Badhaus stellt eine wahre Fundgrube dar

9.2.2012, 00:00 Uhr
Badhaus stellt eine wahre Fundgrube dar

Mitarbeiter des Freilandmuseums und Arbeiter des Wendelsteiner Bauhofs haben das baufällige Gebäude gesichert. Sie führen drinnen zum einen archäologische Ausgrabungen durch, zum anderen gewinnen sie immer noch und immer wieder neue Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung des Hauses und auch über die Badhauskultur, die in unseren Breiten bis etwa 1800 dauerte. Das Wendelsteiner Badhaus ist das älteste erhaltene Badhaus Süddeutschlands. Es stellt für die Forscher eine wahre Fundgrube dar.

Es sei ausgesprochen gut erhalten, sagte Ralf Rossmeissl bei seinem Vortrag im Martin-Luther-Saal. Einerseits sind die Balkenköpfe vermorscht und das Gebäude ist einsturzgefährdet. Aber in den Mauern und im Schutt, mit dem die Räume immer wieder aufgefüllt worden sind, haben die Forscher viele kleine Sensationen entdeckt. Dinge, die die wertvolle Informationen geben über das soziale Leben der vergangenen Jahrhunderte.

Badhaus stellt eine wahre Fundgrube dar

Tiefer Einblick

Rossmeissl gewährte einen tiefen Einblick in die Badhaus-Kultur allgemein und die Geschichte des Wendelsteiner Badhauses ganz speziell. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gehörte es zum Nürnberger Heilig-Geist-Spital. Weil auch die Ansbacher Markgrafen Besitz in Wendelstein hatten, kam es immer wieder zu Reibereien. Nicht zuletzt deshalb ist das Badhaus und seine Geschichte außerordentlich gut dokumentiert.

Das Geschoss, das heute wie ein Keller unter dem Straßenniveau liegt, war früher das Erdgeschoss. Es muss wohl immer wieder einmal Hochwasser von der Schwarzach abbekommen haben. Die Grabungen haben ergeben, dass in vergangenen Jahrhunderten dieses Geschoss nach und nach mit Schutt und Erdreich aufgefüllt wurde. Die Erhöhung der Schwarzachbrücke neben dem Haus im 20. Jahrhundert lässt es heute endgültig wie einen Keller wirken. Die Eingangstüren des Hauses zur Hauptstraße hin lagen früher im ersten Stock, hohe Treppen führten hinauf.

Das Badhaus wurde 1440 erbaut, brannte zumindest teilweise im ersten Markgrafenkrieg ab, wurde aber um 1450 schon wieder aufgebaut. Im 18. Jahrhundert muss es in dem Haus ein zweites und noch ein drittes Mal gebrannt haben. Zeugen der Brände sind verkohlte Balken und verschiedene Reparaturen.

Baden, schwitzen, scheren, salben, heilen, schröpfen, zur Ader lassen, Zähne ziehen. Dies alles war ehedem in Badhäusern an der Tagesordnung. Sogar das Starstechen (einfache Operationsmethode zur Behandlung des Grauen Stars) wurde dort vorgenommen. Der „Bader“ war Friseur, Arzt, Zahnarzt und Saunawärter gleichermaßen.

Zur Ausrüstung der Badhaus-Kunden gehörte immer eine aus Gras geflochtene Badekappe. Kräuterbüschel als „Peitsche“ für die Hautmassage waren ebenfalls üblich. Das Handwerkszeug der Bader bestand aus runden Heizsteinen, Schöpfköpfen und allerlei Messer und sonstigen Gerätschaften für Zahnbehandlung, Haarschnitt und auch Aderlass.

Die Ausgräber fanden im Schutt des Badhauses etliche Heizsteine, in den Fehlböden tauchte geflochtenes Gras auf, aus dem die Badehüte bestanden. Auch etliche Tonscherben kam zutage, ebenso zwei Schröpfköpfe aus Metall.

Im Dachgebälk lag eine mumifizierte Kröte, quasi ein „Abwehrzauber“, was vermuten lässt, dass es sich um eine Weihegabe aus einer frühen Bauphase handelt.

Ausgegraben wurden im Erdgeschoss das Schürloch des Ofens, der Sockel des Heißwasserkessels und Bodenbeläge aus Sandstein-Platten. Unter dem Putz der Wände lagen zugemauerte Fensteröffnungen. Eine Sensation ist ein mit Lehm zugeschmiertes Fenster samt Bleiverglasung aus der Bauzeit um 1450. Dies dürfte eines der ältesten erhaltenen Fenster an einem weltlichen Gebäude sein. Im Erdgeschoss waren Gewölbe eingezogen, wie die ausgegrabenen Säulen-Fundamente zeigen. Wahrscheinlich tauchen im Schutt auch noch die Säulen dieser Gewölbe auf. Diese Gewölbe sollen beim Wiederaufbau des Badhauses im Freilandmuseum rekonstruiert werden. So, wie das Haus derzeit beschaffen ist, geht dies nicht, denn in der Mitte haben dich die Decken um einen halben Meter gesenkt.

Ralf Rossmeissl sieht das Badhaus inzwischen als öffentliches Gebäude mit vielfältigen parallelen Nutzungen an: Der Bader durfte und musste die Baderäume im Erdgeschoss betreiben. Seine Wohnung hatte er im ersten Stock. Dort und unter dem Dach wohnten aber wohl auch noch der Amtsbüttel und wahrscheinlich die Hebamme und eventuell sogar noch der Lehrer. „Zwei Drittel des Hauses bestand aus Mieträumen“, meint er.

Ein weiterer sensationeller Befund fand sich im heutigen Keller des Hauses (früher Erdgeschoss): Ein ausgemauerter Einstieg in ein Kellergewölbe. Womöglich liegt dort drunten in der Tiefe die große Brunnenstube.

Das Badhaus Wendelstein, Hauptstraße 2, kann besichtigt werden am Samstag 11. Februar, 11 bis 15 Uhr. Herbert May, Leiter des Fränkischen Freilandmuseums, erläutert mit seinem Team Be-sonderheiten des Gebäudes. Der Eintritt ist frei.

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