Das einst stolze Bauernhaus „Hauptstraße 5“ verfällt langsam

5.1.2016, 10:05 Uhr
Das einst stolze Bauernhaus „Hauptstraße 5“ verfällt langsam

© Foto: Alfred Köhl / Museumsverein Schwanstetten

Der Hof steht leer, verfällt langsam und ist ziemlich zugewachsen. Das Holz im Inneren ist teilweise morsch. Das Gebäude ist im Besitz der Familie Volkert. Er liegt am Ortseingang von Leerstetten. Der Hausname „Kunzenhof“ ist hergeleitet von Konrad = Kunz.

Tiefgreifende Veränderungen

Die genaue Datierung des Sandsteinquaderbaus mit verputztem Fachwerk am Giebel bereitet Probleme, da im Gebäude bereits tiefgreifende Veränderungen vollzogen wurden. Das Haus ist bereits auf dem Urkataster von 1832 eingetragen. Die Größe des Gebäudes und seiner Räumlichkeiten (Stube, Küche, Kammer), sowie ein historischer Ausbau des Dachgeschosses zur Hauptfassade hin und die Bohlen-Balken-Decke der Stube, sprechen für eine Entstehung Mitte des 18. Jahrhunderts. Auf denselben Zeitraum weist die Bohlen-Balken-Decke der Stube und das restliche Fachwerk im Inneren hin. Die Haustür stammt wohl erst aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Laut dem Eigentümer erbten vor 200 Jahren drei Brüder den Hof. Dabei wurde die Hofstelle geteilt. Bereits 1886 wird der Hof von einem Georg Volkert geführt.

Die massive landwirtschaftliche Umstrukturierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts machte einen Umzug des Betriebes 1979 unumgänglich. Seitdem steht der Hof leer.

Kappengewölbe im Stall

Eine erste tiefgreifende Umgestaltung des Baus fand 1906 statt: Preußische Kappengewölbe wurden im großzügig verbreiterten Stall und rückwärtigen Flur ausgeführt, einige Türen erneuert; die nordöstlich angefügte Scheune wurde 1912 erbaut. 1925 wurde der Saustall errichtet, 1928 das Austragshäuschen. 1932 wurde in der Küche ein offener Kamin abgebrochen, der Raum zu einer Wohnküche geändert, eine Räucherkammer im zweiten Stock installiert; die Stube wurde zu einem Wohnzimmer.

Das einst stolze Bauernhaus „Hauptstraße 5“ verfällt langsam

© Foto: Alfred Köhl / Museumsverein Schwanstetten

1942 wurde die Stalltür aus der Flurflucht auf die rechte Haushälfte verlegt. 1943 entstanden weitere Kammern im Dachgeschoss. 1947 wurde ein Keller unter der frontseitigen Kammer ausgehoben, um die Speis zu ersetzen, Decken und Fehlböden der Räume im Erdgeschoss erneuert; sowie die Milchkammer errichtet.

Kurz darauf, 1950, wurde die Kammer in eine Backstube umgewandelt, die gewölbte Speis wurde in ein Bad umgeformt; Holzdielen wurden in den Kammern im vorderen Bereich des Dachgeschosses erneuert. 1956 wurde die Treppe in die oberen Stockwerke ersetzt. Der Fachwerkgiebel im Bereich des ersten Dachgeschosses wurde wohl in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ersetzt.

Die Hauptfassade ist symmetrisch gegliedert; die Haustür befindet sich in der Mitte. Unten links befinden sich zwei Stubenfenster, die andeuten, dass die linke Haushälfte der Wohntrakt ist. Ungewöhnlich ist das Fenster rechts neben der Tür, das den Flur belichtet (normal durch ein Oberlicht in der Tür).

Das rechte, äußere Fenster belichtet die ehemalige Kammer, die heutige Backstube. Darüber befinden sich im Dachgeschoss vier symmetrisch angeordnete Fensteröffnungen, von denen je zwei eine Kammer belichten. Das zweite Dachgeschoss wird von zwei querrechteckigen Fenstern belichtet, die jüngerer Herkunft sind. Auffällig sind zwei Absätze im Giebel. Der eine über dem EG signalisierte den einstigen Übergang zu Fachwerk, das aber heute erst weiter oben beginnt.

Große Küche

Von der westlichen Hausseite her wird links der Stall erschlossen; nach rechts folgen je zwei Fenster von Küche und Stube. Eine zweifenstrige Küche ist ungewöhnlich und unterstreicht die Größe des Hofes. Die westliche Hausseite ist durch die jüngere Milchkammer, den verbreiterten Stall sowie die angefügte Scheune nicht mehr erhalten beziehungsweise verstellt und nicht mehr lesbar.

Über die Haustüre gelangt man in einen geräumigen Flur, dessen Flucht auf den rückwärtigen Stall ausgerichtet ist. Dieser Flur erschloss alle Räume des Erdgeschosses: Auf der linken Seite die große Stube und geräumige Küche, die untereinander wiederum mit einer eigenen Tür verbunden sind. Auf der rechten Seite die kleine ursprüngliche Kammer, die heutige Backstube, und gegenüber der Küche die gewölbte Speis, das heutige Bad. In der Flucht des Flurs befindet sich rechts eine einfache Treppe zum Dachgeschoss und links ein kleiner Abstellraum, der durch das Vermauern der ursprünglichen Stalltür 1942 zustande kam. Der Stall hat zwei weitere Zugänge, einen von der westlichen Traufseite (von Holundersträuchern verstellt) und einen von der ruinösen Scheune her.

Lagerraum im zweiten Stock

Im ersten Stock befinden sich auf jeder Giebelseite zwei geräumige Kammern, die von einem Flur in der Mitte erschlossen werden. Der zweite Stock ist als Lagerraum ausgelegt und wird ebenfalls über eine jüngere Treppe erschlossen (1956).

Das Außenmauerwerk besteht, wie das Fundament, aus Sandsteinquadern und ist verputzt. Auf der rechten Seite der Fassade wurde der Sandstein wohl wegen der Unterkellerung weitgehend durch Ziegel ersetzt. Im ersten Stock ist das Fachwerk durch Ziegel ersetzt, nur im zweiten Stock befindet sich noch ursprüngliches, jetzt verputztes Fachwerk.

Ein Prinz zum Wachküssen

Das allgemeine Urteil von Alfred Köhl, der die Seiten des Museumsvereins gestaltet und pflegt: Das Denkmal befindet sich in einem Zustand, der eine Sanierung nahelegt, um größere Schäden zu vermeiden. Eine unmittelbare Gefahr besteht noch nicht. Seine Hoffnung: „Vielleicht können wir damit ja beitragen, dass sich ein „Prinz“ findet, der dieses ehemals so schmucke Anwesen in Leerstetten wieder wach küsst.“

www.museum-schwanstetten.de

Keine Kommentare