Grüner Arbeitsplatz

Bioland zertifiziert ersten Schwabacher Gewerbebetrieb

15.7.2021, 06:04 Uhr
Auch so können Gewerbegrundstücke aussehen: Birgit Helbig (re.) überreicht im Freigelände der Firma Stream engineering/Albrecht Elektrotechnik Heidrun und Jochen Albrecht das Zertifikat. Die Albrechts haben in Schwabach den ersten Gewerbegrundstück-Naturgarten, der von Bioland empfohlen ist.

© Robert Gerner, NN Auch so können Gewerbegrundstücke aussehen: Birgit Helbig (re.) überreicht im Freigelände der Firma Stream engineering/Albrecht Elektrotechnik Heidrun und Jochen Albrecht das Zertifikat. Die Albrechts haben in Schwabach den ersten Gewerbegrundstück-Naturgarten, der von Bioland empfohlen ist.

Jochen Albrecht entwickelt Software für Fernsehstudio-Technik. Er bedient Dax-Konzerne wie Siemens mit "kundenspezifischer Software", wie es so schön heißt. Jüngst ging ein Raumbuchungssystem für den Deutschen Bundestag an den Start, das die Firma Stream engineering, die ihren Sitz in der Alten Rother Straße hat, produziert hat.

Jochen Albrecht denkt aber nicht nur ein Einsen und Nullen und er beherrscht mehr als die Programmiersprache der Rechner. Privat sind er und seine Frau Heidrun seit vielen Jahren elektrisch unterwegs. Und jetzt hat Albrecht das Firmengelände umgestalten lassen. Es ist Schwabachs erstes Gewerbegrundstück, das nicht nur ein offizieller "Naturgarten" ist, sondern ein Naturgarten, der "von Bioland empfohlen" ist.

Noch konsequenter arbeiten

Hinter dem Projekt steckt neben dem Ehepaar Albrecht vor allem Birgit Helbig. Die Dürrenmungenauerin ist eine der Expertinnen für Naturgärten. Und sie ist eine von erst 26 im deutschsprachigen Raum, die von Bioland zertifiziert ist. Damit ein Naturgarten tatsächlich Naturgarten heißen darf, müssen viele Kriterien erfüllt sein. Wer das Bioland-Zertifikat draufsatteln will, muss noch konsequenter arbeiten.

Birgit Helbig zählt auf: Mindestens zwei Drittel der angepflanzten oder ausgesäten Pflanzen müssen heimisch sein. Es gibt strenge Vorgaben, was Baumaterialien, Dünger und andere Bodenverbesserungsmittel angeht. Für die Pflanzen braucht man (ebenfalls zertifizierte) Bezugsquellen und Herkunftsnachweise. Bei all den Pflanzen darf man auch die Tiere - Stichwort Verstecke, Nisthilfen - nicht vergessen.

Das Betriebsgelände bei Stream engineering/Albrecht Elektronik hat Birgit Helbig schon im Herbst 2019 umgestaltet. Das Gelände wurde zum Teil neu modelliert, einige leerstehende Gebäude wurden abgebrochen, rund 200 Quadratmeter wurden entsiegelt. Helbig rückte mit Steinen an, die von einem abgebrochenen Haus im Altmühltal stammen, und mit Granitblöcken, die als Randbefestigung eines Gehwegs ausgedient hatten.

350 verschiedene Arten

Sie pflanzte und säte mehr als 350 verschiedene Arten vom wunderbar blühenden Natternkopf bis zur wollköpfigen Distel. Das Wasser von den Dächern fließt jetzt nicht mehr in die Kanalisation, sondern versickert im Grundstück oder landet zum Teil in einem Teich, dessen Teichfolie selbstverständlich PVC-frei ist. Es gibt eine Sanddüne und versteckte Totholz-Ecken.

In einer Kaffeepause können sich Heidrun und Jochen Albrecht ins Grüne setzen. Mindestens zwischen März und September summt und brummt und raschelt und zwitschert es um sie herum. Wollbienen schaben dicke Blätter ab, Molche haben sich angesiedelt, Eidechsen sonnen sich, Arbeiter haben am Teich schon einen Eisvogel entdeckt. Es ist wie ein Blick ins Paradies.

Zu viel Arbeit? Von wegen!

Und doch sind Naturgärten, zumal in Gewerbegebieten, eher die Ausnahme, denn die Regel. Die Menschen fürchten den Wildwuchs und scheuen die vermeintlich viele Arbeit.

Birgit Helbig aber sagt, dass ein Naturgarten viel weniger Arbeit macht als man meint. Ja, man müsse sich auch mit einem gewissen Maß an Unordnung arrangieren können. Aber der Pflegeaufwand sei überschaubar. Das radikale Zurückschneiden der Pflanzen im beginnenden Frühjahr - und dann eine zwei- oder dreimalige Mahd während der Vegetationszeit. "Früher", so erinnert sich Jochen Albrecht, "haben wir im Sommer einmal wöchentlich den Rasen gemäht. Das hat viel länger gedauert."

Birgit Helbig und Stream engineering kamen zusammen, weil sich der Dürrenmungenauer Naturgarten-Profi und Heidrun Albrecht seit Jahren kennen. Beide haben früher beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) gearbeitet. Helbig als Grafikerin, Albrecht als Biologin und Umweltpädagogin am Altmühlsee. "Insofern war schon klar, dass wir ein wenig ähnlich ticken", so Albrecht.

Drei Referenz-Objekte

Um den hohen Ansprüchen von Bioland zu genügen, benötigte Birgit Helbig nicht nur ein Referenzobjekt, sondern mindestens drei. Deshalb warf die Dürrenmungenauerin nicht nur das Betriebsgelände von Stream engineering/Albrecht in die Waagschale. Sie gestaltete auch noch das Außengelände der LBV-Landesgeschäftsstelle in Hilpoltstein um und legte einen Privatgarten im neuen Hilpoltsteiner Baugebiet Dorotheenhöhe nach Vorgaben der beiden Vereine Naturgarten und Bioland an.

Dann rückte eine Kommission, angeführt von Naturgarten-Papst Dr. Reinhard Witt, an. Was sie sah, befand sie für gut. Und verteilte gewissermaßen vier Zertifikate. Helbigs Firma "Natur.Garten.Helbig" ist jetzt ganz offiziell "Naturgarten-Fachbetrieb, empfohlen von Bioland e.V.". Und die drei Referenzgärten in Schwabach und Hilpoltstein dürfen sich die entsprechenden Urkunden ins Büro oder in den Flur hängen.

Neue Pläne

Jochen Albrecht hat derweil neue Pläne für die Firma, die sein Vater gegründet hat und die im Vorjahr 50 Jahre alt geworden ist. Nach seinem Beitrag zur Artenvielfalt soll sein Beitrag zum Klimaschutz folgen: Das Hauptgebäude, das aus den 1980-er-Jahren stammt, wird energetisch saniert.

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