Gesprächsreihe mit Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs

13.6.2015, 10:44 Uhr
Gesprächsreihe mit Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs

© F.: Robert Schmitt

Bei acht Veranstaltungen in acht verschiedenen Gemeinden des Landkreises werfen hochbetagte Zeitzeugen aus den jeweiligen Orten einen Blick zurück.

Auftakt war am Donnerstag im Kammersteiner Ortsteil Poppenreuth. Dort entwickelten sich lebendige Erzählungen, die vor allem das Chaos der letzten Kriegsmonate plastisch vor Augen führten.

Als Ältester kam dabei der 87-jährige Karl Gsänger aus Barthelmesaurach zu Wort. 17 Jahre war er, als ihn die Nazis in den letzten Kriegstagen noch zum Arbeitsdienst und zur Wehrmacht holten. Ein Bild aus seiner Militärzeit hatte er mitgebracht.

In Kampfhandlungen sei er nicht mehr verwickelt worden. Schließlich standen die Russen bereits in Polen. Seine Einheit habe in der Tschechei agiert und sei dann schnell aufgelöst worden. „Danach bin ich 20 Tage lang heimgelaufen, übernachtet habe ich auf Bauernhöfen“, erinnert er sich. In Schwabach angekommen sei er von den US-Amerikanern festgenommen, aber nach einem halben Tag heimgeschickt worden. „Die haben ja gesehen, dass ich noch ein ganz junger Kerl war.“

Noch jünger war allerdings Georg Rahnhöfer aus Haag. Fünfzehneinhalb Lenze zählte der Zimmerer, als er im Februar 1945 von seinem Lehrherrn wegen Fliegeralarms nach Hause geschickt worden war. „Es ging drunter und drüber damals“, sagt er. „Zwei Bomben sind in Haag und zwei in Kammerstein eingeschlagen.“ Ein Haus sei total weggefegt worden. Eine Scheune habe gebrannt. „Eine Frau wollte löschen, da hat ihr eine Explosion den Bauch aufgerissen.“ Danach sei er mit dem Arbeitsdienst über Roth, Thalmässing und Titting Richtung Neuburg unterwegs gewesen. „Dann bin ich aber stiften gegangen“, so Rahnhöfer. Der Rückweg ist ihm aufgrund zweier glücklicher Umstände gelungen.

Das Motorrad eines Kradmelders habe wegen eines Defekts unmittelbar vor ihm gehalten. „Da denke ich heute noch jeden Tag dran: Das war ein Gottesgeschenk.“ Der habe ihn mitgenommen bis Ellingen. Dort sei ein Drahtesel seine letzte Rettung gewesen. „Der stiehlt mein Fahrrad“, habe ihm die Besitzerin hinterhergerufen. So sei er innerhalb eines Tages aus der Nähe Neuburgs bis nach Gauchsdorf gelangt.

„Dann habe ich vier Amis getroffen, da war der Krieg für mich aus.“ Wenig später sei der Weg nach Schwabach von US-Panzern gesäumt gewesen. „Da habe ich den ersten Neger gesehen.“ Der farbige GI sei freundlich gewesen, habe ihm eine Zigarette angeboten und seiner Begleiterin sogar einen Foto geschenkt.

Mehrmals lenkte Volker Bauer das Gespräch ins Publikum. Dort ergänzen Kammersteiner Urgesteine wie Hermine Schilling, Leonhard Heubeck, Heinrich Volkert, Bauers Vater Siegfried und Babette Mikusch die Erinnerungen. Keine Amis in Prünst, ein Kammersteiner mit weißer Fahne auf einem US-Panzer, Schutz vor Fliegerangriffen im Barthelmesauracher Sommerkeller und der Absturz eines US-Bombers auf dem Volkersgauer Weg werden zum Thema. „Das Loch war so groß, da konnte man ein Haus reinstellen“, sagt Georg Rahnhöfer. Der Sohn des dabei umgekommenen US-Soldaten Jack Goldstein sei 2013 in Kammerstein gewesen, ergänzt Volker Bauer. „Ein bewegender Moment.“

Die restliche Besatzung des Flugzeugs ist von den Kammersteinern versorgt worden. Dem wollte der Schwabacher NSDAP-Kreisleiter Engelhardt markig Einhalt gebieten. „Das geht Sie gar nichts an“, fuhr ihm ein deutscher Feldwebel in die Parade. „Das ist eine rein militärische Angelegenheit.“

Anders erlebte der in Haag lebende Alois Scholz das Kriegsende. Die Russen vertrieben den 85-jährigen Niederschlesier und seine Eltern vom eigenen Bauernhof. Danach begann für ihn eine echte Odyssee. „Ich hatte zunächst keine Zukunft.“ Über Sachsen-Anhalt, das Erzgebirge, Wolfsburg, Hessen, Heidelberg und Niederbayern kam er 1956 in den Kammersteiner Ortsteil.

Dort hatte sein Schwiegervater als Ausgleich für die im Sudetenland verlorene Landwirtschaft ein Grundstück kaufen können. „Dann haben wir gemeinsam gebaut.“ Den größten Teil seiner erzwungenen Reise durch Nachkriegsdeutschland hat Scholz auf dem Fahrrad zurückgelegt. „Immer zu zweit: mal ist der eine gefahren, mal der andere“, sagt er.

„Aus all diesen Erlebnissen müssen wir lernen“, resümierte Volker Bauer. „Nie wieder Krieg.“

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