Kulturtage des Schwabacher Integrationsrates

Darum können die Syrer nicht zurück

27.9.2021, 11:03 Uhr
Darum können die Syrer nicht zurück

© Robert Schmitt, NN

Zugleich ist die Verbindung Syriens mit Deutschland besonders groß. Jüngsten Medienberichte zufolge haben gegenwärtig etwa 800 000 Syrerinnen und Syrer in Deutschland Schutz gefunden. Ursache ist der Krieg, der 2011 begonnen hat. 2009 lebten lediglich etwa 30 000 Syrer in Deutschland.

Corona hat die aktuellen Kulturtage zwar um 15 Monate verschoben. An ihrer Bedeutung und Aktualität hat das aber nichts geändert. „Sie sollen dem kulturellen Austausch dienen sowie die Talente und Vorzüge der Syrer zeigen“, so Integrationsratsvorsitzende Rezarta Reimann. Das ist schon zum Auftakt am Freitag Abend außerordentlich gut gelungen.

Mit dem Islamwissenschaftler, Reisejournalisten und Fotografen Lutz Jäkel hat ein ausgewiesener Kenner des Nahen Ostens Syrien vorgestellt. „Erinnerungen an ein Land ohne Krieg“ hieß seine Live-Reportage mit zahlreichen Bildern des Lebens vor 2011. Sie zeigten ein kulturell und menschlich reiches Syrien. Jäkels Botschaft: „Die Menschen in Syrien sind gar nicht so anders als wir, lasst uns also auf das Verbindende statt auf das Trennende schauen und kulturelle Brücken über Grenzen schlagen.“ Vor allem mit Blick auf das christliche Abendland erinnerte Jäkel an den Ursprung der Religion, auf die Europa so stolz ist. „Weder Jesus noch Paulus kamen aus der Lüneburger Heide.“

Glückliche Menschen vor dem Krieg

Fantastische Bilder aus der Zeit bis zu 20 Jahre vor dem Krieg bildeten die Hauptlinie einer Rundreise durch Syrien, die ein vielfältiges Land mit glücklichen Menschen zwischen Mittelmeer und Wüste zeigte. Von der Hauptstadt Damaskus aus führte Jäkel das Publikum in den Süden und den Osten zur Weltkulturerbe-Stadt Palmyra sowie in den Streifen zwischen Euphrat und Tigris. „Die Wiege jeder Zivilisation“, erklärte Jäkel.

Darum können die Syrer nicht zurück

© Robert Schmitt, NN

Vor 2011 lebten 22 Millionen Menschen in Syrien. Heute sind viele Städte zerbombt und elf Millionen Syrer auf der Flucht. Aktuelle Bilder eines Kriegsreporters dokumentierten Jäckels Schilderungen. „Homs wurde am meisten zerstört, denn es war die Stadt der Opposition, aus der der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen Assad kam“, so Jäkel.

Ebenso wies er bei Bildern aus Aleppo auf die Folgen von zehn Jahren Krieg hin. „Ein Großteil der Vier-Millionen-Stadt ist zerstört“, so Jäkel, der Fotos aus vielen Stadtteilen und dem „Suq“ zeigte, dem überdachten Markt der Stadt, in dem Stoffe, Süßigkeiten und Lebensmittel angeboten werden. „Wir nennen es häufig ‚Basar’.“ Die Tour endete in der Hafenstadt Latakia. „Cote Azur Syriens“, werde die Gegend genannt, die mediterranes Flair ausstrahle und in der Leben direkt am Wasser stattfinde.

"Gegen Diktatur, Korruption, Gewalt und Folter"

Trotz der positiven Schilderungen mit Blick auf Menschen und Traditionen versäumte es Jäkel nicht, auf die Schattenseiten hinzuweisen, die zum Widerstand der Bevölkerung in Syrien geführt haben. Nicht wegen, sondern trotz des Regimes sei die Gesellschaft so offen gewesen. „Die Menschen gingen 2011 auf die Straße gegen Diktatur, Korruption, Gewalt und Folter“, so Jäkel. „Noch heute existieren in Syrien die schlimmsten Foltergefängnisse der Welt“, weiß der Journalist. Die nationale und ideologische Krise in Syrien ist seiner Meinung nach nicht zu Ende. „Die Gründe, die zum Widerstand geführt haben, bestehen noch“, ist Jäkel überzeugt. „Deshalb können die Menschen nicht zurück.“

Unmittelbar zu erleben war Kultur aus dem Nahen Osten ebenfalls. Der Türkische Trommler Can Ünlüsoy, der syrische Flötist und Gitarrist Bashar Salah sowie die deutsche Cellistin Eilin Herrmann bildeten ein Tri-nationales Ensemble, das syrische Musik darbot. Herrmann zeigte außerdem ihr während eines zweijährigen Iran-Aufenthalts erworbenes Können auf der „Kamance“, einer türkischen Kastenhalslaute.

Schirmherr der Veranstaltung war Oberbürgermeister Peter Reiß. Er bedankte sich für das tolle Programm und mahnte zur Vorsicht. „Die jüngste Geschichte Syriens, zeigt, wie unglaublich schnell die Grundfesten der Zivilisation eingerissen sind.“ Die Kulturtage sind am Samstag mit einem Konzert sowie dem Erlebnisbericht eines syrischen Künstlers über sein individuelles Fluchtschicksal in der Schule am Museum fortgesetzt worden. Sie endeten am Sonntag mit einem syrischen Frühstück in der der Goldenen Moschee.

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