Familie wollte Rentner nicht: Hat der Vorfall nun Folgen?

23.10.2019, 06:00 Uhr
Familie wollte Rentner nicht: Hat der Vorfall nun Folgen?

© Foto: Armin Weigel/dpa

"Wie schäbig kann man bitte sein?", fragt sich eine Kommentatorin auf Facebook, "Was sind das für Menschen? Unfassbar", eine andere angesichts der Leidensgeschichte des Schwabacher Seniors. Andere Stimmen warnen vor vorschnellen Urteilen, wenn man die Hintergründe nicht kenne.

Eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen: Das Verhältnis zwischen dem Rentner und seinen zusammen mit ihm in einem Haus lebenden Verwandten ist nicht das innigste. Das registrierten auch die Beamten der Polizeiinspektion Schwabach, als sie die Angehörigen eindringlich über deren Pflichten im Umgang mit ihrem Mitbewohner belehrten.

Vorausgegangen war diesem Gespräch eine viereinhalbstündige Odyssee im Krankenwagen mit mehreren vergeblichen Fahrten zur Adresse des gebrechlichen älteren Herrn, bis er schließlich in seine Wohnung zurückkehren konnte. "Zwischendurch musste der Krankenwagen zurück ins Krankenhaus fahren, weil der Mann ja auch mal auf die Toilette musste", berichtet Polizeihauptkommissar Patrick Eschenbacher, der von der Besatzung des Krankenwagens verständigt worden war. Die Sanitäter seien relativ hilflos gewesen angesichts dieser außergewöhnlichen Situation.

Obwohl die Familie informiert gewesen war, dass der 81-Jährige an diesem Nachmittag nach Hause gebracht werden sollte, war zu dem betreffenden Zeitpunkt niemand zu Hause. Auch telefonisch war zunächst keiner der Angehörigen zu erreichen.


Angehörige lenkten schließlich ein


So pendelten die Besatzung des Rettungswagens und deren Passagier, der weder Geld noch Hausschlüssel hatte, einige Male zwischen der Wohnadresse des Mannes, dem Krankenhaus und der Polizeiinspektion Schwabach hin und her. Die Helfer suchten nach einer Möglichkeit, den Rentner zumindest über Nacht irgendwo unterzubringen. Dann meldeten sich die Angehörigen doch noch und lenkten nach einigem Hin und Her schließlich ein.


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Ist der 81-Jährige, der wegen einer Sturzverletzung im Krankenhaus behandelt worden war und bei dem während des Klinikaufenthalts eine leichte Demenz diagnostiziert wurde, nur ein Einzelfall? Anscheinend nicht, denn auch in anderen Krankenhäusern in der Region kommt es hin und wieder vor, dass Angehörige einen entlassfähigen Patienten nicht mehr aufnehmen wollen.

"In solchen Fällen verbleibt der Patient stets so lange in unserer Obhut, bis eine tragfähige Lösung für die nachstationäre Weiterversorgung gefunden ist", erklärt Daniel Voigt vom Klinikum Nürnberg. Sollte sich für einen entlassfähigen Patienten trotz intensiver Bemühungen keine adäquate Unterbringung im häuslichen Umfeld organisieren lassen, bemühe man sich um eine nachstationäre Weiterversorgung, etwa in einer Kurzzeitpflege-Einrichtung.

Sozialdienst war bereits benachrichtigt

Die Kosten in so einem Fall muss übrigens das Krankenhaus tragen. Wenn ein Klinikaufenthalt über das medizinisch Notwendige hinaus geht, werden die dann anfallenden Ausgaben nicht vergütet.

Im Fall des Schwabacher Patienten wiederum war der Sozialdienst bereits benachrichtigt. Am Tag nach seiner Rückkehr kümmerte sich bereits eine Pflegekraft um den Senioren, dem bislang nur für finanzielle Fragen wie Bankgeschäfte oder Rente ein Betreuer zur Seite stand.

Unter Umständen ist nun eine Betreuung nötig, die über diesen Bereich hinausgeht. So kam die Polizei naheliegenderweise zur Überzeugung, dass in diesem Fall eine ordentliche Betreuung nicht gewährleistet ist. Deshalb wurde der Fall der Schwabacher Betreuungsstelle und dem örtlichen Betreuungsgericht gemeldet.

Auch Nachbarn können einschreiten

Ein Betreuungsverfahren einleiten kann grundsätzlich jeder Bürger. Das heißt: Entweder das Betreuungsgericht wird von selbst tätig, etwa aufgrund eines Zeitungsartikels über den Vorfall; oder die Betreuungsstelle leitet ein Verfahren ein. Aber auch Angehörige oder Nachbarn können das tun – wenn etwa eine alleinstehende Person einen hilflosen Eindruck macht und der Nachbar das über den Gartenzaun beobachtet.

Der erste Schritt des Gerichts ist, einen Gutachter zu bestellen. "Man braucht dazu eine medizinische Expertise, solche Fälle sind nicht rein juristisch zu bearbeiten", erklärt Michael Schlögl vom Amtsgericht Schwabach. Das Betreuungsgericht entscheide dann, ob ein Betreuungsbedarf besteht, und wer die Betreuerin oder der Betreuer sein soll.

In dem Schwabacher Fall ist nun auch die Frage, ob das Verhalten der Angehörigen strafrechtliche Folgen hat. Da der Mann ein Wohnrecht in dem Haus hat, kann er nicht einfach ausgesperrt werden. Unter Umständen könnte hier ein Fall von Nötigung vorliegen, doch bei einer Anzeige müssten die Umstände gründlich geprüft werden.

Viele Menschen sind damit überfordert

Eine Kommentatorin in den sozialen Netzwerken warnt denn auch vor einer Vorverurteilung der Angehörigen. In ihrer beruflichen Praxis in einem Altenheim habe sie oft erlebt, dass Verwandte mit dementen und/oder pflegebedürftigen Menschen überfordert seien. Und da Pflegeheime einen alten Menschen oft nicht sofort nach einem Krankenhausaufenthalt aufnehmen können, könne es in Einzelfällen zu so einer Situation wie in Schwabach kommen.


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Auch Ina Bürkel, die Leiterin der Betreuungsstelle in Nürnberg, kennt solche Fälle von Überforderung, etwa wenn sich der gesundheitliche Zustand eines Angehörigen urplötzlich, etwa wegen eines Schlaganfalls, gravierend verschlechtert. In Nürnberg gäbe es für solche Fälle eine ganze Reihe von Hilfsangeboten, zum Beispiel Pflegestützpunkte oder Betreuungsvereine. Einen Fall wie in Schwabach aber hat Bürkel in ihrer beruflichen Praxis auch noch nicht erlebt.