Auch Schwabacher Pflegekräfte sehen Grenze erreicht

25.6.2015, 08:09 Uhr
Auch Schwabacher Pflegekräfte sehen Grenze erreicht

© Foto: Wilhelm

Mitarbeiter des Stadtkrankenhauses haben gestern in einer „aktive Mittagspause“ für mehr Planstellen in Krankenhäusern demonstriert.

Der Anlass: Die Gesundheitsministerkonferenz hat am Mittwoch den Gesetzentwurf der Bundesregierung für die neue Krankenhausreform diskutiert.

Die Kritik daran: Bis 2018 sollen in Deutschland zwar 7000 neue Pflegestellen geschaffen werden, so die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Nötig seien aber 70 000. Rechne man Ärzte, Verwaltungs- und Reinigungskräfte hinzu, so fehlten in den Klinken sogar rund 162 000 Mitarbeiter. Um das zu verdeutlichen hält jeder der Kundgebungsteilnehmer eine sechsstellige Zahl vor sich.

Opfer des eigenen Erfolgs

Die Situation in Schwabach ist beinahe kurios: Hier ist man Opfer des eigenen Erfolgs. „Die Fallzahlen sind deutlich gestiegen“, sagt Albrecht Kern, der Vorsitzende des Betriebsrats, im Gespräch mit dem Tagblatt. Wurden 2007 noch rund 6800 Patienten pro Jahr stationär behandelt, so waren es 2014 fast 8000. „Zu uns kommen Patienten nicht nur aus Schwabach, sondern aus der ganzen Region. Wir scheinen also etwas richtig zu machen.“

Zudem ist die Verweildauer von 7,2 Tagen auf 4,7 gesunken. Deshalb muss alles etwas schneller gehen: von der Untersuchung bis zur Zimmerreinigung. „Früher waren Patienten mit Krampfadern zwei Wochen im Krankenhaus. Heute werden sie ambulant behandelt. Das heißt: Die Patienten, die bei uns liegen, sind insgesamt kränker“, ergänzt Christian Busch vom Personalrat.

All das bedeutet: Die Pflegekräfte leisten immer mehr. Mehr Personal aber gibt es nicht. Die Stellenzahl für examinierte Pflegekräfte ist zwar in den vergangenen Jahren von 80,92 auf 83,84 gestiegen. Dies aber nur deshalb, weil zum Beispiel die Schlaganfallbehandlung in einer neuen Abteilung deutlich verbessert worden ist. „Ansonsten blieb sie gleich“, so Kern. „Und diese Situation brennt die Mitarbeiter auf Dauer aus.“

Geschäftsführer Klaus Seitzinger sieht das genauso. Er muss den Spagat zwischen fachlicher Qualität und Wirtschaftlichkeit leisten. Zuletzt schrieb das Stadtkrankenhaus 1,5 Millionen Euro Verlust pro Jahr. Eine Summe, die die Stadt sehr belastet.

Für seine Mitarbeiter ist Seitzinger voll des Lobes, für die hohe Politik weniger. Grund ist das System der Krankenhausfinanzierung. „Erfolg wird bestraft“, so der Diakon. Schwabach gehört zu den rund zehn Prozent Krankenhäusern, die deutliche Zuwachsraten haben. Höherer Gewinn? Im Gegenteil: Dafür muss es einen „Mehrerlösabschlag“ zahlen. Mit dem angeblich gewünschten echten Wettbewerb habe das nichts zu tun. „Gröhe will weniger Krankenhausbetten“, sagt Kern nüchtern. Ohne diese Regelung würde die Bilanz des Stadtkrankenhaus um rund 800 000 Euro besser aussehen.

Vielleicht wäre dann sogar Geld für mehr Personal da. Seitzingers Wunsch: „Etwa zehn Pflegekräfte und vier oder fünf Ärzte mehr.“

Die sieben Betten der Intensivstation werden immer von zwei examinierten Pflegern betreut. Auf einen Pfleger kommen also 3,5 Patienten. Auf den normalen Stationen sind für 36 Betten jeweils drei Kräfte zuständig. Verhältnis: 1:12.

Unerfüllbarer Wunsch

Im Nachtdienst ist auf jeder normalen Station nur eine Kraft. Eine dritte für jeweils zwei Stationen wäre eine große Verbesserung. „Aber so wünschenswert das wäre, ich kann das wirtschaftlich nicht verantworten“, so Seitzinger.

Mehr Planstellen bedeuten bessere Pflege und bessere Arbeitsbedingungen. Nach den Ärzten werde nun auch in der Pflege die Suche nach Personal immer schwieriger. „Deshalb muss der Beruf wieder attraktiver werden.“

Dass man dies in einem reichen Land überhaupt fordern muss, finden Seitzinger, Kern und Busch fast beschämend. „In Deutschland kommen auf eine Pflegekraft 13 Patienten“, verweist Kern auf eine Statistik. „In Spanien sind es 12,6, in England 8,6 und in den USA nur 5,3.“

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