Eine Niederlage, die als Höhepunkt gilt

18.5.2020, 08:50 Uhr
Eine Niederlage, die als Höhepunkt gilt

© Foto: Eintracht-Frankfurt-Museum

Dass es deutlich mit 3:7 verloren ging, hat seiner Popularität bei den Eintracht-Fans keinen Abbruch getan. Im Gegenteil. "Bis heute bekomme ich Autogrammwünsche", erzählt er schmunzelnd.

Sehr gute Fußballer hat Schwabach einige hervorgebracht. Roland Wabra wurde in den sechziger Jahren als Torhüter mit dem 1. FC Nürnberg zweimal Deutscher Meister und einmal Pokalsieger. Manfred Ritschel schaffte es in den Siebzigern sogar bis in die Nationalmannschaft.

Egon Loy aber ist der einzige Schwabacher, der jemals in einem Europacup-Endspiel gestanden hat.

Vom TSV 04 ist er 1954 nach Frankfurt gewechselt. Dort hat er sich als Torhüter der erfolgreichsten Eintracht-Elf aller Zeiten einen festen Platz in der Vereinsgeschichte erspielt.

Am Telefon erlebt man ihn bei guter Gesundheit und in entspannter Stimmung. Das Interview mit ihm ist ein Gespräch über ein Stück Fußballgeschichte. Egon Loy über...

 

...die Zeit beim TSV 04

 

"Geboren bin ich in Essen. Meine Eltern kamen aus Schwabach. Als wir während des Krieges ausgebombt wurden, kehrte die Familie nach Schwabach zurück. Beim TSV spielte ich zuerst in der Jugend, dann in der Bayernliga in der 1. Mannschaft. Größter Erfolg war 1952 das Erreichen des Halbfinales der Deutschen Amateurmeisterschaft. Dort verloren wir gegen den späteren Sieger Schwenningen 1:5. Dennoch hatten wir eine gute Mannschaft etwa mit den Gebrüdern Bundschuh oder Waldemar Schweinberger. Eine wunderbare Zeit."

 

...den Wechsel zur Eintracht

 

"Mit der bayerischen Amateurauswahl haben wir dreimal den Länderpokal der Amateure gewonnen. So bekam ich viele Angebote, unter anderem vom Club, dem 1. FC Köln, dem FC Augsburg und den beiden Münchner Vereinen. Für die Eintracht entschieden habe ich mich, weil es das seriöseste Angebot war und mir eine sehr gute berufliche Perspektive neben dem Fußball bot. Das war damals ganz wichtig."

 

...die Deutsche Meisterschaft 1959

 

"Ein 5:3 nach Verlängerung im Endspiel in Berlin ausgerechnet gegen Kickers Offenbach. Zwischen den Fans herrschte schon damals riesige Rivalität. Unter uns Spielern war die aber nicht so groß. Bis heute ist das die einzige Meisterschaft der Eintracht. Durch sie waren wir für den Europacup der Landesmeister qualifiziert."

 

...den Weg ins Endspiel

 

"Im Viertelfinale schlugen wir den Wiener SK, der Juventus Turin ausgeschaltet hatte. Im Halbfinale ging es dann gegen die Glasgow Rangers. Das war damals schon eine Profimannschaft. Ich dagegen war beim Hinspiel noch bis halb drei in der Arbeit, und abends haben wir dann gespielt. Die Rangers haben uns nicht für voll genommen. Und wir haben dann im Waldstadion 6:1 gewonnen. Die Stimmung war einmalig. Auch das Rückspiel im Ibrox-Stadion gewannen wir 6:3."

