Die Stubensandsteinhöhle: Weißer Sand aus Wildenbergen

20.1.2013, 09:22 Uhr
Die Stubensandsteinhöhle: Weißer Sand aus Wildenbergen

© Archiv Hans Schmitt, Archiv: Hannelore Walter

Das idyllisch gelegene Dorf, versteckt hin­ter dem Teufelsberg, wurde nicht ein­mal von den Horden des Dreißigjähri­gen Krieges entdeckt.

Heute gehört es zur Gemeinde Rohr. Was vielen nicht mehr bekannt ist: Wildenbergen besitzt ein von Menschenhand geschaffenes kulturgeschichtliches Denkmal, nämlich eine sogenannte „Stubensandsteinhöhle“ größeren Ausmaßes. Der Heimatkundler Friedrich Seyferth stellt sie vor:

Sie ist die größte ihrer Art in Mittelfranken. Ihre Ausdehnung misst in der Länge rund 90 Meter, an der breitesten Stelle etwa 45 Meter bei einer Höhe von 1,70 bis 3,50 Meter. Die Stubensandsteinhöhle liegt verschlossen am östlichen Ortsrand. Leute wie der 80-jährige Georg Schwab aus Wildenbergen, der 90-jährige Georg Bindner aus Leitelshof und die heutige Besitzerin Hannelore Walter aus Oberreichenbach können sich an die Höhlen noch gut erinnern und besitzen auch Fotos und andere Dokumente.

Die Stubensandsteinhöhle: Weißer Sand aus Wildenbergen

© Archiv: Hannelore Walter

Alter unbekannt

Auch die „Unterrichtshilfen“ für das Schwabach-Rother Land des Volksschullehrers Christoph Haag aus dem Jahr 1956 dokumentieren mit Zeichnungen und Texten sehr anschaulich den Sandabbau in der Höhle. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Stubensand, auch Fegesand genannt, aus der Höhle abgebaut. Dadurch entstand eine größere Anzahl von Gängen, Stollen und Hohlräumen, ähnlich einem Bergwerk. Mächtige Säulen aus Felsen tragen die vielen Gewölbe dieses unterirdischen Labyrinths. Leicht konnte man sich darin verirren.

Das Alter der Höhle ist nicht bekannt. Da der Sand nur von Hand abgebaut wurde, dürfte diese auf Grund ihrer Größe schon einige Jahrhunderte bestehen. Für das notwendige Licht sorgten die Kienholzfackeln, später Karbidlampen.

Der feine weiße Sand diente als Scheuermittel zum Reinigen der Tische, Fässer, Töpfe und Hände sowie zum Bestreuen der Fußböden, um den von den Schuhen gefallenen Schmutz zu binden.

Die Stubensandsteinhöhle: Weißer Sand aus Wildenbergen

Sand für die Stadt

Auch ein schwungvoller Handel wurde damit betrieben. Von Sandträgern und „Buttenweibern“ oder auf Leiterwagen mit blechernen Butten wurde der Sand in die Stadt gebracht. Die heutigen chemischen Reinigungsmittel gab es damals noch nicht.

Wie Georg Schwab aus Erzählungen zu berichten wusste, war die frühere Gaststätte „Zum scharfen Eck“ von Andreas Gramming in der Hördlertorstraße 19 in Schwabach bis zuletzt noch ein regelmäßiger Abnehmer des Stubensandes.

Der 90-jährige Altsitzer Georg Bindner aus Leitelshof dürfte einer der letzten Zeitzeugen sein, der als Kind mit seiner Mutter und seinen älteren Brüdern Ende der 1920er Jahre noch mit dem Leiterwagen, einem Sack und einer Kehrichtschaufel den feinen Fegesand aus der Höhle in Wildenbergen holten und die Wohnstube damit einstreuten.

Bis nach dem Ersten Weltkrieg befand sich nahe dem Eingang die „Gaststätte zur Höhle“ von J. Eberlein. Der Wirt dürfte wohl die hungrigen und durstigen „Sander“, aber auch Ausflügler versorgt haben. Auch habe dieser damals Führungen durch die Höhle veranstaltet. Wildenbergen war früher bereits ein viel besuchter Ausflugsort.

