Wenn Gitarrenblues zur Familiensache wird

1.4.2019, 05:50 Uhr
Wenn Gitarrenblues zur Familiensache wird

© Foto: Hans von Draminski

"Du bist einer von 750", meint Roths Bürgermeister Ralph Edelhäußer bei der Begrüßung zum Auftakt der 28. Rother Bluestage, an den Berichterstatter gewandt. Darauf hätte der auch selber kommen können, denn so eng ging es beim Festival, zumal am Eröffnungsabend, nur selten zu. Walter Trout ist ein Magnet, eine Blues-Ikone, die man in Roth von vergangenen Auftritten her zu schätzen gelernt hat.

Dass er nach seiner Lebertransplantation Hirnschäden hatte und das Gitarrenspiel neu erlernen musste, erzählt der 68-Jährige ganz unprätentiös und lapidar. Analysiert man die Technik auf der E-Gitarre, ist der Walter Trout des Jahres 2019 im Vergleich zu dem vor der Operation 2014 in seinen Soli eher noch ein wenig präziser, ein wenig entschiedener, ein wenig geradliniger geworden.

Hier gibt es keinen Leerlauf, keine Füller, kein vordergründiges Virtuosen-Muskelspiel. Statt dessen präsentiert Trout Blues-Stücke, die zum Teil 70 oder 80 Jahre alt sind, in zeitgemäßer Form – aber dennoch so schlicht, wie sie von ihren Schöpfern einst gedacht waren. Basser Johnny Griparic, Schlagzeuger Michael Leasure und vor allem Hammond-Organist Teddy "Zig Zag" Andreadis gehen diesen Ansatz mit und rollen ihrem Bandboss einen nicht zu flauschigen Soundteppich aus. Als willkommener Joker erweist sich Spezialgast Jon Trout: Nachdem Walter Trouts "Padavan" und Sohn seine Verstärkerprobleme in den Griff bekommen hat, duelliert er sich auf Augenhöhe mit seinem Vater, lässt die Finger über die Saiten fliegen und wirkt dabei genauso überzeugend und zwingend wie als Sänger. Jon ist freilich kein Raubein, sondern eher ein sorgsamer Feinschmied des Blues, der die Geschichtenerzähler-Tradition der Vorgänger-Generationen aufnimmt und fortspinnt.

Was sich hier nach Musikgeschichte und ganz viel Theorie anhört, ist auf der Bühne Partyfeeling pur, Familie Trout lässt es krachen als gebe es kein Morgen. Überlebende sind oftmals härter, durchsetzungsfähiger, aber auch zäher und einfallsreicher als ihre Umgebung. Walter Trout hat kämpfen müssen, um wieder da hin zu kommen, wo er schon einmal war. Und das macht seine Musik tiefgründiger und zugleich unmittelbarer als je zuvor.

 

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