Ein Korb für die Bayern

6.6.2021, 17:00 Uhr
Ein Korb für die Bayern

© Archiv: Hans Schmitt.

Eigentlich könnte man mit Geschichten über Manfred „Manni“ Ritschel viele Zeitungsseiten füllen. Über seine Zeit beim SV Unterreichenbach, von wo aus er den Weg in die große, weite Fußballwelt angetreten hat, oder über seine erfolgreiche letzte Station als Trainer und Funktionär beim SC 04 Schwabach, den er in der Saison 1997/98 in die Bayernliga geführt hat. Wesentlich interessanter sind aber die Geschichten über seine Zeit als Fußballprofi. Und vielleicht sitzt er auch heute – am 75. Geburtstag – in seinem Schlösschen in Sorg in einer ruhigen Stunde einfach nur da und erinnert sich an diese für ihn aufregenden Jahre. Eine Zeit, die – und da übt der Jubilar auch ein wenig Selbstkritik – noch erfolgreicher hätte laufen können, wenn, ja wenn er eine bereits getroffene Entscheidung nicht wieder rückgängig gemacht hätte . . .

Die "Roten Teufel"

Für den SV Unterreichenbach hat Manfred Ritschel zunächst in der Jugend gekickt, danach noch drei Jahre in der Vollmannschaft der "Roten Teufel". Über Bezirksliga sei man leider nicht hinausgekommen. Im weiteren Verlauf seiner Karriere wurde er erneut ein "Roter Teufel" – 23 Mal lief er für den 1. FC Kaiserslautern in der 1. Bundesliga auf. An sein letztes Spiel für den FCK erinnert er sich nicht mehr so gerne, nach Foul von Allan Simonsen (Gladbach) musste er mit gebrochenem Schlüsselbein ausgewechselt werden.

Der größte Fehler

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© Archiv: Hans Schmitt

Es gibt Entscheidungen, die würde man heute nie und nimmer so treffen. Dabei hatte Manni Ritschel zunächst das Richtige getan, als er sich für den FC Bayern München entschied. Aber der Reihe nach: Über den SV Unterreichenbach wechselte er zunächst zum FC Stein in die Landesliga, dann zum ESV Ingolstadt. Der ESV galt damals als Sprungbrett für Talente "Ich hatte Riesenspiele gemacht", erinnerte sich Ritschel "und 18 Tore für Ingolstadt in der Vorrunde erzielt. Dann meldete sich der FC Bayern!" Der legendäre Robert Schwan legte ihm einen Vertrag vor für die neue Saison. "Ich unterschrieb auch", doch dann ließ sich Ritschel von Heiner Vitzthum (Anm. d. Red.: damals Profi in Regensburg) überreden, ebenfalls zum SSV Jahn zu wechseln. "Ich war jung, und wenn du jung bist, bist du manchmal blöd!" sagt Ritschel. Er hätte für sich damals gegen gestandene Bayern-Profis wie Gustl Jung oder Rudolf Nafziger keine Chance auf einen Stammplatz gesehen und sagte den Bayern ab. Was Ritschel nicht wusste: Jung verletzte sich schwer, Nafziger sollte nicht mehr lange spielen. Da wäre sie also gewesen, die Chance. "Eine zweite habe ich von den Münchnern nicht mehr erhalten – das war schon damals so!" ärgert sich Ritschel noch heute darüber, auf Vitzthums Rat gehört zu haben.

Die Nationalmannschaft

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© Archiv: Hans Schmitt.

Die Karriere des Manfred Ritschel verlief auch ohne den FC Bayern ziemlich steil – und dann wurde er zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen. Es wurden aber nur drei Spiele. Zwei in Freundschaft — ein 1:1 bei der WM-Revanche von 1974 gegen Holland und das 0:2 gegen England in Wembley. Ritschel war beeindruckt: ". . . und dann kam die Queen und hat uns Spielern beim Einlaufen die Hand geschüttelt!" Mehr sportliche Bedeutung aber hatte das 1:1 in Sofia gegen Bulgarien in der EM-Qualifikation. Ritschel: "Eigentlich hatte Helmut Schön vor dem Spiel festgelegt, wer einen möglichen Elfmeter schießen sollte, doch Franz (Anm. d. Red.: Beckenbauer) und Paul Breitner winkten ab. Wir lagen im Rückstand, eine Viertelstunde vor Schluss. Hilft nichts, dann war ich an der Reihe und habe ihn reingemacht!" Der Bundestrainer habe damals viel von ihm gehalten, glaubt Ritschel und ihm weitere Einsätze im Nationalteam versprochen. Doch dann kam alles ganz anderes. Eine Rote Karte gegen ihn im Derby mit Kickers Offenbach gegen Eintracht Frankfurt nach Foul an Nationalmannschaftskollege Jürgen Grabowski habe wohl in der Frankfurter DFB-Zentrale ein Umdenken bewirkt, was Ritschels weitere Karriere im Nationalteam betraf. Auf Schiri-Legende Walter Eschweiler, der ihn vom Platz gestellt hatte, war Ritschel ebenfalls nicht mehr gut zu sprechen.

