Glosse: Der "downburst" erspart das Kotgewitter...
12.1.2020, 05:59 UhrEs gibt dieses alte Phänomen, das im Internetzeitalter einen neuen und recht passenden Namen bekommen hat. Wenn sich viele Leute über irgendetwas furchtbar aufregen, egal ob zu Recht oder nicht, dann nennt man das einen "shitstorm", also frei übersetzt: ein Kotgewitter. Ein solches Kotgewitter beschwört man idealerweise in den sozialen Medien herauf. Dort gibt es jede Menge Kommentatoren, die nur darauf warten, andere mit Kot zu überziehen. Das ist nicht schön, aber diejenigen haben oft sonst nichts zu tun.
Es gibt allerdings auch Kotgewitter, die eine gewisse Berechtigung haben. Ein solches ging vor kurzem auf unsere Rother Kollegen nieder. In einem Artikel wurde das Unwetter, das vergangenen August über den Landkreis fegte und das auch in Obermainbach einen Kuhstall abdeckte, als "Mini-Tornado" bezeichnet. So weit, so gut. Da kann sich jeder etwas drunter vorstellen.
Es gibt sie nicht
Nur handelte es sich bei dem Unwetter nicht um einen Mini-Tornado. Es gibt nämlich gar keine Mini-Tornados. Nur richtige Tornados, und ein solcher war es nicht. Es war stattdessen ein "downburst", eine sogenannte Gewitterfallböe. Darauf wiesen gleich mehrere Kommentatoren in den sozialen Medien hin – in einem Kotgewitter, das man passender auch als Mini-Kot-Tornado bezeichnen könnte.
Ein Dilemma deswegen, weil Mini-Tornado gut klingt und der Autor sich den Begriff nicht einmal ausgedacht, sondern zitiert hatte. Allerdings zum großen Ärger der Wetterexperten. Was macht man da? Wir enthalten uns hier einer Wertung, weil es uns Gott sei Dank nichts angeht.
Es wird nicht geteert
Aber natürlich kennen wir das Phänomen: Korrektheit versus Sprachgebrauch. Zum Beispiel schreiben auch Journalisten-Kollegen immer noch gerne davon, dass eine Straße "geteert" wird. Sagt man eben so. Ist aber falsch. Es wird asphaltiert, Krebs erregender Teer kommt dabei schon lange nicht mehr zum Einsatz. Wenn allerdings jemand sagt: Es gibt nur eine Straße zu meiner Lunge und die muss geteert werden – dann stimmt es wieder.
Ein redaktionsintern geradezu legendärer Faux-pas passierte dem Kollegen gw. Er suchte ein Bild zu einem Artikel, in dem es um Biber ging. Schnell war ein Foto einer Presseagentur zur Hand, das laut Bildunterschrift einen besonders putzigen Vertreter seiner Gattung zeigte. Am darauffolgenden Tag wurde gw dann aber von mehreren Lesern, inklusive seiner eigenen Frau, darauf hingewiesen, dass auf dem Bild eindeutig ein Fischotter zu sehen war. Man nannte das damals noch nicht "shitstorm", etwas peinlich war es dem Kollegen trotzdem.
Sturm der Entrüstung, so hieß das früher
Ein letztes Beispiel noch: Carmen Thomas bezeichnete 1973 im Sportstudio den bekannten Fußballverein aus dem Ruhrpott als "Schalke 05". Für viele männliche Besserwisser Grund genug, sich furchtbar aufzuregen. Ein Sturm der Entrüstung. Genau, so nannte man das früher. Schnell war Thomas ihren Job los und hatte die Frauenemanzipation um Jahrhunderte zurückgeworfen.
Wir haben deshalb für die Zukunft beschlossen, im Zweifel "downburst" zu schreiben und uns das Kotgewitter zu ersparen.
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