Wetterdaten vom Fliegerhorst liefern Kurven mit Impuls-Charakter

16.2.2020, 06:03 Uhr
Helmut Neuweg hat Wetterdaten vor Ort ausgewertet und darin Indizien für den Klimawandel entdeckt.

© Giurdanella Helmut Neuweg hat Wetterdaten vor Ort ausgewertet und darin Indizien für den Klimawandel entdeckt.

Am Fliegerhorst in Roth werden seit vielen Jahrzehnten Wetterdaten gesammelt, zuletzt vom Deutschen Wetterdienst (DWD): Temperatur, Niederschlagsmenge, Windstärke und so weiter – "dort oben stehen sehr genaue Messinstrumente".

Neuweg weiß bestens darüber Bescheid, schließlich war er vor seiner Amtszeit als Hilpoltsteiner CSU-Bürgermeister (1998 bis 2008) nicht nur Major beim Kampfhubschrauberregiment in der Rother Otto-Lilienthal-Kaserne, sondern auch "einer der ersten technischen Umweltoffiziere bei der Bundeswehr überhaupt". Damals, Ende der 80er Jahre.

"Mich haben Lösungen interessiert"

Es war die Phase, als sich Umweltbewusstsein allmählich zu einer politischen Konstante entwickelte: Bereits 1972 hatte der "Club of Rome" die "Grenzen des Wachstums" angemahnt und damit ein Plädoyer für Nachhaltigkeit rund um den Globus geschickt; der ehemalige CDU-Abgeordnete Herbert Gruhl gründete sechs Jahre danach die Partei "Grüne Aktion Zukunft" (GAZ) in Deutschland, die sich später als Vorläufer der Grünen beziehungsweise der ÖDP entpuppen sollte; und saurer Regen sowie Waldsterben sensibilisierten die Bevölkerung derweil "open air" für das Thema "Luftreinhaltung".

Unterm Eindruck all dessen entschied sich Helmut Neuweg, der 1975 der Bundeswehr beitrat, im Zuge eines Bauingenieur-Studiums an der Münchener Bundeswehr-Hochschule für den Schwerpunkt Umwelttechnik: "Mich haben Lösungen interessiert, wie man die Probleme bewältigen kann."

In den Vorlesungen seines Professors Wilhelm Bechteler sei ihm schließlich zum ersten Mal der Begriff "Klimawandel" begegnet. Davon ausgehend, erinnert sich Neuweg, sollten die Studierenden eine zentrale Fragestellung bearbeiten: "Wie verändert sich die Welt, wenn der CO2-Ausstoß ab dem Jahr 1980 auf Null gefahren würde?" Zu diesem Zweck habe er die riesigen Hochschulrechner mit Unmengen von Daten gefüttert: "Ich bin da mit Koffern voller Lochkarten reinmarschiert."

"Mehr als ernüchternd"

Das Ergebnis? Schon seinerzeit "mehr als ernüchternd" – zumal sich die Erde den Berechnungen zufolge, bis ins Jahr 2100 trotzdem um vier Grad erwärmt haben werde, fanden Neuweg und seine Kommilitonen heraus. Inzwischen weiß man: Es könnte schlimmer kommen, die Folgen sind geläufig: das Schmelzen der Permafrostböden und somit die Freisetzung von noch mehr Treibhausgasen, steigende Meeresspiegel, Wetterextreme, die Ausbreitung von Parasiten und Krankheiten, Umweltflüchtlinge ...

Alles nur "Klimahysterie"!? Helmut Neuweg winkt ab. Freilich, dass derlei Aussichten mit dem "Unwort des Jahres 2019" gekontert werden, musste er, der inzwischen ein Ingenieurbüro für Klimaschutz-Consulting betreibt, mehr als einmal erleben. Doch Neuweg kontert seinerseits – "mit Tatsachen", die er quasi vor der Haustür sammelt.

Denn auch als Kommandeur der Reserve hat der ehemalige Burgstadt-Bürgermeister nicht damit aufgehört, die Wetterstation am Rother Fliegerhorst zu betreuen und sich somit "zwölf Jahre lang Statistiken reingezogen, wie sich das Klima im Landkreis Roth verändert". Anhand vor Ort gemessener, offizieller Wetterdaten. "Ich wollte wissen, ob das seine Richtigkeit hat, was wir damals im Studium ausgerechnet haben."

Helmut Neuwegs lokale Antwort darauf: eine grafische Kurve, die langsam, aber kontinuierlich ansteigt. Jeder einzelne Punkt auf der Grafik drücke den "30-jährigen Klimawert Temperatur" aus. Das sei der im jeweiligen Jahr berechnete Temperaturmittelwert der vergangenen 30 Jahre, erläutert Neuweg. Fazit: "Dieser Wert ist in den letzten drei Jahrzehnten von unter acht Grad auf über neun Grad gestiegen."

"Bei sich selber anfangen"

Ein Umstand, der Helmut Neuweg Sorgenfalten auf die Stirn zeichnet. Umso mehr, als das Pariser Übereinkommen, in dem sich vor fünf Jahren 195 Länder eine unbedingte Emissionsminderung und damit die Abschwächung des Klimawandels auf die Fahnen geschrieben hatten, "leider Makulatur ist", weil: Den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen – "diesem Ziel stehen eindeutig die Wirtschaftsinteressen der Großmächte im Weg".

Was also tun? Neuwegs Lösung: "Bei sich selber anfangen" mit einem möglichst kohlenstoffdioxidarmen Leben. So sei der Privatmann Helmut Neuweg längst auf Ökostrom umgestiegen und strebt den Komplettverzicht auf Energie aus fossilen Quellen an. Mithin rät er: "Jeder sollte prüfen, ob auch für ihn das Förderprogramm zur Heizungsumstellung auf CO2-frei in den nächsten Jahren machbar ist."

Der öffentlichen Hand legt er ebenfalls eine "schnelle Umstellung auf CO2-frei in allen Bereichen" nahe. Ferner hält er "das Auflegen von klimafreundlichen Bebauungsplänen" für unumgänglich. Und: "Es sollten überhaupt mehr Anreize zum Klimaschutz geschaffen werden." Dass das für ihn nicht bloß Worthülsen seien, brächte er auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck – etwa durch sein kommunalpolitisches Engagement seit 1994, das ihn 1998 ins Rathaus katapultierte, wo er zumindest versucht habe, "die Stadt Hilpoltstein energetisch für die Zukunft zu rüsten".

Helmut Neuweg tourte aber auch schon als Referent und Multiplikator für die Energieagentur des Landkreises (ENA) durch hiesige Schulen. Als Kreisrat und Fahrradwegekoordinator will er jetzt gerade den Tritt in die Pedale forcieren, denn: "Wenn es gelingt, 25 Prozent aller Verkehrskilometer aufs Rad zu verlegen, können wir erheblich CO2 einsparen."

Leider sei "das Begreifen der Dringlichkeit" derartiger Maßnahmen "noch nicht genügend ausgeprägt", bedauert Neuweg, weshalb Stadt- sowie Kreisräte "unbedingt in Sachen Klimawandel ausgebildet werden sollten". Bis dahin bleibe ihm nur diese eine Empfehlung: "Nachdenken!"

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