Gemeinde St. Martin und Hospizverein: "Hier darf ich weinen"

21.10.2020, 05:36 Uhr
Gemeinde St. Martin und Hospizverein:

Es ist die wohl schlimmste Erfahrung im Leben: der Tod eines geliebten Menschen. "Am Anfang ist man in Schockstarre", sagt Gerda Gebhardt. Gleichzeitig steht vieles an: "Man muss die Beerdigung organisieren oder die Wohnung auflösen", ergänzt Dirk Münch. "Da ist es ein Segen, dass man sehr kognitiv reagieren kann", findet Gerda Gebhardt. "Denn das schützt", betont Dirk Münch. "Doch wenn der Alltag wieder kommt, dann fallen viele Trauernde in ein Loch."

Seit über 25 Jahren

In Schwabach gibt es deshalb seit über 25 Jahren den "Arbeitskreis Begleitung auf Trauerwegen", seit einigen Jahren unter dem Dach der evangelischen Kirchengemeinde St. Martin. "Das ist eine große Bereicherung für das seelsorgerliche Profil unserer Gemeinde", sagt Pfarrer Dr. Paul Hermann Zellfelder. Geleitet wird der Kreis von vier ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen: Martina Engelhardt, Annemone Hünert, Elisabeth Ruf und Gerda Gebhardt.

Ihr vielleicht wichtigstes Angebot drückt Gerda Gebhardt so aus: "Hier darf man weinen." Niemand muss funktionieren, keiner sich verstellen. "Jeder wird wahrgenommen, wie er sich gerade fühlt." In dieser Woche beginnt erstmals seit Corona wieder eine solche "geführte Selbsthilfegruppe".

Gemeinde St. Martin und Hospizverein:

© Foto: Günther Wilhelm

An acht Abenden treffen sich Hinterbliebene in St. Matthäus im Eichwasen. Die acht Plätze sind inzwischen belegt. Wie meistens in all den Jahren. Jeder Abend steht unter einem Thema, doch mindestens ebenso wichtig ist der gemeinsame Austausch. "Trauernde Menschen sind in aller Regel sehr dankbar dafür", berichtet Gerda Gebhardt.

Gruppe und Einzelberatung

Doch auch wenn die Gruppe bereits belegt ist, alleine gelassen wird niemand, der Hilfe sucht. "Wir bieten deshalb auch eine Einzelberatung an", erklärt Gerda Gebhardt. Und es gibt noch einen weiteren wichtigen Grund: "Immer wieder kommt es auch vor, dass Menschen in eine Gruppe nicht wollen oder auch nicht können, weil sie noch zu stark belastet sind. Oft hören wir dann: Ich kann die Trauer der anderen nicht aushalten."

Gruppe und Einzelberatung: Mit dieser Kombination ist der Arbeitskreis schon vielen Menschen zu einer wichtige Stütze geworden. "Zudem treffen sich auch ehemalige Gruppenteilnehmer an einem Sonntag im Monat zu einer gemeinsamen Unternehmung", berichtet Gerda Gebhardt. "So haben sich schon echte Freundschaften entwickelt."

Vertrag mit drei Zielen

Nun wird das Angebot sogar noch ausgebaut, und zwar mit Unterstützung des Hospizvereins Schwabach. Gerda Gebhardt vom Arbeitskreis, Pfarrer Dr. Paul-Hermann Zellfelder von der Kirchengemeinde St. Martin und Dirk Münch, der Vorsitzende des Hospizvereins, haben eine entsprechende Kooperationsvereinbarung unterzeichnet.

"Trauerarbeit war lange ein Stiefkind", sagt Dirk Münch. "In Schwabach aber läuft es dank des Arbeitskreises ja bereits sehr gut. Das wollen wir weiter unterstützen." Auf dreierlei Weise.

1. Durch weitere Fortbildung zum zertifizierten Trauerbegleiter in der "Hospiz- und Palliativakademie Nürnberg".

2. Durch finanzielle Zuschüsse bis zu 1500 Euro jährlich, eine Art Unkostenbeitrag.

3. Durch neue Angebote.

Neue Angebote? "Wir denken zum Beispiel über eine reine Männergruppe nach", sagt Dirk Münch. Die Erfahrung zeige, dass die Selbsthilfegruppe vor allem von Frauen wahrgenommen wird.

Nicht weniger wichtig: "Trauer für trauernde Kinder, die ihre Eltern verloren haben", so Münch. Dies könne eine Ergänzung zu "Lacrima" sein, der Trauerbegleitung der Johanniter für Kinder, deren Geschwister verstorben sind.

Vielleicht werde man auch eine Idee übernehmen, die zum Beispiel in Fürth schon angeboten werde: das "Friedhofscafe". "Die Idee ist, trauernde Menschen am Friedhof anzusprechen und Unterstützung anzubieten – und sich vielleicht zu einem Frühstück am Samstag zu treffen", so Dirk Münch.

"Es gibt kein Handbuch"

Hilfe müsse so unterschiedlich sein wie die Menschen selbst. "Es gibt kein Handbuch zu trauern", bringt es Dirk Münch auf den Punkt. Deshalb will er Freunden, Nachbarn oder Kollegen von Trauernden auch ein Stück Furcht nehmen: "Viele fragen sich ja: Was muss ich denn da jetzt sagen? Die Antwort ist: Ja, gar nix."

"Es kommt eben nicht auf den schnellen Rat an. Den gibt es auch in der Gruppe nicht", betont Gerda Gebhardt. Da sein, zuhören, die Trauer des anderen aushalten. Damit sei schon viel geholfen. "Jedem geben, was er gerade braucht. Ich denke, das gelingt uns ganz gut", sagt Gerda Gebhardt. Für sie selbst sei die Trauerbegleitung inzwischen zu einem "Lebensthema" geworden."

"Loslassen, nicht vergessen"

Um das Leben nämlich geht es. "Um eine Zukunft auch mit dem Verstorbenen. Nicht mehr physisch, aber im Herzen. Loslassen klingt ja wie eine ungeheuerliche Forderung", weiß Gerda Gebhardt, "aber loslassen heißt eben nicht vergessen".

Das könne ein langer Prozess sein, für den sie Mut machen will. "Narben gehören zum Leben", sagt Gerda Gebhardt. Doch der Schmerz muss nicht bleiben. "Trauer ist dann gut durchlebt, wenn die Erinnerung nicht mehr so wehtut."

Info: Gerda Gebhardt, Telefon (0 91 22) 7 64 72.

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