Awo baut in Roth: Neue Struktur für 20 Millionen

10.5.2021, 11:00 Uhr
So soll die neue Wohn- und Förderstätte an der Friedrich-Ebert-Straße in Roth einmal aussehen. 2023 soll der Betrieb aufgenommen werden, das bisherige Gebäude wird abgerissen.

© Foto: Awo So soll die neue Wohn- und Förderstätte an der Friedrich-Ebert-Straße in Roth einmal aussehen. 2023 soll der Betrieb aufgenommen werden, das bisherige Gebäude wird abgerissen.

Der Startschuss fällt in dieser Woche mit den ersten Abrissarbeiten am Bestand. Ab Ende 2023 sollen dort 113 psychisch Kranke ab einem Alter von 27 Jahren ein Zuhause, individuelle Betreuung, Förderung und Lebensperspektiven finden.

Abgerissen wird auch die "Villa", die fester Bestandteil der offenen Quartiersarbeit war, in der sich das Awo-Betreuungszentrum seit Jahren engagiert. Diese Offenheit und das gute und vertrauensvolle Miteinander mit der Nachbarschaft hat unter Coronabedingungen etwas gelitten, soll aber auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die geplante Abrissparty musste aber ausfallen und das große Miteinander auf die Zeit nach dem Bau verschoben werden.

Inklusion wird im Awo-Betreuungszentrum großgeschrieben, da- für schafft der Neubau beste Voraussetzungen. Zum neuen Haus kommt ein neuer Name für die zukunftsfähige Form der Einrichtung: "Wohnen mit Assistenz".

Ins öffentliche Leben integriert

Die Fachbereichsleiterin der Behindertenhilfe und Psychiatrie Perina Feicht betont, dass die Einrichtung gut in das lokale öffentliche Leben integriert sei. "Unsere Bewohner gehören in Roth ganz selbstverständlich zum Stadtbild." Mit den Nachbarn sei man in gutem Kontakt. Um das weiter zu unterstreichen, soll im Neubau unter anderem ein öffentliches Café entstehen. Im Rahmen der Arbeitstherapie wird es von Bewohnern betrieben und soll neben Mitarbeitern und Bewohnern auch Gästen von außerhalb der Einrichtung als Treffpunkt dienen.

Seit 2015 beschäftigt sich die Awo damit, den psychiatrischen Wohn-, Therapie- und Arbeitsbereich fit für die Zukunft zu machen. Die Gebäude waren aber nicht mehr zeitgemäß – und mit den Vorgaben des Bundesteilhabegesetzes auf Dauer nicht vereinbar.

Eine Sanierung schied aus wirtschaftlichen Gründen aus. Im barrierefreien Teil-Neubau, den das Schwabacher Architektur-Büro Keß+Neudörfer geplant hat, werden allen Bewohnern Einzelzimmer zur Verfügung stehen. Ein Viertel davon ist als Rollstuhl-Zimmer ausgelegt. Ein geschützter Wohnbereich im Erdgeschoss mit eigenem Gartenanteil wird 20 psychisch Kranken mit besonderem Betreuungsbedarf Schutz und Fürsorge bieten.

Nur 113 statt 145 Bewohner

Auf den weiteren drei Etagen entstehen insgesamt neun kleinteilige Wohngruppen für jeweils zehn bis elf Bewohner und verschiedene Gemeinschafts-, Therapie- und Fachdiensträume. "Stationszimmer" wird es in den WG-ähnlichen Gruppen nicht mehr geben. Stattdessen gibt es mehrere "Service-Points", an denen die Bewohner jederzeit Ansprechpartner für ihre Anliegen finden.

Einziger Wermutstropfen: Statt für bisher 145 ist in der Rother Einrichtung im Neubau nur noch für 113 Bewohner Platz. In der fast dreijährigen Übergangsphase noch weniger. Peu à peu ist zuletzt die Anzahl der Bewohner in der bestehenden Einrichtung reduziert worden. Der größere Teil ist mittlerweile in ein Interims-Quartier nach Roßtal umgezogen. Nur 20 Bewohner können bis zum Schluss am gewohnten Wohnort bleiben. Ihr überschaubarer Wohnbereich wird erst in einem vergleichsweise kleinen zweiten Bauabschnitt abgerissen.

Die Bauphase erhöht zumindest vorübergehend den Druck für Menschen, die auf der Suche nach einer unterstützenden stationären Wohnform sind. Der Ausbau ambulanter Angebote soll das ausgleichen. Es wird aber auch Patienten geben, die sich im Einzelfall mangels Alternativen auf einen längeren Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus einstellen müssen. Perina Feicht: "Ginge es nur nach dem Bedarf, könnten wir ohne Probleme ein zweites Haus dieser Größe füllen."

Viel Lob für das Projekt gab es von Landrat Herbert Eckstein und Bürgermeister Ralph Edelhäußer. Der Landrat betonte, wie sehr er es zu schätzen wisse, auf welchen Weg sich die Awo hier mit großem Einsatz gemacht habe. Er sorge sich sehr, wie viele Menschen nicht ohne Unterstützung zurechtkämen. "Wir dürfen sie nicht verloren geben."

Drei statt vier Geschosse

Edelhäußer sagte, er sei sehr stolz, dass der Awo-Bezirksverband sich mit dem Großprojekt zum Standort Roth bekenne. Er habe "einen Heidenrespekt" vor der Arbeit, die in dieser Einrichtung geleistet werde. Froh sei er über die Transparenz und Offenheit, mit der die Awo die Planungen angegangen sei. Frühzeitig seien die Nachbarn einbezogen worden. Nicht zuletzt deshalb werde der Neubau entgegen den ersten Entwürfen mit drei statt vier Geschossen erstellt.

Gebaut wird ein zweischenkeliges Gebäude, dessen Spitze mit dem neuen Haupteingang in die Ecke Friedrich-Ebert-Straße und Freiligrathstraße ragt. Dadurch öffnet sich der Komplex optisch in das umgebende Wohngebiet.

Trotz der großen Baumasse wollen die Architekten mit der Anordnung über Eck den Eindruck eines kleinteiligen Baukörpers entstehen lassen. Zukunftsfest soll das Haus nicht nur in Sachen Energieeffizienz werden: Dank Skelettbauweise kann die Raumaufteilung ohne großen Aufwand an wechselnde Bedarfe angepasst werden.

Für den Bezirksverband der Awo bedeutet der Teil-Neubau in Roth eine Mammutaufgabe und ein bemerkenswertes finanzielles Engagement. Man befinde sich da in einer Vorreiterrolle, betonte Awo-Vorständin Sonja Borzel. Nicht ohne Grund: Im Gegensatz zu vergleichbaren Projekten für Menschen mit körperlichen Behinderungen stelle der Freistaat hier keine Investitions-Förderprogramme zur Verfügung. Die Awo muss also fast mit der kompletten Bausumme in Vorleistung gehen und die Investition später über die Belegung der Plätze refinanzieren. "Das sind keine einfachen Rahmenbedingungen", bedauert Perina Feicht. Etwas Entlastung erhofft sie sich von Förderanträgen, die sie bei der Bayerischen Landesstiftung und der Aktion Mensch gestellt hat.

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