte sein Verlangen stillen. Inklusive Trip auf dem Schneequad der Chiemgauer Bergwacht, einer Schlittenpartie mit seiner Mutter, Kaiserschmarrn auf der Hütt´n…

Wirklichkeit und Fiktion

Bisweilen denkt sie sich auch jemand aus, diese traurigen Geschichten über das Leben: etwa die von Anni, deren Suizidversuch einem anderen Menschen tragischerweise den Tod bringt. Annis Schuldgefühle sind so groß, dass sie nicht anders kann, als in einen medizinisch ausgerüsteten Kleintransporter zu steigen und fortan Sterbenden deren letzte Wünsche zu erfüllen...

Klingt bekannt? Beide Erzählstränge weisen Parallelen auf, in der Tat. Und nicht von ungefähr. Doch während die erste Story kein Happy End fand – Oskar starb im Sommer vergangenen Jahres – nimmt die zweite einen guten Verlauf. Denn das eine ist die Wirklichkeit, das andere Fiktion à la Michelle Schrenk.


ASB-Wünschewagen für Franken: Wunscherfüller auf Rädern


Wahr ist jedenfalls: An die 30 000 Tage beträgt die irdische Daseinsdauer eines Menschen im Durchschnitt. „Eigentlich nicht viel“, meint die Allersbergerin grüblerisch. Im Alltag der 38-Jährigen standen die Zeichen bis vor Kurzem auf Veränderung, private Schicksalschläge setzten ihr zu. Eben deshalb und auch angesichts der aktuellen Corona-Lage meint sie: „Man brütet da über so manchem... - auch über dem Sinn des Lebens.“

Schrenk ist eine, die sich ihre Anliegen von der Seele tippt. Mit Erfolg. Seit 2012 hat sie mehr als 20 Buchtitel verfasst. Im Eigenverlag sowie unter Vertrag. Ob es der „Zauber des Anfangs“ ist, das Dasein als Hausfrau und Mutter oder die letzten Dinge, denen man sich plötzlich gegenübersieht - in Michelle Schrenk „erzeugen solche Situationen Bilder“. Bilder, die sich schließlich zu einem Hergang formieren und dann in aller Regel zu einem Schmöker verdichten, „was Romantisches halt“. In jüngster Vergangenheit waren der romantischen Vielschreiberin „die negativen Themen aber näher als sonst.“

„Nur ein einziger Tag“

Ergebnis dieses Umstands: ihr druckfrischer Roman „Nur ein einziger Tag“, seit wenigen Wochen erhältlich. Es ist, wie gesagt, die Geschichte der lebensmüden Anni, ihrer tragischen Selbstmordunternehmung und der anschließenden „Wunschbus“-Aktion für Schwerstkranke, mittels der die junge Frau Läuterung sucht.

„Ich hatte den Plot ziemlich schnell im Kopf“, blickt Michelle Schrenk zurück. Doch um vor allem den Wagen, mit dem Protagonistin Anni unterwegs ist, möglichst wirklichkeitsgetreu darstellen zu können, begab sich Michelle Schrenk ins Internet, zwecks Recherche. Dort stieß sie zufällig auf den (realen) „Wünschewagen“ des ASB und Projektkoordinatorin Caterina Hertweck.

Schrenk suchte den Kontakt und Hertweck erzählte „in echt“ von schwerkranken Menschen, die noch einmal das Meer sehen, einen Konzertbesuch absolvieren oder zum Fußballtraining des Enkels möchten. Seit 2014 bringt der ASB-“Wünschewagen“ nach niederländischem Vorbild Bewegung in die Befriedigung solch finaler Bedürfnisse. Speziell auf fränkischem Terrain und in Teilen der angrenzenden Oberpfalz tut er´s seit 16. April 2019. Bis dato konnten hier 78 Wünsche erfüllt werden - für Fahrgäste von neun Monaten bis 100 Jahren.

„Ich fand das Konzept so berührend“, schildert Schrenk, „dass ich es anschauen wollte“. Gesagt, getan. Koordinatorin Caterina Hertweck war ihrerseits begeistert von der Idee, dass die „Wünschewagen“-Aktion nun auch Gegenstand eines literarischen Projekts würde: „Klasse! Ein Roman beschreibt das, was wir so machen...“

Etwas, wofür es sehr viel innere Stabilität braucht. Soviel scheint gewiss. Weil jeder Wunsch „anders bewegend“ daherkomme: „Man ist denen, um die´s geht, für kurze Zeit recht nahe. Das nimmt einen dann schon mit“, gesteht Caterina Hertweck. Doch allein der Gedanke daran, „die Leute aus ihrem Alltag des Sterbens rauszuholen und sie etwas Besonderes erleben zu lassen“ gebe Kraft.

Gute Stimmung

Kraft, wie sie aktuell etwa 150 Wunscherfüllerinnen und -erfüller beim ASB in Franken an den Tag legen. HelferInnen, die aus dem medizinischen Bereich kommen und ihr Knowhow im „Wünschewagen“ einbringen. Ehrenamtliche, die den Tod vorsätzlich ins Leben holen.

„Es ist schön, dass ein Buch die Aufmerksamkeit auf diese Dinge lenkt“, findet Caterina Hertweck. Denn wenn sie in all der Zeit etwas gelernt habe, dann das: Sobald jemand unmittelbar mit dem Sterben eines Mitmenschen konfrontiert würde, „nimmt sich der andere ein Herz und ganz viel Zeit.“


Der Tod kam zu früh: Die traurige Geschichte der Kohlmüller-Buben


Will heißen: „Wir erleben auf unseren Fahrten immer wieder, wie die Leute um uns rum alles möglich machen, was geht“, sagt Hertweck. Vielleicht sei das auch der Grund, weshalb die Stimmung auf den Touren „meistens richtig gut“ wäre - obschon der Ausgang der Geschichte ja stets feststünde...

Michelle Schrenk hat die Story von „Nur ein einziger Tag“ mit viel romantischer Liebe betupft - „natürlich“ - und sich daher einen anderen Schluss ausgedacht. Trotzdem stecke er immer wieder auffordernd zwischen den knapp 200 Seiten des Romans, dieser hinlänglich bekannte, „aber eigentlich so wichtige“ Impuls: „Man sollte sich echt bemühen, das Positive rauszuziehen. Aus jedem einzelnen Tag, den man hat...“

Der Roman „Nur ein einziger Tag“ ist erhältlich über www. michelleschrenk.de, bei der Allersberger Buchhandlung Ring und bei amazon.

Schwerstkranken Menschen in ihrer letzten Lebensphase einen besonderen Wunsch zu erfüllen – das ist die Aufgabe der ASB-Wünschewagen. Seit 2014 gibt es dieses ausschließlich aus Spenden finanzierte ASB-Projekt, das in Nordrheinwestfalen seinen Anfang nahm. Mittlerweile sind bundesweit 23 Wünschewagen unterwegs - drei in Bayern, einer davon in Franken. Das Konzept setzt da an, wo Angehörige überfordert sind, weil ein Fahrgast nur liegend transportiert werden kann, medizinische Rundum-Betreuung braucht oder die Familie sich den Ausflug alleine nicht zutraut. Mitfahren darf jede/r, der/die noch transportfähig ist, heißt´s. Auch während der Corona-Krise, zumal die Fahrten unter strengen hygienischen Standards stattfänden. Mehr Informationen gibt es unter www.wuenschewagen.de, Spenden an den ASB Deutschland, Kennwort: Wünschewagen Franken, IBAN: DE07 5139 0000 0060 8253 51

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