Schnelltest-App: "Datenschutz steht nicht absolut über allen Grundrechten"

23.2.2021, 18:26 Uhr
Wie weit darf man in der Corona-Pandemie den Datenschutz aufweichen? Ein heikles Thema, wenn es um neue Apps geht, die Testergebnisse und Impfstatus aufzeigen sollen.

© Eibner-Pressefoto/Thomas Dinges via www.imago-images.de, imago images/Eibner Wie weit darf man in der Corona-Pandemie den Datenschutz aufweichen? Ein heikles Thema, wenn es um neue Apps geht, die Testergebnisse und Impfstatus aufzeigen sollen.

Nürnberger Zeitung: Herr Professor Bausback, die Diskussion über Vorteile nicht nur für Geimpfte, sondern auch für negativ Getestete nimmt Fahrt auf. Wäre es aus Ihrer Sicht rechtlich zu beanstanden, wenn schon jetzt Restaurant-, Fitnessstudio- oder Theaterbesuche mit Bestätigung von Negativ-Test anbieten würden? Fluggesellschaften machen das ja schon lange zur Voraussetzung.

Winfried Bausback ist ehemaliger bayerischer Justizminister und Verfassungsrechtler.

Winfried Bausback ist ehemaliger bayerischer Justizminister und Verfassungsrechtler. © CSU-Fraktion im Bayerischen Land, obs

Winfried Bausback: Aus meiner Sicht kann und muss der Gesetzgeber in diese Richtung gehen, sobald die Tests eine entsprechende Sicherheit haben und in genügender Zahl zur Verfügung stehen. Tests sind allerdings immer nur Momentaufnahmen, müssten also entsprechend oft und nahe an der jeweiligen Aktivität erfolgen. Sollte sich bestätigen, dass Impfungen die Weitergabe der Infektion verhindern, ist das anders. Deren Wirkung ist langfristig.

NZ: Sie sind also für Privilegien nicht nur für nachweisbar Geimpfte, sondern auch für nachweislich negativ Getestete?

Bausback: Wenn ein Test für eine bestimmte Zeit den Nachweis liefert, dass ein Ansteckungsrisiko nicht oder kaum besteht und ein entsprechendes Nachweissystem entwickelt ist, dann muss der Gesetzes- und Verordnungsgeber diesen Weg gehen. Nicht Lockerungen sind zu begründen, sondern Freiheitsbeschränkungen. Wenn es einen milderen weniger einschränkenden Weg gibt, die Gefährdung anderer Menschen und die Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden, dann ist dieser zu beschreiten.

NZ: Wäre eine digitale App, die Auskunft über Impfung und auch Negativ-Testung einer Person Auskunft gibt - wie in Israel - bei uns rechtlich möglich oder sehen Sie Probleme etwa mit dem Datenschutz?

Bausback: Das Datenschutzgrundrecht steht nicht absolut über allen anderen Grundrechten. Es ist gerade im Zeitalter der Digitalisierung ein wichtiges Grundrecht, aber es gilt nicht schrankenlos. Wenn die Ausübung anderer Freiheiten von der Frage abhängt, ob ein digitales freiwilliges Nachweissystem für durchgeführte Tests und Impfungen eingeführt wird, ist auch hier eine Abwägung und ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Grundrechtspositionen notwendig. Im Ergebnis muss ein digitaler Impf- und Testnachweis möglich sein, wenn so viele andere Freiheiten davon abhängen.


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NZ: Der Vorteil einer solchen App bestünde gerade darin, dass sie noch vor Erreichen der so genannten Herdenimmunität die Möglichkeit zu Öffnungen für negativ Geimpfte und negativ Getestete eröffnen könnte. Wäre dadurch der Gleichheitssatz gefährdet?

Bausback: Der Gleichheitssatz lässt Ungleichbehandlungen aus gewichtigen Gründen ja gerade zu. Wenn keine Ansteckungsgefahr zu befürchten ist, weil eine Impfung oder ein zeitnaher Test vorliegt, dann werden weder Dritte gefährdet, noch wird zur Überlastung des Gesundheitssystems beigetragen.

NZ: Die meisten Bürger haben Smartphone, aber längst nicht alle. Insbesondere Ältere und Hochbetagte besitzen oft kein internetfähiges Handy. Wären Privilegien gekoppelt an den Besitz eines Smartphones mit entsprechendem Datenübertragungs-Vertrag mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar?

Bausback: Die Frage stellt sich aus meiner Sicht so nicht. Ein digitaler Impf- und Testnachweis läßt sich auch beispielsweise über ein individualisiertes Chipkartensystem leisten. Ein digitaler Impfausweis wäre übrigens ohnehin sinnvoll.

NZ: Könnte es sein, dass eine Durchimpfung mit dem Erreichen von Herdenimmunität schneller erreicht wird als eine solche App entwickelt werden könnte? Oder kann man das israelische Modell einfach übernehmen?

Bausback: Das israelische Modell - Freiheiten durch nachgewiesene Impfungen oder Testungen - sollten wir im Interesse unserer Freiheit übernehmen. Ob die dort entwickelte und verwendete Software und App für unsere deutschen und europäischen Maßstäbe tauglich ist, müsste geprüft werden. Israel als Staat, der in beständiger Bedrohung lebt, hat ein gänzlich anderes Datenschutzverständnis. Ich gehe aber stark davon aus, dass angesichts der Spitzenleistungen Deutschlands und Europas im Bereich Industrieinformatik eine entsprechende Software entweder bereits zur Verfügung steht oder in kurzer Zeit angepasst werden kann.

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