Frauenpower am Rothsee

Zwei Schwestern wuppen ein fränkisches Dorf

10.7.2021, 12:45 Uhr
Auch Reifenwechsel ist für die Schwestern kein Problem: Barbara Schülke (links) und Katharina Winkler haben laut eigener Aussage noch nie den „Mädchen-Faktor“ bemüht und vielleicht deshalb zwei klassische Männerdomänen in Heuberg erobert.  

© Tobias Tschapka, NN Auch Reifenwechsel ist für die Schwestern kein Problem: Barbara Schülke (links) und Katharina Winkler haben laut eigener Aussage noch nie den „Mädchen-Faktor“ bemüht und vielleicht deshalb zwei klassische Männerdomänen in Heuberg erobert.  

„Mit den Wimpern klimpern und dann einen Mann um Hilfe bitten?!“ So wtwas würde Barbara Schülke und Katharina Winkler „im Traum nicht einfallen“. Die Schwestern sind sich einig: Reifen wechseln und ihre Frau stehen – das gehört für die beiden „zum normalen Leben dazu“. Ein bisschen aus der Reihe tanzt das Duo aber trotzdem. Zumindest, wenn man´s mal so sieht: 51 Prozent der deutschen Bevölkerung sind weiblich. Und dennoch dominieren Männer in Führungsämtern. Demgegenüber demonstrieren die Geschwister aus Heuberg gerade, wie die Frauenquote funktioniert: Katharina Winkler führt als Kommandantin die Feuerwehr im Hilpoltsteiner Ortsteil an und Barbara Schülke wurde dort am Dienstag zur Ortssprecherin gewählt. Da passt ein Pläuschchen über die Geschlechterfrage perfekt. Auch wenn das Credo der Winkler-Sisters lautet: Selbst ist der Mensch – ob Frau oder Mann. Und: Der Papa war´s!

Kleine Quizrunde zum Einstieg: Schätzen Sie mal – seit wann dürfen Frauen ein eigenes Bankkonto führen?

Katharina Winkler: Seit Mitte der 70-er-Jahre vielleicht?

Barbara Schülke: Keine Ahnung, aber früher wäre schon wünschenswert - so nach dem Zweiten Weltkrieg...?

Die Antwort lautet: 1958. Und seit wann darf frau auch ohne Einwilligung des Ehemanns arbeiten gehen, was glauben Sie?

Schülke: Wahrscheinlich um einen ähnlichen Zeitpunkt rum, oder?

Winkler: Vermutlich.

Mit 1977 lägen Sie richtig!

Schülke: Das ist traurig. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.


Expertin: Darum haben es Frauen als Führungskräfte schwerer


Neulich ist im Bundestag ja wieder über die Frauenquote debattiert worden: Ein erweitertes Gesetz soll nun dafür sorgen, dass mehr Frauen in den Chefsesseln großer Unternehmen Platz nehmen. Wie beurteilen Sie das: Ist Gleichberechtigung in letzter Konsequenz nur mit Gesetzen zu machen?

Schülke: Die Antwort könnte jetzt unpopulär sein, aber sie ist zumindest ehrlich: Ich arbeite beim Staat, da kriegt jede und jeder das gleiche Gehalt. Drum hab´ ich das Thema wahrscheinlich gar nicht so auf dem Schirm.

Winkler: Mir geht’s bei der Bahn ja ähnlich wie dir. Aber du musst zugeben, dass wir zwei das Ganze von einer ziemlich komfortablen Position aus beurteilen. Manche Frauen können nicht Vollzeit arbeiten, obwohl sie gern möchten – und ein Führungsposten mit 20 Stunden pro Woche ist schwer zu machen...

Schülke: Ja, schon. Mich ärgert´s bloß immer, wenn Leute sich über irgendwas aufregen – vor allem in den sozialen Netzwerken - und ansonsten null Engagement an den Tag legen.

"Auf die weibliche Jugend gesetzt"

Apropos Engagement. Was hat Sie, Frau Winkler, denn dazu bewogen, Feuerwehrkommandantin zu werden?

Winkler: Nix Bestimmtes. Ich bin da so reingerutscht: 2000 fand ein Feuerwehrfest statt, bei dem ich eine der Festdamen sein durfte und irgendwie hat sich´s so entwickelt, dass diese Festdamen als erste Frauen der FF Heuberg beigetreten sind. Danach hat man immer mehr auf die weibliche Jugend gesetzt.