Schalke 04 und BVB

Es gab nicht sehr viele Spieler, die auf eine Vergangenheit bei beiden Traditionsvereinen blicken können. Normalerweise heißt es Schalke oder BVB – wegen der großen Rivalität. Ritschel hatte aber kein Problem damit, für beide Clubs zu kicken: "Mit den Fans hatte ich nie Probleme gehabt, sie haben meine Art, Fußball zu spielen, immer akzeptiert." In Dortmund absolvierte Ritschel in zwei Spielzeiten 62 Partien (acht Tore). Für weit mehr Trouble habe da bei Schalke 04 die Vereinsführung gesorgt, aber das ist ja bei den "Königsblauen" nichts Neues. "Der 1. Vorstand Dr. Hütsch hat unter Trainer Friedel Rausch für die Saison 1977/78 eine Mannschaft zusammengestellt, und dann gab es einen Wechsel an der Vereinsführung. Günter Siebert hat sich von allen Spielern getrennt, die sein Vorgänger geholt hatte. Das war dann auch mein Aus bei Schalke!"

Der beste Trainer . . .

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© Archiv: Hans Schmitt.

". . . war für mich eindeutig Otto Rehhagel", diese Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. Er hatte Manfred Ritschel durch seine Zeit bei den Offenbacher Kickers weitgehend begleitet, erst als Co-Trainer von Gyula Lóránt (1972/73), dann als Chef (1974/75). Auch nach Bielefeld hätte Rehhagel ihn gerne mitgenommen, doch Ritschel winkte ab. Das Ende seiner Karriere "erlebte" er dann bei der SpVgg Fürth, wo er in fast vier Jahren 112 Partien in der 2. Liga bestritt und dabei zehn Tore erzielte. Aber nicht nur Rehhagel habe ihn geprägt, auch sein Trainer beim SV Unterreichenbach, Karl Kipf, hatte großen Anteil an seiner Entwicklung: "Ein talentierter Fußballer war ich schon immer, ich war schnell und dribbelstark! Aber er hat den Ehrgeiz aus mit herausgekitzelt. Er hat mich schon mal mit zwei Medizinbällen unter den Armen den Hang Richtung Brünst hochgeschickt!"

"Meine besten Jahre...

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© Foto: Roland Jainta.

. . . hatte ich in Offenbach", auch für diese Erkenntnis musste Ritschel nicht lange nachdenken. Es war auch die Zeit, als er sich in die Nationalmannschaft spielte. "Wir waren im Sturm sehr stark besetzt. Links Siegfried "Siggi" Held, in der Mitte Erwin Kostedde und rechts ich!" Ritschel konnte auch nachvollziehen, dass er zum Abwehrspieler umfunktioniert worden war: "In einem Test gegen den AC Milan habe ich zum ersten Mal Verteidiger gespielt. Mein Gegenspieler Luciano Chiarugi, damals italienischer Nationalspieler, bekam keinen Stich!" Für die Abwehr wurde Ritschel übrigens auch ins Nationalteam berufen. Die Offenbacher Kickers hatten damals Potenzial für einen Platz in der Bundesliga-Spitze, aber "die Mannschaft war zu teuer für den kleinen Club. Das konnte nicht gut gehen!" Was in ihr steckte, bekamen die Fans beim 6:0 über den FC Bayern am ersten Saisonspieltag der Saison 74/75 zu sehen.

Die schwersten Jahre

Die Gesundheit, sagt man, sei das höchste Gut für einen Menschen. Ritschel weiß, was es bedeutet, gesund zu sein. Er hat schwere Jahre durchmachen müssen, musste einmal reanimiert werden. Zwei Herzinfarkte, fünf Bypass-OPs, eine Herz-Transplantation, 2015 dann die Darmkrebs-OP. Ritschel ist überzeugt, dass der Profifußball und alles, was dazu gehört, an seiner Krankenakte mitgeschrieben haben. "Allerdings hatte ich durch den Profifußball einen robusten Körper, das hat mir geholfen", glaubt der 75-Jährige. "Und ich hatte mein positives Denken!"

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