Der Postplatz: Moderner Aufbruch oder zwei Bausünden?

5.12.2020, 06:00 Uhr
Der Postplatz: Moderner Aufbruch oder zwei Bausünden?

© Foto: Schönberger, Archiv Hans Grießhammer

Die etwas älteren Schwabacherinnen und Schwabacher haben es sicher noch vor Augen. Und für viele, die damals noch jung waren, ist es eine Kindheitserinnerung.

Dieses große Gebäude aus Beton, so ganz anders als die anderen Häuser. Die riesigen weißen Buchstaben auf blauen Grund an der grauen Fassade. Die erste Rolltreppe, die je in Schwabach installiert wurde. Dieses enorme Angebot. Die Cafeteria mit der riesigen Fensterfront.

Ein großer Schritt

Vor 50 Jahren wurde Schwabachs "co op-Center" eröffnet. Viele Schwabacher nannten es der Einfachheit halber schlicht "Konsum", die Abkürzung für Konsumgenossenschaft.

Die hatte direkt gegenüber — im kürzlich erst neu eröffneten Modehaus Frenzel — den "Kunden Konsum Franken" betrieben, war also quasi nur über die Ludwigstraße gezogen. Ein kleiner Schritt? Im Gegenteil.

Der Postplatz: Moderner Aufbruch oder zwei Bausünden?

© Foto: Archiv Hans Grießhammer

Der "co op" war nicht das einzige neue Gebäude. Schräg gegenüber, nur wenige Meter entfernt, war gerade die neue Post entstanden. Noch nicht eröffnet, aber mit fertigem Baukörper aus dem selben Beton, in der selben schnörkellosen Funktionalität.

Aufbruch in eine neue Zeit

"Co op" und neue Post: 1970 schreiben diese beiden Neubauten ein Kapitel der jüngeren Stadtentwicklung. Sie sind nicht nur zwei neue Gebäude. Sie stehen für den Aufbruch in eine neue Zeit. Die Moderne hält Einzug in Schwabach — und prägt den Postplatz bis heute wesentlich mit.

Gefeiert aber wurde dieses 50-Jährige nicht. Das dürfte mehrere Gründe haben, die ausnahmsweise nichts mit Corona zu tun haben.

Der Postplatz: Moderner Aufbruch oder zwei Bausünden?

© Foto: Schönberger, Archiv Hans Grießhammer

Zum einen ist "co op" längst Geschichte. Die damals in der ganzen Bundesrepublik vertretene Konsumgenossenschaft versank regelrecht im "co op"-Skandal um Bilanzfälschung und Untreue und wurde Ende der 1980er Jahre zerschlagen.

Zum anderen gehören beide Bauten längst zum alltäglichen Stadtbild. Doch so ganz glücklich geworden sind viele Schwabacher mit diesem Duo aus Beton nie.

Ohne Gespür?

War der Aufbruch in die Moderne nicht eher eine Bausünde ohne jedes Gespür für Denkmalschutz? Eine doppelte sogar? War es nicht schade um das traditionsreiche "Gasthaus Rose" und das Geschäftshaus daneben, die beide dem "co op" weichen mussten?

Und galt das nicht erst recht für die alte Post, dieses barocke Schmuckstück, das ebenfalls dem Bagger preisgegeben wurden?

Der Postplatz: Moderner Aufbruch oder zwei Bausünden?

© Foto: Archiv Hans Grießhammer

Zeitenwende oder Fehlentwicklung? Diese Frage provoziert bis heute unterschiedliche Antworten. Und sie lädt ein zu einer kleinen Zeitreise durch die Geschichte des Postplatzes und dessen Umgebung:

Die Zeittafel

15.10.1898: An der Kreuzung am früheren Mönchstor wird ein neues Postgebäude errichtet. Die Geschichte der Post in Schwabach beginnt bereits 1681 mit dem kaiserlichen Posthalter Johann Philipp Haidingsfelder. Über die Jahrhunderte wechselt die Post mehrfach ihren Standort. Höhepunkt der Entwicklung ist das neue Hauptpostamt im neobarocken Stil, das deshalb gerne "Schlösschen" genannt wird. So wird dieser Platz zum Postplatz.

24.4.1954: In der Ludwigstraße wird das neue Verwaltungsgebäude eingeweiht. Abgerissen wurde dafür das Gasthaus Schwarzer Bär.

