Auch in Schwabach fürchten Hebammen um ihre Zukunft

16.4.2014, 08:32 Uhr
Auch in Schwabach fürchten Hebammen um ihre Zukunft

© Manuel Mauer/oh

Am Weltfrauentag Anfang März ist sie auf die Straße gegangen: Gemeinsam mit hunderten Hebammen aus der Metropolregion ließ Caroline André, freie Hebamme aus Schwabach, vor der Nürnberger Lorenzkirche ihrem Unmut freien Lauf.

Hintergrund war der für 2015 beschlossene Ausstieg der Nürnberger Versicherungsgruppe aus der Berufshaftpflicht für Hebammen. Der Konzern mit der Burg im Logo hatte als letzter Versicherer die für Hebammen verpflichtende Police angeboten. Ein Ausstieg wäre für die Betroffenen einem Berufsverbot gleich gekommen. Jetzt haben sich auf Druck der Regierung offenbar verschiedene Versicherer zusammengetan. Sie wollen die Hebammen bis 2016 versichern – zu einem rund 20 Prozent höheren Preis als bisher.

Für die Hebammen in Schwabach ist das langfristig aber keine Lösung.

Nur um ein Jahr verschoben

„Das offizielle Aus für den Beruf der freien Hebamme wird dadurch nur um ein Jahr verschoben“, urteilt Caroline Andrè. „Zudem ist es unklar, wie wir mit einem Durchschnittsstundenlohn von rund 8,50 Euro die Versicherungsprämie von dann über 6000 Euro im Jahr aufbringen sollen. Ich gehe davon aus, dass viele Kolleginnen sich schon bald aus der Geburtshilfe zurückziehen werden.“

Bis zu 20 Geburten pro Jahr benötigt eine Hebamme jetzt schon, nur um die Haftpflicht zu bezahlen. Steigt die Prämie weiter an, ist das für viele nicht mehr zu schaffen – auch ein Hebammentag hat nur 24 Stunden.

Wer kann, versucht jetzt, in großen Kliniken oder Zentren unterzukommen.

Abgesehen davon, dass diese Stellen rar sind, kommt das für Caroline Andrè nicht in Frage. „Laut Sozialgesetzbuch ist die Wahlfreiheit des Ortes der Geburt als zentrales Frauenrecht garantiert. In meinen Augen verstößt es gegen unser Berufsethos, Frauen nur noch während der Geburt im Krankenhaus zu begleiten und auf eine umfassende, persönliche Vor- und Nachsorge zu verzichten. Mit meiner Vorstellung des Hebammenberufs hat das jedenfalls nicht mehr viel zu tun.“

Davon kann man nicht leben

Sorgen macht sie sich außerdem, was den Nachwuchs betrifft. „Welche Frau entscheidet sich noch für den Beruf der Hebamme, wenn sie von vornherein weiß, dass sie davon nicht leben kann?“

Caroline Andrè ist seit 2012 für die Hebammengemeinschaft Schwabach tätig. Gemeinsam mit fünf Kolleginnen begleitet sie werdende Mütter ab dem Beginn der Schwangerschaft und steht ihnen auch nach der Geburt im Wochenbett zur Seite. Zusätzlich leisten die Hebammen für das Stadtkrankenhaus Schwabach Rufbereitschaft; springen also auch bei akuten Geburten ein.

Konsequenzen drohen

„Wenn die Hebammengemeinschaft Schwabach uns nicht mehr unterstützen kann, hat das auch für unser Haus dramatische Konsequenzen“, unterstreicht Stadtkrankenhaus-Geschäftsführer Diakon Klaus Seitzinger den Ernst der Lage. „Deshalb stehen wir den Hebammen in ihrer Protestaktion ,Rettet unsere Hebammen‘ uneingeschränkt zur Seite und rufen alle Schwabacher auf, bei der Unterschriftenaktionen mitzumachen.“

Eine Stimmabgabe ist online noch bis zum heutigen 16. April unter www.bundestag.de (Petition 50667) möglich. Auch auf Facebook gibt es eine „Rettet unsere Hebammen“-Seite, auf der man sich über geplante Aktionen informieren kann.

Steigende Berufshaftpflichtprämien sind für die Hebammen in Deutschland nichts Neues. Allerdings hat sich der Anstieg in den letzten Jahren rapide beschleunigt: Lag der Satz im Jahr 1981 noch bei 30,68 Euro, sprang er nach der Jahrtausendwende in 1000-Euro-Schritten auf 4480 Euro seit Juli 2013.

Höhere Entschädigungen

Ziel der Versicherung ist es, für Fehler der Hebamme bei der Geburt einzuspringen. Laut Statistik ist dies bei jeder 800. Geburt der Fall. Weil die Gerichte den geschädigten Kindern heute ein immer höheres Schmerzensgeld sowie langjährige Pflegekosten, Erwerbsausfälle usw. zusprechen, sind die Kosten für die Versicherer explodiert.

Der komplette Austritt der Nürnberger Versicherung aus der Berufshaftpflicht mag aus wirtschaftlicher Sicht ein konsequenter Schritt sein. Für Caroline Andrè und ihre Kolleginnen, aber auch das Stadtkrankenhaus Schwabach ist dies Sparen am falschen Ende: „Unsere Gesellschaft veraltet, wir brauchen Kinder. Aber wie soll das gehen, wenn wir ihnen den Start ins Leben so erschweren?“

Übrigens: Auch auf Anfrage gab es von der Nürnberger Versicherung keine offizielle Stellungnahme zum Ausstieg aus der Berufshaftpflicht für Hebammen. Die Pressestelle verweist lediglich auf die Positionen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV).

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