1952 verschollen in der Höhle

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges mussten in Wildenbergen bei Bauern untergebrachte französische Kriegsgefangene den bereits damals zugeschütteten Höhleneingang wieder freischaufeln, um einen Schutzraum für die dortigen Bewohner zu schaffen.

Im Jahre 1952 fuhren drei 14-jährige Oberrealschüler aus Schwabach mit ihren Fahrrädern nach Wildenbergen und stellten diese beim Anwesen „Eberlein“ ab. Mit Kerzen und Stöcken ausgerüstet, begaben sie sich in den Altteil der Höhle. Dort weisen rote Pfeile an den Wänden in Richtung des Ausganges.

Als die Fahrräder abends noch immer dort standen, machte man sich Sorgen um die Buben. Einige Bewohner begaben sich zusammen mit der inzwischen verständigten Polizei, ausgerüstet mit Lampen und Seil, auf die Suche in die Höhle. Dort fanden sie die Verschollenen und führten sie wohlbehalten wieder heraus. Ihnen wären die ausgegangenen Kerzenlichter beinahe zum Verhängnis geworden

Ruhe bewahrt

Einer dieser Buben war Dieter Reil, später Apotheker in Nürnberg, Sohn des damaligen Volksschullehrers Eugen Reil an der Kasernschule in Schwabach. Er erzählte, dass sie von der Höhle in Wildenbergen wussten und die Neugier nach dem unterirdischen Unbekannten sie antrieb, dort hinzufahren und hineinzugehen. Sie verbrachten dort einige Stunden. Nachdem die Kerzen heruntergebrannt waren, standen sie im Dunkeln. Es kam Angst auf. Sie haben sich dann an Ort und Stelle ruhig verhalten und auf die erhoffte Hilfe gewartet.

Die Retter aus Polizei und jungen Männern vom Ort lobten ihr Verhalten, da es in der Höhle auch Vertiefungen mit Wasserlöchern gibt, wodurch es hätte schlimmer kommen können.

Um weitere Gefahrensituationen – auch durch plötzliche Einstürze in dem weitverzweigten Höhlensystem – zu vermeiden, wurde daraufhin der Eingang erneut zugeschüttet.

1974 Letzte Höhlen-Exkursion

Die letzte Höhlen-Exkursion fand 1974 mehr durch Zufall statt. Ein Landwirt war mit seinem Traktor beim Anwesen Eberlein plötzlich eingebrochen. Dabei wurde wieder ein Zugang zur Höhle geöffnet. Für einige Tage gab es Gelegenheit, das Labyrinth zu besichtigen. Einige Heimatfreunde, darunter ein Tagblatt-Redakteur, nutzten die Gelegenheit. Dabei entstanden die letzten Fotos von der Höhle. Der Zugang wurde aus Sicherheitsgründen bald darauf wieder zugeschüttet.

Weitere Stubensandsteinhöhlen gab es in Nürnberg-St. Johannis, bei Barthelmesaurach, Eckershof „Rattatashöhle“, Gaulnhofen, Wolkersdorf und am nordwestlichen Stadtrand von Schwabach nahe der Regelsbacher Straße. Bedauerlicherweise wurden die meisten Höhlen mit Schutt und Müll aufgefüllt.

Ungefährlich waren die Höhlen nicht. Im Jahr 1885 kam die „Hammerwirtin“ von Katzwang in der Höhle in Gaulnhofen durch einen Deckeneinsturz ums Leben.

Zukunftsvisionen

Könnte diese Stubensandsteinhöhle vielleicht auch nur in einem kleinen Teilbereich wieder gefahrlos für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wäre dies eine weitere Bereicherung für Wildenbergen. Sie ist ein Kleinod in unserer Region, die es verdient, auch für unsere Nachfahren erhalten zu werden.

Sicher wäre dies nicht die Aufgabe der Eigentümerin, sondern nur mit Hilfe und in Verantwortung der öffentlichen Hand denkbar.

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