Auch als Oma noch auf den Turm

9.1.2013, 09:00 Uhr
Auch als Oma noch auf den Turm

Manchmal fragt sich die vielfache Europa- und mittlerweile dreifache Senioren-Weltmeisterin schon einmal, warum sie sich diesen Aufwand immer noch antut. „Du bist doch blöd“, schieße es ihr dann durch den Kopf, wenn am Samstag um 5.30 Uhr der Wecker klingelt und sie um 7 Uhr auf dem Sprungturm steht. „Nach dem Training aber fühlt man sich gut“, erzählt die gertenschlanke 56-Jährige, die nach wie vor jeden Tag sportlich aktiv ist.

Fitness wurde belohnt

Ob Laufen, Radeln, Fitnessstudio oder die Trainingseinheiten im Nürnberger Südbad, das die Wasserspringer (der offizielle Oberbegriff für das Kunstspringen vom Brett und das Turmspringen) ihres Vereins, dem Schwimmerbund Bayern 07 Nürnberg, am Samstag von 7 bis 11 Uhr für sich haben: Steffi Hübner investiert viel Zeit in ihre körperliche Fitness und in die perfekte Sprungtechnik.

Und die Trainingsarbeit hat sich 2012 wieder ausgezahlt, denn bei der Senioren-Weltmeisterschaft im italienischen Riccione holte sie zwei Gold- und zwei Silbermedaillen.

Überraschende Ausbeute

Dass sie in dem Badeort an der Adria wieder Edelmetall holen könnte, damit hatte die einstige Kadersportlerin und mehrfache Jugendmeisterin der DDR schon gerechnet; die tatsächliche Medaillenausbeute hat sie dann aber doch überrascht. So holte sie diesmal beim Springen vom Dreimeterbrett und vom Zehnmeterturm jeweils einen WM-Titel – beides Sprungdisziplinen, die ihr eigentlich nicht so recht liegen.

Hübners Paradedisziplin ist das Springen vom Einmeterbrett. „Da muss es ganz schnell gehen. Das liebe ich“, sagt die ehemalige Leistungssportlerin aus dem Hilpoltsteiner Ortsteil Marquardsholz, die dabei immer noch einen zweieinhalbfachen Salto schafft.

Im Wettkampf belässt sie es inzwischen jedoch bei einem Doppelsalto, denn der Zweieinhalbfache ist zwar technisch schwer, optisch aber nicht mehr schön. „Da muss man die richtige Balance finden zwischen dem Schwierigkeitsgrad und der guten Ausführung“, erklärt die inzwischen in der Altersklasse 55 bis 59 antretende Wasserspringerin.

Silber beim Synchronspringen

Diesmal fand sie diese Balance anscheinend nicht hundertprozentig, denn in Riccione musste sie sich beim Springen vom Einmeterbrett mit Rang zwei begnügen – konnte ihren Weltmeistertitel von 2010 also nicht verteidigen. Dafür holte sie noch eine weitere Silbermedaille, und zwar mit ihrer Partnerin Gabriella Gulyas beim Synchronspringen vom Dreimeterbrett. Vor zwei Jahren hatte sich Steffi Hübner zum ersten Mal in dieser Disziplin versucht und dabei mit ihrer Freundin von der Post-Sportgemeinschaft Köln ebenfalls den Vizeweltmeistertitel geholt.

Das erst vor wenigen Jahren ins Wettkampfprogramm der Seniorenmeisterschaften aufgenommene Synchronspringen macht der Sportlehrerin des Hilpoltsteiner Gymnasiums viel Spaß, auch wenn sich das Training dafür ein wenig schwierig gestaltet. Gemeinsam können Hübner und Gulyas erst ein, zwei Tage vor dem Wettkampf an den möglichst synchronen Bewegungsabläufen feilen, zuvor studieren sie die Videoaufnahmen von den Sprüngen der Teampartnerin und versuchen sich so auf deren Eigenheiten einzustellen.

So muss sich Steffi Hübner beim Absprung ein wenig zurücknehmen, da die Sprungkraft ihrer ein paar Jahre älteren Sportfreundin nicht mehr ganz so hoch ist.

Unterschiede im Repertoire

Bei der jüngsten WM hat das harmonische Zusammenspiel offenbar recht gut geklappt, wohingegen das Synchronspringen vom Turm zusammen mit Lucie Freitag-Fransen nicht gerade optimal verlief. „Wir haben es mal zusammen probiert, aber das war nix“, erzählt Steffi Hübner. Das Sprungrepertoire der Hilpoltsteinerin und ihrer Kollegin aus Aachen war zu unterschiedlich. Für die eine sei der Delphinsalto das Einfachste von der Welt, während die andere einen richtigen Horror davor habe, nennt die dreifache Weltmeisterin ein Beispiel. Am Ende musste sich das Hilpoltsteiner/Aachener Duo mit dem vierten Platz begnügen.

Am liebsten baut Hübner Schrauben in ihre Sprünge mit ein, zum Beispiel eine eineinhalbfache Schraube beim Rückwärtssalto vom Einmeterbrett. „Für die Jungen ist das natürlich gar nichts, aber für mein Alter ist das schon nicht schlecht“, erklärt die 56-Jährige, die als junge Kaderspringerin bis zu 30 Stunden pro Woche trainierte.

Kritik an Fernsehshow

Regelmäßiges und intensives Training ist auch die beste Versicherung gegen ernste Verletzungen, wie sie sich vor kurzem ein Teilnehmer beim von Stefan Raab fürs Privatfernsehen inszenierten Turmspring-Wettbewerb zugezogen hat. „Dieser Unfall ist traurig, aber das musste irgendwann mal kommen. Da sind ja auch völlig Untrainierte mitgesprungen“, kritisiert Steffi Hübner.

Sie selbst wird nach wie vor von ihrem Mann Steffen betreut, den sie einst an der deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig kennengelernt hat und der auch internationaler Kampfrichter fürs Wasserspringen ist.

2014 findet die nächste Senioren-Weltmeisterschaft statt, diesmal im kanadischen Montreal, und Hübner trainiert schon wieder regelmäßig für das Projekt Titelverteidigung, auch wenn sie dann schon als vierfache Großmutter auf den Sprungturm steigen wird. Im Mai soll ihr viertes Enkelkind zur Welt kommen. „Ich sammle nicht nur Medaillen“, sagt Steffi Hübner und lacht.

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