19. Oktober 1963: Der neue Markgrafensaal ersetzt den früheren Bärensaal und wird mit einem Opernkonzert eröffnet.

12. November 1966: Aus der neuen Post von 1898 ist eine alte geworden, die inzwischen zu klein ist. Bundespostminister Richard Stücklen (CSU) aus Weißenburg, der damals auch für Schwabach zuständige Bundestagsabgeordnete, legt den Grundstein für die neue Post. Arno Guder, Chefredakteur des Schwabacher Tagblatts, betont die "große Bedeutung" dieses Tages, der Schwabach ein Stück "großstädtisches Gepräge" gebe. Dieses "modernste Amtsgebäude der Deutschen Bundespost im weiten Umkreis" sei ein "Zeichen der Aufwärtsentwicklung der Stadt".

1968: Abriss des Gasthauses Rose und des Geschäftshauses daneben. So wird im selben Jahr Platz gemacht für den "co op".

1969: Abriss des alten Postgebäudes. Die neue Post entsteht dahinter. Erst als es fast fertig ist, verschwindet das "Schlösschen" für immer. Damit ist Platz für den letzten Bauabschnitt: den flachen Vorbau der neuen Post.

26. Februar 1970: "co op"-Eröffnung. Kostenlose Busse bringen Kunden aus dem Umland zu diesem großen Ereignis. Schlagerstar Billy Mo ("Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut") trompetet, singt und verkauft Bananen. Es herrscht Volksfeststimmung.

Das Tagblatt feiert euphorisch den "avantgardistischen" Stil, umgesetzt "mit dem Baustoff unseres Jahrzehnts, dem Beton".

Hartwig Reimann dagegen hat die Eröffnung "in ziemlich schrecklicher Erinnerung". Damals war er als junger OB-Kandidat beim Festakt, es war die Hochphase des Wahlkampfs. "Die Redner haben alle betont, dass endlich die Moderne in die alte, verwinkelte Stadt kommt und welch rühmendes Vorbild die Post und der co op doch seien. Ich bin dann nur kopfschüttelnd rausgegangen und hab’ mir gedacht: Wenn ich gewählt werden sollte, dann heißt meine Mission Altstadtsanierung mit Denkmalpflege und nicht Abriss." Für die "Rose" und vor allem für die alte Post gebe es "bis heute ein gewisses Verlustbewusstsein".

1973: Einweihung der neuen Post. Sie wurde bis dahin komplett fertiggestellt. Im selben Jahr erfolgt der Abriss des Amtgerichtsgebäudes neben St. Sebald. So entsteht Raum für die Tiefgarage und die Parkplätze für das neue Sparkassengebäude am heutigen Sablaiser Platz.

1985: Die CSU startet zusammen mit einigen Schwabacher Architekten im Stadtrat eine Initiative mit dem Ziel, die Fassade des "co op" so zu verändern, dass sie besser zur Altstadt passt. Doch die "co op"-Verantwortlichen lehnen ab.

1986: Abriss des Gebäudes Ludwigstraße 11. In dem 1835/36 errichteten Haus neben dem Amtsgericht waren unter anderem die Sparkasse, die Bayerische Vereinsbank, das Jugendzentrum und zuletzt die Stadtbücherei untergebracht. Heute steht dort die Goldschlägerskulptur.

Unter Druck gestanden

Hartwig Reimann, damals längst Oberbürgermeister, sieht diese beiden Abrisse und die Neugestaltung in der Ludwigstraße heute selbstkritisch: "So entstand ein Platz, der für die kleinen Schwabacher Maßstäbe viel zu groß ist." Damals seien aber die Pläne der Sparkasse im Vordergrund gestanden. Zudem habe das Bundesstraßenbauverwaltung Druck gemacht, die Kreuzung mit der Bundesstraße 2 zu vergrößern.

2020: Schon seit 20 Jahren ist im ehemaligen "co op" der Drogeriemarkt Müller. Die Firma Mode Frenzel hat das Geschäftshaus gegenüber komplett saniert. Große bauliche Veränderungen in Form von Abrissen oder Neubauten aber hat es seit 1986 nicht mehr gegeben.

Spannender Ort für die Stadtentwicklung

Der heutige Oberbürgermeister Peter Reiß, Jahrgang 1990, nimmt den Postplatz "vor allem als Straßenkreuzung" wahr und schaut nach vorne: "Das ist ein spannender Ort für die Stadtentwicklung, daraus kann man was machen. Das ist eine Chance für eine bessere Verbindung zur Innenstadt."

 

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