Schülke: Das ging eigentlich schon Ende der 1990-er los: Da waren Ministrantinnen und Feuerwehrfrauen im Kommen. Die Buben haben nicht mehr so gezogen, also rückten die Mädels nach.

Aber hin zur Feuerwehrkommandantin - wovon es im Landkreis gerade mal zwei gibt - ist ´s schon noch ein Schritt...

Winkler: Ach Gott, bevor´s halt überhaupt niemand macht...

Es war also eine Frage des sozialen Gewissens, die Sie den Posten 2019 übernehmen ließ?

Winkler: Könnte man sagen, doch.

Und Sie, Frau Schülke? Warum tragen Sie neuerdings Verantwortung als Ortssprecherin?

Schülke: Liegt wohl ein bisschen in der Familie, dass wir gern am Geschehen dran sind. Auch unser Vater Johann Winkler war in den 1990-ern schon mal Ortssprecher hier. Ich selber hatte mich ja bei der vergangenen Kommunalwahl als parteilose Kandidatin auf die Stadtratsliste der Hilpoltsteiner CSU setzen lassen. Warum ich das gemacht habe, hat übrigens den gleichen Grund, aus dem ich jetzt Ortssprecherin geworden bin: Es kann doch nicht angehen, dass sich in den städtischen Gremien niemand für Heuberg einsetzt!

Gendern oder Reifen wechseln?

Was haben Sie sich denn für die Zukunft des Ortes so vorgenommen?

Schülke: Ich will in erster Linie erreichen, dass die Leute, die hier wohnen, besser informiert sind über das, was die Stadt in und rund um Heuberg plant. Dazu möchte ich Vermittler und Ansprechpartner sein. Aber jetzt muss ich erstmal meine Zuständigkeiten checken.

„Vermittler“ sagen Sie. Und „Ansprechpartner“. Wir schreiben heute aber viel von Kommandant*innen, OrtssprecherInnen oder Chef_innen. Kann gendergerechte Sprache dazu beitragen, dass mehr Frauen in solche Funktionen aufrücken?

Schülke: Ob das wirklich hilft?! Vielleicht ist es doch eher eine Erziehungssache. Meine zwei Schwestern und ich – wir konnten zum Beispiel schon immer Reifen wechseln. Unser Vater hat uns das gezeigt. Wir sind also kein einziges Mal in die Verlegenheit gekommen, am Straßenrand auf den „barmherzigen Samariter“ warten zu müssen. Und der Papa hat auch nie zu uns gesagt: „Das kannst du nicht, weil du ein Mädchen bist...".

Führen Frauen anders?

Winkler: Das hängt doch ganz individuell vom jeweiligen Typ ab.

Schülke: Ich meine auch, dass das mit der Persönlichkeit zu tun hat. Ich bin beispielsweise jemand, der nicht gern bittelt und bettelt. Aber von mir kann man klare Ansagen erwarten.

Mehr Interesse wäre schön

Gibt´s denn schon Projekte für die sich die Feuerwehrkommandantin und die Ortssprecherin künftig gemeinsam einsetzen werden?

Winkler: Ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, sind die Neubaugebiete um uns herum. Die müssen wir mehr ins Geschehen einbeziehen – gerade im Sinne der Nachwuchsförderung bei der Feuerwehr.

Schülke: Es geht ja auch darum: Wenn ich in ein Dorf ziehe, sollte ich mich mit Land und Leuten identifizieren wollen – indem ich vielleicht einem Verein beitrete oder mich zumindest bei Veranstaltungen blicken lasse. Dazu nur so viel: Bei der Bürgerversammlung mit Ortssprecherwahl vergangenen Dienstag waren an die 300 Wahlberechtigte eingeladen – 50 sind gekommen...


VITAE

Katharina Winkler (33) ist IT-Referentin bei der Deutschen Bahn, ledig, und in ihrem Wohnort Heuberg seit 2019 Kommandantin der Freiwilligen Feuerwehr. Letzteres hat Seltenheitswert. Denn weibliche FF-Kommandanturen gibt es gerade zweimal im Landkreis Roth – die andere findet sich in Sperberslohe.

Barbara Schülke (40), geborene Winkler, ist studierte Diplombetriebswirtin (FH) und tätig als Regierungsamtsrätin beim Bayerischen Landesamt für Steuern. Sie ist verheiratet, hat zwei Töchter und fungiert seit Dienstag als Heubergs Ortssprecherin – ein Amt, das in der Mehrzahl von Männern bekleidet wird.

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