Ein Monat Corona-Impfung: Es war ein Stotterstart

26.1.2021, 15:15 Uhr
 Ein Monat Corona-Impfung: Es war ein Stotterstart

© Foto: Harald Sippel

Nach Israel sollte man besser nicht schauen. In die Emirate, nach Großbritannien und in die USA, wo die Impfkampagnen gegen das Coronavirus ebenfalls auf Hochtouren laufen, ebenfalls nicht. Deutschlands Zwischenbilanz genau einen Monat nach dem groß angekündigten Start der "Massenimpfung" fällt dagegen ernüchternd aus.

Selbstverständlich ist es ein großer wissenschaftlicher Erfolg, dass genau elf Monate nach dem Nachweis des ersten Falles in Deutschland (27. Januar 2020) schon ein passgenauer Impfstoff zur Verfügung stand (27. Dezember). Und Gesundheitsminister Jens Spahn hat immer wieder schon im Herbst darauf hingewiesen, dass vor allem in den ersten Monaten dieser Impfstoff ein knappes Gut sein wird.

Immer noch in Phase I

Dass aber im ersten Impfmonat in Schwabach noch nicht einmal alle interessierten Hochrisikopatienten in den Alten- und Pflegeheimen ihre erste Spritze erhalten haben konnten, macht doch einigermaßen fassungslos.

Immerhin: "Dieses Projekt können wir in dieser Woche abschließen", sagt Jürgen Ramspeck, der Pressesprecher der Stadt Schwabach. Mit Ach und Krach gelingt das. Denn für die laufende Woche und für Erstimpfungen hat die Goldschlägerstadt exakt 23 Fläschchen des Wirkstoffs von Biontech/Pfizer erhalten. Daraus lassen sich im Optimalfall 138 Spritzen ziehen.

Hinzu kommen die Zweitimpfungen von Personen, die Anfang Januar erstmals gepiekst worden sind. Erst mit dieser zweiten Impfung ist der Impfschutz, der zu 95 Prozent vor einer schweren Covid-19-Erkrankung schützen soll, komplett.

Bitte etwas mehr Tempo

Trotzdem: Wenn es in diesem Tempo weitergeht, dann werden bis Ende des Sommers, anders als von Kanzlerin Merkel versprochen, nicht alle Interessierten ein Impfangebot erhalten haben. Sondern höchstens alle über 80-Jährigen oder alle über 75-Jährigen.

Aber: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. "Wir hoffen halt, dass wir irgendwann in eine Phase der regelmäßigen Belieferung mit Impfstoff kommen", sagt Pressesprecher Ramspeck. "Dann können wir auch das Impfzentrum wieder hochfahren." Das wird möglicherweise noch etwas dauern.

Von der Hand in den Mund

Derzeit jedoch lebt bei der Stadt, die das Impfzentrum gemeinsam mit Ärzten, dem BRK und den Johannitern betreibt, jedenfalls von der Hand in den Mund. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer kommt gewissermaßen tröpfchenweise.

Von dem ebenfalls in Europa zugelassenen Vakzin von Moderna, das in Nürnberg schon fleißig verimpft wird, hat man in Schwabach überhaupt noch nichts gesehen. Laut Ramspeck soll "nächste Woche eine erste Charge" geliefert werden. "Aber das ist unter Vorbehalt. Bestätigt ist das nicht."

"Game-Changer", vielleicht

Der Wirkstoff von AstraZeneca, den Experten noch vor wenigen Wochen aufgrund seiner schieren Menge als "Game-Changer" bezeichnet haben und der wohl noch diese Woche in Kontinentaleuropa zugelassen wird, erweist sich zwar nicht als Rohrkrepierer, hat aber mindestens einen Nachteil: Auch von diesem Produkt wird im ersten Quartal deutlich weniger geliefert als vereinbart – die gleiche Nachricht hatte es schon von Biontech gegeben.

