Impriorisierung

Die Priorisierung endet, aber der Impfstoff ist zu knapp

19.5.2021, 06:00 Uhr
Auch wenn die Priorisierung endet: Es ist nicht genug Impfstoff da, um alle Impfpässe gleich zu füllen.

© Stefan Bomhard, NN Auch wenn die Priorisierung endet: Es ist nicht genug Impfstoff da, um alle Impfpässe gleich zu füllen.

Die Nachricht macht allen Impfwilligen Hoffnung. Seit Montag ist in Bayern die Priorisierung in Haus- und Facharztpraxen aufgehoben. Zunächst für die Impfstoffe Astrazeneca und Johnson&Johnson, ab Donnerstag auch für Biontech und Moderna. Bundesweit soll die Aufhebung ab 7. Juni gelten. Haben damit auch Jüngere die Chance, schneller einen Corona-Schutz zu erhalten? Theoretisch ja. Und in der Praxis?

"Grundsätzlich ist das eine gute Idee", sagt Peter Roch, der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbandes Südfranken. Doch schon im nächsten Satz folgt die Einschränkung: "Wenn wir genügend Impfstoff hätten, wäre das auch kein Problem." Doch genügend Impfstoff hat er nicht, im Gegenteil.


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Beispiel Biontech: Eigentlich stünde ihm in seiner Wolkersdorfer Praxis nach dem Verteilschlüssel Biotech für 72 Patientinnen und Patienten zu. "Erhalten habe ich diese Woche aber nur genug für 28", berichtet Roch. Hinzu kommen noch rund 50 Astrazeneca. Johnson & Johnson sowie Moderna: völlige Fehlanzeige.

"Das führt zu Frust"

Das bedeutet: "Ich muss weiter priorisieren, um den Älteren über 60 und Vorerkrankten gerecht zu werden. Sie haben einfach ein höheres Risiko", erklärt der Hausarzt. Die Reaktion: "Das führt natürlich zu Frust bei den Jüngeren."

Peter Roch, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Südfranken.

Peter Roch, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Südfranken. © Gerner, NN

Aber auch bei den Ärzten und den Praxisteams: "Durch den Wegfall der Priorisierung werden Begehrlichkeiten geweckt, die wir aber nicht erfüllen können. Wir würden gerne mehr impfen und wir könnten das auch. Bis zu rund 100 in der Woche. Aber dazu brauchen wir Impfstoff." Von den Rekordimpfungen, die Gesundheitsminister Spahn verkündet, hat Roch zumindest noch nichts gespürt.

Kaum Chancen für Drängler

Insgesamt sei die Stimmung angespannt. "Viele Patienten haben Verständnis, viele aber auch nicht. Das ist für meine Damen an der Anmeldung nicht leicht", berichtet Roch. Gibt es auch die viel zitierte Impfdrängelei? "Drängler gibt es immer wieder. Manche versuchen es in mehreren Praxen." Große Chancen haben sie aber nicht. "Wir Hausärzte kennen unsere Patienten."

Zwei Fälle mit ernsthaften Nebenwirkungen

Seit März hat Roch rund 350 Patienten gegen Corona geimpft. Seine Erfahrung: "Die Impfungen schützen vor schweren Verläufen." Nebenwirkungen? "Bisher hatten wir zwei ernsthafte Fälle. Einmal gab es Einblutungen nach einer Biontech-Impfung, einmal hohes Fieber über 40 Grad nach Astrazenea."


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Gerade bei Astrazeneca sei der Beratungsaufwand besonders groß. Das liege zum einen an der medialen Berichterstattung über Nebenwirkungen wie Gehirnthrombosen, aber auch an der Urlaubsplanung. Denn bei Biontech muss man vier bis fünf Wochen auf die Zweitimpfung warten, bei Astrazenena aber neun bis zwölf, um den vollen Impfschutz zu erhalten.

"Dann aber ist die Zeit für Sommerurlaub fast vorbei. Allerdings haben wir in Bayern den Vorteil, dass die Sommerferien erst spät beginnen", sagt Roch. Vor einer vorzeitigen Zweitimpfung, nur um in Urlaub fahren zu können, rät er ab, weil die Impfwirkung niedriger ist.

"Jeder muss für sich entscheiden"

In den vergangenen Tagen hatten das RKI und Dr. Christian Drosten nochmals dringend zur Impfung geraten. Denn auf Dauer gebe es nur die Alternative Impfung oder Infektion.

Peter Roch sieht das nicht ganz so: "Ich dränge niemanden. Das würde auch nur Vertrauen zerstören. Man muss individuell und sorgfältig beraten. Jeder muss das für sich entscheiden. Nach meiner Erfahrung wollen sich 60 bis 70 Prozent impfen lassen, 10 bis 20 Prozent sind unentschlossen, 10 bis 20 Prozent wollen eher nicht. Ich akzeptiere das. Für einen gesunden 20-Jährigen sieht die Abwägung eben anders aus und die Langzeitwirkungen sind noch unklar. Wir alle sind noch in einer Lern- und Findungsphase."

"Wir bekommen unseren Sommerurlaub"

Die Zukunft aber sieht er positiv: "Irgendwann muss die angekündigte Masse an Impfstoffen ja kommen", sagt Peter Roch. "Ich gehe davon aus, dass bis Ende Juli jeder ein Impfangebot bekommen wird. Wir werden Corona meistern." Wird es also doch der selbst von Karl Lauterbach angekündigte "super Sommer"?

"Ich denke, wir werden unseren Sommerurlaub bekommen. Zumindest in Deutschland und im nahen Ausland wird er definitiv möglich sein." Gleichzeitig appelliert Roch an die Vernunft: "Hygienemaßnahmen bleiben weiter sinnvoll und nötig. Das Bussi links und Bussi rechts sollte es eher nicht mehr geben."

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