Evangelische Kirchengemeinde St. Martin hat nun einen "Geschichtsbeauftragten"

15.10.2020, 05:59 Uhr
Evangelische Kirchengemeinde St. Martin hat nun einen

© Foto: Günther Wilhelm

"Für uns ist es einfach ein Glücksfall, dass Herr Kummer nach Schwabach gezogen ist", sagt Pfarrer Dr. Paul-Hermann Zellfelder über den 56-Jährigen.

Der pensionierte Berufssoldat war im diplomatischen Dienst bei der NATO und hat sich dienstlich mit Militärgeschichte befasst. Forschung und Dokumentation sind für ihn also nichts Neues. Entsprechend hoch ist sein Anspruch an sich selbst: "Mein Grundsatz ist wissenschaftlich fundierte Arbeit", betont Michael Kummer. Pfarrer Zellfelder ist froh, jemand mit dieser Erfahrung und Kompetenz für diese Aufgabe gewonnen zu haben.

Doch auch Michael Kummer spricht von einem "großen Glück", das die Kirchengemeinde St. Martin für ihn bedeute: "Als ich mit meiner Frau vor zweieinhalb Jahren nach Schwabach gekommen bin, da haben wir gleich am Anfang das ,Laufmahl‘ der Kirchengemeinde besucht und sofort sehr viele Leute kennengelernt. So bin ich zum Türmer-Team der Stadtkirche gekommen. Das war totaler Zufall." Aus dem ist mittlerweile ein rein ehrenamtliches, dennoch aber sehr ernsthaftes Engagement erwachsen.

Zellfelder: "Ein Verpflichtung"

Weshalb St. Martin einen Geschichtsbeauftragten braucht? "Die Pflege und Weitergabe der Geschichte der Kirchengemeinde sind eine Verpflichtung gegenüber zukünftigen Generationen", skizziert er die Grundidee. "Der Geschichtsbeauftragte soll das kirchengemeindliche Langzeitgedächtnis im Blick haben."

Zum einen ist Michael Kummer deshalb ein "Koordinator". Ob Kapitelsbibliothek oder Kirchenbücher, ob Gemeindebriefe oder Tagblatt-Artikel über kirchliche Themen, ob Protokolle von Kirchenvorstandssitzungen oder Plakate zu Veranstaltungen, ob archivierte kirchliche Gegenstände oder Bilder im Fotoarchiv: Beim Geschichtsbeauftragten sollen all diese Fäden künftig zusammenlaufen.

Gleichzeitig widmet sich Michael Kummer weiter der konkreten Forschungs- und Projektarbeit. Dabei wählt er bewusst aus. Das für die Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde ganz zentrale Thema Reformation wird dabei aber kein Schwerpunkt sein. Der Grund: "Die Reformation in Schwabach ist bereits sehr, sehr gut aufbereitet", erklärt Michael Kummer. Zudem ist er bereits gut ausgelastet.

Ein Überblick

Türmer-Geschichte: Sie erforscht er quasi seit er in Schwabach ist. "Mich interessieren vor allem die Geschichten hinter der Geschichte", sagt er. Akribisch hat er deshalb zum Beispiel die Biographie des letzten Türmers Johann Kurz nachgezeichnet, der bis 1911 mit seiner Frau und fünf Kindern in den engen Stuben im Turm der Stadtkirche gewohnt hat. Dazu hat es 2019 einen Informationsabend in der Stadtkirche gegeben. "Doch die Geschichte ist noch lange nicht auserzählt. Zwischen 1560 und 1730 ist eine Lücke. Da will ich noch die Namen aller Türmer herausfinden."

Historische Kapitelsbibliothek: Als stellvertretender Betreuer unterstützt er Karsten Volland, der sich um die teils Jahrhunderte alten Bücher hauptverantwortlich kümmert.

Ausstellung "600 Jahre Stadtkirche": Eng hat Michael Kummer mit dem Stadtmuseumsleiter Tobias Schmid und Kuratorin Andrea Kefer bei der Vorbereitung zusammengearbeitet. Zwei Vitrinen mit Bibeln und kirchlichen Büchern in der Stadtkirche und die historische Wetterfahne der Rosenbergerkapelle sind quasi eine kleine Außenstelle der Museumsausstellung.

Vor allem aber hat Michael Kummer durch intensives Aktenstudium im Pfarrarchiv Unterlagen entdeckt, die nochmals untermauern, dass es die Kirchenweihe 1420 tatsächlich gegeben hat. Daher die 600 Jahre, nachdem 1995 ja erst 500 Jahre Stadtkirche begangen worden waren.

"Wenn wir Jubiläum feiern, soll es auch ganz sicher stimmen", betont Kummer. "Das ist mir wichtig", betont er. Und außerdem: "Die Arbeit im Archiv liegt mir sehr. Aber ich bin kein Archivwurm. Mein großes Hobby ist Laufen."

"Fürstenstuhl": So wird die Loge bezeichnet, die früher in der Stadtkirche installiert war. Von ihr sind allerdings nur noch Fragmente erhalten, die zum Teil in der Ausstellung im Stadtmuseum gezeigt werden. "Mit dem Fürstenstuhl würde ich mich gerne nochmal genauer befassen", sagt Michael Kummer. "Die Frage ist ja: Wie sah der aus? Es gibt da Hinweise auf mögliche Zeichnungen. Denen werde ich nachgehen."

Projektgruppe "Heimat- und Kirchengeschichte für Konfirmanden": Diese Arbeitsgruppe hat sich erst kürzlich gegründet und zum ersten Mal mit Jugendlichen in der Stadtkirche getroffen.

"In einer Zeit, in der Orientierung immer schwieriger wird, ist es wichtig zu wissen, woher man stammt. Deshalb wollen wir das Wissen und die Identifikation mit der Kirchengemeinde fördern", erläutert Pfarrer Zellfelder.

"Und zwar ganz zwanglos", fügt Michael Kummer hinzu. "Wir haben gefragt, was den jungen Leuten an der Stadtkirche sofort auffällt und dabei gemerkt, dass das gar nicht der Hochaltar war, sondern ganz andere Fragen kommen, etwa nach dem Wallenrod-Grab. Das war ein Aha-Effekt."

Die Idee des Projekts lautet deshalb: "Geschichte modern verpacken", so Kummer weiter. Gedacht ist zum Beispiel an eine neue Kirchenführung der Konfirmanden für deren Eltern. Oder an eine Geochaching-Tour durch die Stadtkirche. Für Michael Kummer sind das neue Herausforderungen für seine große Leidenschaft: "Denn Geschichte hat mich schon immer fasziniert."

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