Wenn man es genau nimmt, dann ist das Schwabacher Impfzentrum nicht ganz heruntergefahren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sitzen an den Telefonen und den Rechnern und registrieren Anrufe und Mails von Impfwilligen. Wann diese einen Termin bekommen, steht aber nicht fest. Auch in dieser Woche wird das Impfzentrum seinen Namen mangels Impfstoff nicht gerecht.

Fast ausschließlich mobile Teams

Insofern war es im Nachhinein vielleicht gar keine schlechte Entscheidung, im Landkreis Roth das Impfzentrum in Roth zwar startklar zu machen, es aber noch gar nicht zu öffnen. Der Kreis hat im ersten Impfmonat mit ein paar ganz wenigen Ausnahmen ausschließlich auf seine mobilen Teams gesetzt.

2685 Impfdosen wurden seit dem Impfstart geliefert – und bis zum gestrigen Dienstag auch verimpft – und zwar an 1771 unterschiedliche Frauen und Männer. Hintergrund: Erst mit der zweiten Spritze wird der Impfschutz komplettiert. 914 Hochrisikopatienten aus Alten- und Pflegeheimen, ihre Pflegenden sowie medizinisches Personal können vorerst einen Haken unter das Thema Coronaimpfung machen.

Weitere Dosen angekündigt

Wenn alles gut geht, können in dieser Woche weitere 900 Spritzen gesetzt werden. So viele Dosen sind nämlich angekündigt: 350 Dosen für Erstimpfungen, weitere 550 für die anstehenden Zweitimpfungen.

Ähnlich wie der Schwabacher Pressesprecher Jürgen Ramspeck mahnt aber auch seine Rother Kollegin Andrea Raithel vom Landratsamt zur Vorsicht und vor allzu großem Optimismus: "Es handelt sich bei diesen Zahlen um Ankündigungen. Ob diese tatsächlich so eintreffen, lässt sich noch nicht sagen."

Trotzdem: 900 Dosen klingen nach vergleichsweise viel. Aber allzu weit kommt man damit nicht. Raithel hat den Bedarf für die vordringlich zu impfenden Menschen innerhalb der ersten Prioritätengruppe für unsere Zeitung aufgeschlüsselt: 2604 Dosen für 1302 Interessierte benötigt man für impfwillige Senioren und die dortigen Mitarbeiter in den 15 größeren Alten- und Pflegeeinrichtungen im Landkreis. Fünf dieser 15 Einrichtungen sind komplett durchgeimpft, in zehn fehlt noch die Zweitimpfung.

Jetzt: Behinderteneinrichtungen

Als nächstes stehen die Impfungen in den großen Behinderteneinrichtungen (Auhof, Regens Wagner Zell, Lebenshilfe) auf dem Programm: 3260 Impfdosen für geschätzte 1630 Menschen mit Handicaps und ihre Betreuer (eine 60-prozentige Impfbereitschaft vorausgesetzt).

Senioren im Heimen, Behinderte und Betreuer kommen damit auf rechnerisch 5864 Impfdosen für den kompletten Impfschutz.

Noch einmal etwa so viele sind nach Schätzungen des Landratsamtes nötig für ebenfalls vorrangig zu impfendes medizinisches Personal in der Klinik, für Rettungsdienstmitarbeiter, Kräfte in der ambulanten Pflege und für Ärzte und Ärztinnen. Diese Impfungen sind ebenfalls angelaufen.

Das kann noch dauern

Macht summa summarum über 10 000 Spritzen, ehe alle übrigen über 80-Jährigen dann im Impfzentrum Roth beziehungsweise in den angedachten Außenstellen in Rohr, Spalt und Greding an die Reihe kommen. Das kann also durchaus noch die eine oder andere Woche dauern.

Derweil hat Israel angekündigt, bis Ende März die gesamte Bevölkerung geimpft zu haben. Aber dorthin – siehe oben – wollten wir ja auch nicht schauen. Auch weil der Vergleich, was zum Beispiel die Weitergabe von in Deutschland streng geschützten Daten an den Impfstoff-Hersteller angeht, zugegebenermaßen hinkt.

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