 

...das Finale gegen Real 1960

 

"Real hatte ja schon alle vier bisherigen Europacups gewonnen. Wir waren die erste deutsche Mannschaft überhaupt in einem solchen Finale und krasser Außenseiter. Dabei gingen wir durch Richard Kreß sogar früh in Führung. Da dachte ich: Jetzt müsste es vorbei sein. Wir hatten sogar die große Chance zum 2:0, aber auch das hätte nicht gereicht. Die waren uns einfach um Klassen voraus. Puskas, Di Stefano, Gento, Santamaria: Real hatte Weltklasseleute, die ein ganz großes Spiel gemacht haben. Nach dem 3:7 waren wir zunächst schon etwas enttäuscht, und für mich als Torwart war es auch ein wenig deprimierend. Aber Madrid hätte auch zehn Tore schießen können, so viele Chancen hatten sie. Dennoch war es ein tolles Erlebnis vor der Rekordkulisse von 128 000 Zuschauern im Glasgower Hampden-Park. Von Real erhielten wir zur Erinnerung eine Uhr mit dem Vereinsemblem. Die habe ich bis heute aufbewahrt. Dieses Spiel war der Höhepunkt meiner Laufbahn."

 

...das DFB-Pokalfinale 1964

 

"Da haben wir gegen 1860 München 0:2 verloren. Das war an einem Samstag. Am Sonntag flog die Mannschaft für drei Wochen nach Südafrika. Das wollte natürlich keiner verpassen, niemand wollte sich noch verletzten. Die Münchner Löwen haben dann verdient gewonnen."

 

...die Rolle des Geldes

 

"Profi war ich nie. Auch nicht, als 1963 die Bundesliga eingeführt wurde. Es gab ein Fixum von 150 Mark im Monat. Wenn man vier Mal gespielt hat, bekam man vier Mal zehn Mark Auflaufprämie. Dazu gab es 50 Mark für einen Heimsieg und 75 für einen Auswärtserfolg. Wenn es gut lief, hat man über 300 Mark im Monat durch den Fußball verdient. Das war damals für uns gutes Geld."

 

...ein Angebot aus Argentinien

 

"Vor der WM in England 1966 wollte Argentinien zur Vorbereitung noch gegen eine europäische Mannschaft spielen. So wurde die Eintracht eingeladen und wir spielten zweimal gegen die Nationalelf. Das erste Spiel haben wir verloren, das zweite gewonnen. Dann bekam ich ein Angebot von den Boca Juniors aus Buenos Aires. Aber letztlich blieb ich lieber in Frankfurt."

 

...das Karriereende 1967

 

"Von Benfica Lissabon war Trainer Elek Schwartz zur Eintracht gekommen und hat Vormittagstraining eingeführt. Da musste ich mich irgendwann entscheiden zwischen Fußball und meinem Beruf. Mit Peter Kunter hatte die Eintracht einen jungen Torwart, der Zahnmedizin studierte und mehr Zeit zum Trainieren hatte. Er war eine Art Ziehsohn für mich und wurde mein Nachfolger. Mit 35 Jahren habe ich gesagt: Feierabend."

 

...Weltmeister Jürgen Grabowski

 

"Mit ihm habe ich noch zusammen gespielt. Damals war er noch ein ganz junger Kerl, der etwas zerbrechlich wirkte. Aber sein großes Talent war unübersehbar. Ein ganz toller Fußballer."

 

...den Kontakt zur Eintracht

 

"Ich habe eine Ehrendauerkarte und besuche die Heimspiele sehr gerne. Zu früheren Mannschaftskameraden habe ich noch immer Kontakt. Das ist einmalig. Auch zur Saisoneröffnung bin ich eingeladen und schreibe Autogramme. Die Mannschaft von 59/60 ist noch immer ein Begriff."

 

...die Verbindung mit Schwabach

 

"Leider ist auch meine Schwester verstorben, nun habe ich keinen Verwandten mehr in der Stadt. Deshalb habe ich keine Verbindung mehr."

 

...die "Geisterspiele"

 

"Eigentlich halte ich nicht besonders viel davon. Beim Fußball muss sich doch auch auf den Rängen etwas tun. Die Fankurve mit ihren Gesängen und der tollen Choreographie spielt ja normalerweise richtig mit. Das fehlt jetzt. Aber die Vereine brauchen die TV-Gelder unbedingt."

 

...den Blick zurück

 

"Ich bin zufrieden. Bei der Eintracht bin ich seit 66 Jahren Mitglied und habe allerhand erlebt. Auch nach meiner Fußballer-Karriere bin ich in Hessen geblieben und habe mich immer wohl gefühlt. Frankfurt war die richtige Entscheidung."

GÜNTHER WILHELM

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