Schüler fahren wieder Bahn: Abstandsgebot wird nicht überall eingehalten

14.5.2020, 17:49 Uhr
Als die ersten Schüler nach den wochenlangen Schulschließungen wieder mit der Gräfenbergbahn zum Unterricht fahren wollten, war der Fahrplan noch ausgedünnt - zum Ärger der betroffenen Schüler und ihrer Eltern. 

© Alisa Müller Als die ersten Schüler nach den wochenlangen Schulschließungen wieder mit der Gräfenbergbahn zum Unterricht fahren wollten, war der Fahrplan noch ausgedünnt - zum Ärger der betroffenen Schüler und ihrer Eltern. 

"Es hätte mich nach 13 Jahren Gräfenbergbahn-Erfahrung echt gewundert, wenn es dieses Mal mit der Bahn geklappt hätte", sagt Birgit Minor und klingt ziemlich frustriert. Die Heroldsbergerin ist Mutter von vier Kindern, die als Schüler auf die Gräfenbergbahn angewiesen sind. Auf deren Strecken kam es in der Vergangenheit – oft aus technischen Gründen – immer wieder zu Verspätungen und Ausfällen.

Dieses Mal hat es Birgit Minors Zwillinge getroffen, die als Abschlussschüler mit als erste wieder Präsenzunterricht haben durften. Doch die Gräfenbergbahn, die am ersten Schultag planmäßig um 6.55 Uhr und um 7.30 Uhr kommen sollte, um die Jugendlichen von Heroldsberg nach Nürnberg zu bringen, fuhr nicht. Nicht am ersten Schultag, nicht am zweiten Schultag. Erst um kurz nach 8 Uhr hielt jeweils ein Zug, berichtet Birgit Minor.

Die zuständige Deutsche Bahn bestreitet das nicht, verweist aber darauf, dass bis 10. Mai in Abstimmung mit dem Besteller, der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, bayernweit nur ein Grundfahrplan im Regionalverkehr angeboten wurde. Das heißt: Zu normalen Zeiten übliche Züge fuhren vorübergehend während der Coronakrise nicht. "Dies betraf auch die Gräfenbergbahn", bestätigt ein Bahn-Sprecher.

Zubringer-Dienst verweigert?

Die Schülerbeförderung ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen, also der Städte und Landkreise, die hierfür in erster Linie öffentliche Verkehrsmittel einsetzen. Rund 80 Prozent der Schüler werden laut Kultusministerium mit dem ÖPNV befördert, die anderen mit Schulbussen im freigestellten Schülerverkehr. "Wie kann es sein, dass die Schule für ihre Abschlussklassen öffnet und die Bahn ihren Zubringer-Dienst verweigert?", fragt sich nicht nur Birgit Minor aus Heroldsberg.

Sie findet es unverschämt, wie sie im Gespräch mit unserer Redaktion sagt, dass den Eltern in dieser Situation, nach den wochenlangen Schulschließungen und ihren Auswirkungen, auch noch zusätzliche Fahrdienste aufgebürdet werden. Irgendwie mussten ihre Zwillinge schließlich pünktlich in die Schule kommen, um ihre Abschlussprüfungen schreiben zu können.

Inzwischen, seit 11. Mai, verkehren die Regionalzüge der DB Regio Bayern im Großraum Nürnberg wieder nach vollständigem Fahrplan und ohne Einschränkungen, also auch die Gräfenbergbahn.

Auslastung deutlich niedriger

"Die Schülerbeförderung klappt durchwegs reibungslos", berichtet Manfred Rupp, Sprecher der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg GmbH (VGN), nach einem Rundruf bei mehreren Landkreisen. Schließlich werde mittlerweile wieder der Normalfahrplan für die Schultage gefahren. "Betrieblich gibt es dabei keine Probleme."

Bayernweit durften etwa 220.000 Schüler ab Ende April zur Vorbereitung ihrer Abschlussprüfungen wieder die Bildungseinrichtungen besuchen. Wie viele genau Bahn, Bus oder andere Fahrzeuge für den Schulweg nutzen, kann Daniel Otto, Sprecher im Kultusministerium, nicht sagen. Er versichert aber, dass die beteiligten Ministerien unter Federführung des Verkehrsministeriums an einem Konzept arbeiten. Dessen Ziel: Die stufenweise Steigerung der Verkehrskapazitäten einschließlich erforderlicher Schutz- und Hygieneregeln im Öffentlichen Nahverkehr.

Diese einzuhalten, die Maskenpflicht und das Abstandhalten, fiel Birgit Minors Kindern leicht, zumindest in den Zügen der Gräfenbergbahn, in denen in den ersten Tagen nach Ende der kompletten Schulschließungen nur wenige Fahrgäste unterwegs waren.

Ähnliches berichtet VGN-Sprecher Rupp aus anderen Bereichen der Region: "Da momentan überwiegend nur etwa 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler fahren, kann auch weitgehend Abstand gehalten werden." Die Auslastung sei insgesamt deutlich niedriger als zu normalen Zeiten.

Zweierlei Maß - in Schule und im Bus?

Dass die Abstandsregeln, je mehr Schüler wieder in die Schulen zurückkehren, künftig wohl nicht überall in Bus und Bahn eingehalten werden können, ist dem Kultusministerium offenbar bewusst. Das jedenfalls geht aus einem aktuellen Schreiben an die Schulleitungen hervor. Darin wird klar gestellt, dass "es aus fachlicher Sicht des Infektionsschutzes für zulässig erachtet wird, im freigestellten Schülerverkehr bei bestehender Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vom zwingenden Einhalten der Abstandsregelung abzusehen ist ".

Ein Nürnberger Förderlehrer wundert sich in einem Brief an unsere Redaktion, wie hier scheinbar mit zweierlei Maß gemessen wird. "Also in Bussen hocken die Kinder aufeinander und in der Schule, auch im Pausenhof, müssen sie Abstand halten?!". Wer solle das verstehen?

Vereinzelt Beschwerden

Dass es bereits jetzt in Fahrzeugen, die mit 20 bis 30 Schülern stärker besetzt sind, "vereinzelt zu Missverständnissen oder Beschwerden" kommt, sagt VGN-Sprecher Rupp. Manchmal verteilten sich Schüler, die sich unterhalten wollen, schlicht nicht gut in den Fahrzeugen. Wie oft das vorkommt, könne er nicht sagen, gibt aber Entwarnung.

Zwar bestehe in den öffentlichen Verkehrsmitteln eine Maskenpflicht und ein Abstandsgebot. Allerdings sei dort wegen der verpflichtenden Mund-Nasen-Bedeckung der Mindestabstand von 1,5 Metern aufgehoben. Rupp: "Es soll ein größtmöglicher Abstand eingehalten werden." Einen definierten Mindestabstand in Bus und Bahn gebe es durch das Tragen der Maske jedoch nicht – auch wenn das manche Eltern offenbar auch in den Bussen erwarteten.

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