Ein Jahr später als geplant

Wohnen und Leben: Das wird aus dem Rother Leoni-Areal

8.7.2021, 10:27 Uhr
Direkt neben dem Rother Schloss, wo jetzt noch die Leoni produziert, soll bald ein neues Wohn-, Arbeits- und Lebeviertel entstehen. Ein Jahr später als geplant, aber die Stadt hat schon mal Ideen gesammelt.  

© Bauamt Stadt Roth, NN Direkt neben dem Rother Schloss, wo jetzt noch die Leoni produziert, soll bald ein neues Wohn-, Arbeits- und Lebeviertel entstehen. Ein Jahr später als geplant, aber die Stadt hat schon mal Ideen gesammelt.  

Die schlechte Nachricht zuerst: Es dauert länger als geplant mit dem kompletten Umzug von Leoni in das Industriegebiet am Rother Stadtrand. Deshalb wirds auch später, bis das freiwerdende Gelände in der Innenstadt freigeräumt, von Altlasten befreit, wieder bebaut und zu einem neuen Quartier gemacht werden kann. Die gute Nachricht: Die Ideen für das neue Quartier werden schon auf den Weg gebracht – und sie hören sich vielversprechend an. Fixiert werden sollen sie mit einem städtebaulichen Wettbewerb.

Erst das letzte Quartalsgespräch mit dem Bordnetz- und Kabelhersteller Leoni hat die Planung durcheinandergebracht: Im Jahr 2017 hatte die Stadt das Innenstadt-Gelände neben Kulturfabrik und gegenüber von Schloss Ratibor von der Firma gekauft, eigentlich sollte es bis Ende 2022 geräumt sein. Jetzt ist man schlauer bei der Stadt – und muss bis Ende 2023 warten.

Viele Aufträge

Das seit einigen Jahren schlingernde Unternehmen habe im Moment so viele Aufträge, dass man auch die Produktionsstätte in der Innenstadt noch benötige, sagt der Stadtbaumeister Wolfgang Baier auf Anfrage. In den Stadtplanungsausschuss hat er diese für Leoni gute, aber für die Stadt nicht so erfreuliche Nachricht mitgebracht. Doch auch die „good news“, dass die Stadt mit ihrer Planung gute Vorarbeit geleistet hat.

Mit Rücksicht auf die fällige Altlastensanierung, den dringend notwendigen Hochwasserschutz und eine komplett neue Infrastruktur für das Quartier geht der Stadtbaumeister jetzt davon aus, dass im Jahr 2026 die neue Bebauung starten könnte. „Die Verschiebung nach hinten“ ist allerdings, so setzt Bürgermeister Ralph Edelhäußer dazu, „durchaus wahrscheinlich“.

Wie dem auch sei, für das neue Stadtviertel gibt es schon Ideen. Ein Ingenieurbüro aus Neusäß bei Augsburg hat für das etwa sieben Hektar große Noch-Fabrik-Gelände, umschlossen von Rednitz und Mühlkanal, ein fast 50-seitiges Exposé als „Ideenwerkstatt“ geliefert. Darin ist von „Rother Neuland“ die Rede: ein innovatives Wohngebiet mit familiengerechten Wohnungen und schönem Umfeld soll entwickelt werden. Licht, Luft und Sonne, Sicherheit und Gemeinschaft sind die Grundbedürfnisse, an denen man sich orientiere.


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Außerdem soll der Stadtteil zukunftsfähig und innovativ, nachhaltig und mobil sein, ressourcenschonend, mit kurzen Wegen. Dabei kein gestalterischer Gegenpol zur Altstadt (mit derzeit üblichen Rechteck-Kasten-Bauten), sondern ein wachsendes, lebendiges Ganzes.

Den Ideenwerkstatt-Machern schwebt für die etwa vier Hektar Nettobaufläche, also Wohnraum für etwa 400 bis 500 Menschen, eine Mischung aus Wohnen und Flächen für Gewerbe, Gemeinbedarf, Freizeit und Kultur vor. Im Erdgeschoss Gewerbe, oben Wohnen („vertikale Nutzungsteilung“), außerdem Nahversorgung mit Friseur, Arzt, Apotheke. Dazu der Lebensmittel- oder Quartierladen und Gastronomie: Café, Biergarten, Dachterrassenlokal.

Kultur und Vereinsangebote

Dort oder auch in Gemeinschaftsräumen und Werkstätten könnte es kulturelle oder Vereinsangebote geben. Eine Kita soll geplant werden, schlagen die Ingenieure vor, das Verknüpfen von Wohnen und Gewerbe soll ermöglicht werden. „Enkeltauglich“ nennen sie die Vision für das Viertel mit wiederverwendbaren Materialien aus der Region, es soll generationenübergreifende Konzepte geben, besondere Wohnformen für jeden Bedarf, viele geförderte Wohnungen (der Stadtbaumeister spricht von 25 bis 30 Prozent). Energiestandard soll das KfW-55-Haus sein. PV-Anlagen, Dach- und Fassadenbegrünung werden gern gesehen. „Die Energie, die im Viertel verbraucht wird, soll zu 75 bis 80 Prozent aus dem Viertel kommen“, gibt Wolfgang Baier als Zielmarke aus.

Möglichst viel Grünflächen sollten für alle Generationen da sein, von Quartiersplätzen und Quartierspark ist die Rede. Ein Bürgerpark an der Rednitz, eine Grünachse und ein Stadtstrand am Mühlbach? Diese Ideen sind haben die Planer aus Neusäß schon mal zu Papier gebracht. Außerdem soll eine „Querbelüftung“ dafür sorgen, dass zwischen Wohngebiet und Landschaft genügend Luftaustausch herrscht.

Außen wird das Gelände natürlich für Autos erschlossen, und zentrale Quartiergaragen seien vorgesehen. Aber innen soll „Modal Split“ gelten: möglichst emissionsfreie, geteilte oder öffentliche Verkehrsträger: „Jeder Mensch soll die Transportmöglichkeit wählen können, die gerade zu seinem Weg passt.“ Die Nähe zur Innenstadt und zum Bahnhof mache es möglich, dass man zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem ÖPNV unterwegs sein könne.

Im Stadtplanungsausschuss werden die Vorschläge freudig begrüßt. Sowohl Richard Radle (Die Grünen) als auch Sonja Möller (Freie Wähler) bedanken sich ausdrücklich für gute Ideen und umfassende Vorarbeit. Einzig Jochen Gürtler (CSU) will angesichts des geplanten Quartiersplatzes „keinen zweiten Marktplatz entstehen lassen“. Das aber, beruhigt Wolfgang Baier, muss nicht befürchtet werden. Neues Stadtviertel mit Treffpunkt – ja. Aber Konkurrenz zum Marktplatz – nein.

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