Die Vollendung einer Unvollendeten

18.7.2012, 08:18 Uhr
Die Vollendung einer Unvollendeten

© Gerner

Nein, es ist wohl eher der Umbau eines bis 1992 militärisch genutzten Gebiets zu einem neuen Stadtteil, sagt Oberbürgermeister Matthias Thürauf. Angesichts eines solchen Satzes er-scheint es nur logisch, dass jetzt in einer 36-seitigen Broschüre diese Entwicklung nachgezeichnet wird.

„Von der Kaserne zum O’Brien-Park“ heißt das Heft im DIN-A-4-Format, für das der scheidende Stadtbaurat Volker Arnold, Hans Werner Bakeberg, Dieter Blase und Claudia Wöpke verantwortlich zeichnen.

Schwabach und die „Kaserne“, diese Verbindung gibt es seit bald 80 Jahren. Schon 1934 stellte die Stadt den Nazis das gut 22 Hektar große Areal zur Verfügung, die Erschließung gab es obendrein kostenlos dazu. Das NS-Regime zog 1935 innerhalb von wenigen Monaten eine kleine Garnisonsstadt hoch. Sie blieb nicht nur bis zum Ende des Krieges, sondern auch nach 1945, als die Amerikaner die „O’Brien-Barracks“ gut 45 Jahre lang nutzten, irgendwie ein Fremdkörper in der Stadt.

Doch Anfang der 1990 wurde die Kaserne zivil. Im August 1991, der Eiserne Vorhang war löchrig geworden, der Kalte Krieg war vorbei, kündigten die Amerikaner an, den Standort Schwabach zu schließen. Schon im Oktober 1991 zog das erste Bataillon ab, im Dezember 1991 das zweite. Geräumt war das Gelände im Mai 1992, also vor gut 20 Jahren.

Und danach? Die Grundstücke fielen nicht an die Stadt Schwabach, sondern an den Bund. Und der machte es Schwabach mit seinen Preisvorstellungen für den Verkauf der Flächen nicht immer einfach. Die Rechtsstreitigkeiten zogen sich über neun Jahre hin, erst 2009 wechselten die letzten Grundstücke den Eigentümer.

Die Vollendung einer Unvollendeten

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Rasante Entwicklung

Trotzdem schien zu Beginn der 1990er Jahre eine rasante Entwicklung einzusetzen. Der Stadtrat stellte schon die Weichen in Richtung zivile Nutzung, noch während die letzten US-Soldaten Dienst schoben. Der nördliche Teil des Kasernengeländes konnte relativ schnell in ein Gewerbegebiet umgewandelt werden. Das Stadtmuseum, die Stadtwerke und das Baubetriebsamt zogen hierher um, es folgten viele Firmen, das Existenzgründerzentrum Schwung, das Technische Hilfswerk Schwabach und das Sonderpädagogische Förderzentrum.

Auch ganz im Süden tat sich etwas: Die ersten Wohnhäuser entstanden. Doch dazwischen herrschte viele Jahre lang Stillstand. „Als Planer waren wir natürlich unzufrieden. Aber die lange Umbauphase bot auch immer wieder die Möglichkeit, innezuhalten und die Entwicklung zu reflektieren und zu korrigieren“, sagt Hans Werner Bakeberg, Mitautor der neuen Broschüre. Bakeberg war bis vor zweieinhalb Jahren selbst Chef des Stadtplanungsamts und hat den Weg von der Kaserne bis zum O’Brien-Park damit live erlebt.

Beim Umbau des Kasernengeländes ging Schwabach seinen eigenen Weg. Während andere ehemalige Garnisonsstädte die Militärbauten wie eine Altlast schnell entsorgten, um neues Bauland ausweisen zu können, wollte die Stadt zumindest einen Teil der Gebäude erhalten. „Mehr als 70 Prozent der alten Bausubstanz ist heute noch zu sehen“, sagt Bakeberg nicht ohne Stolz. Nur die Nutzung hat sich geändert. In ehemaligen Mannschaftsquartieren entstanden (Loft-)Wohnungen und Betreuungsplätze für Senioren. In den denkmalgeschützten „Stallungen“ um den inzwischen aufgebrochenen Quartiersplatz sowie im ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Unteroffiziers-Casino wurde und wird ebenfalls neuer Wohnraum geschaffen.

Enorme Nachfrage

Dass die Nachfrage nach Immobilien in der Stadt derzeit ungemein groß ist, hat die Entwicklungen der vergangenen drei, vier Jahre sicherlich noch befeuert. „Das Projekt ist jetzt weitgehend geschultert“, sagt Oberbürgermeister Matthias Thürauf. Die Kräne, Bagger und Baufahrzeuge, die jetzt noch das Bild in der ehemaligen Kaserne dominieren, werden wohl spätestens Ende 2013 abgezogen sein. Dann werden im O’Brien-Park rund 600 Menschen arbeiten und mehr als 500 (derzeit 140) leben. „Für die Stadt ist diese Entwicklung des ehemaligen Kasernengeländes ein Meilenstein“, fasst Thürauf zusammen. Lange Zeit sei das Gelände gewissermaßen „eine Unvollendete“ gewesen. „Das ist bald vorbei.“

Wobei natürlich noch längst nicht alles Gold ist, was glänzt. Gastronomisch ist der neue Stadtteil unterversorgt (sieht man einmal von den legendären Pizza-Shops am ehemaligen Kasernen-Eingang ab), auch Einkaufsmöglichkeiten in fußläufiger Entfernung sind dünn gesät. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

An der 20-jährigen Geschichte des Umbaus sollen nicht nur Historiker und Stadtplaner ihre Freude haben, sondern alle Schwabacher. „Deshalb haben wir auch viel Wert darauf gelegt, in unserer Broschüre Infos mit vielen Bildern zu ergänzen und die Fachsprache der Architekten weitgehend zu eliminieren“, sagt Dieter Blase vom Topos team Nürnberg, der zusammen mit Hans Werner Bakeberg für die Redaktion verantwortlich zeichnet.

Die 36-seitige Broschüre „Von der Kaserne zum O’Brien-Park“ ist kostenlos und liegt im Rathaus und an vielen anderen Stellen in der Stadt aus. Sie hat eine Erstauflage von 1000 Stück.

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