Glosse: Die Odyssee des kleinen Otto

31.3.2019, 05:58 Uhr
Glosse: Die Odyssee des kleinen Otto

© Foto: Polizei

Diese Vermisstenmeldung hatte es in sich: Der Polizei in Roth war am Montag einer ihrer wichtigsten Mitarbeiter abhanden gekommen: Otto, der Verkehrserzieher-Helfer. Vermutlich entführt von einem Unbekannten. Bei Otto handelt es sich allerdings nicht wirklich um einen ausgewachsenen Polizisten, sondern nur um eine rund 15 Kilogramm schwere Puppe, die ungefähr so groß ist wie ein Vorschulkind.

Otto war in Begleitung eines Beamten oder einer Beamtin schon in vielen Kindergärten im gesamten Landkreis zu Gast und demonstrierte dort eindrucksvoll, welche Kräfte im Verkehr wirken können. Der Wuschelkopf mit dem senffarbenen Pullover und der lustigen Knollennase nahm beim Bustraining immer unangeschnallt in der letzten Reihe Platz und wurde dann bei einem gewollten Bremsmanöver ordentlich durch die Luft gewirbelt.

Die anderen Insassen des Busses, künftige Schulkinder, staunten nicht schlecht und vergewisserten sich lieber dreimal, dass der Sicherheitsgurt auch eingerastet ist.

Im Koffer auf Reisen

Wenn er nicht gerade Dienst schob, lebte Otto in einem großen, orangefarbenen Koffer, in dem er auch auf Reisen ging. Am Montag sollte er seine Kunststückchen in Rothaurach zeigen und wurde zu diesem Zweck kurzzeitig an der Bushaltestelle abgestellt. Als Verkehrserzieherin Ulrike Schuster wenige Minuten später mit den Kindergartenkindern eintraf, war Otto samt Koffer verschwunden, ebenso wie zwei 80 Zentimeter große orange-weiße Pylonen.

Die Polizei vermutete mindestens einen Diebstahl und gab sogleich eine Such- und Vermisstenmeldung heraus. Gefahndet wurde nach einem etwa einen Meter großen Kerlchen mit krausen, weiß-grauen Haaren, bekleidet mit einem senfgelben Pullover und einer Jeanshose mit Hosenträgern. Auf der Nase trägt er ein Pflaster.

Weder entführt noch gestohlen

So stand’s am Dienstag auch bei den Kollegen in der Zeitung und am Donnerstag nochmal im Wochenanzeiger. Und, was soll man sagen, seit Donnerstagmittag ist Otto tatsächlich zurück und hat inzwischen wieder seinen Platz in der Rother Dienststelle der Polizei eingenommen.

Das Besondere ist, dass Otto weder entführt noch gestohlen wurde. Die Rothauracher Bushaltestelle liegt dummerweise relativ nahe an den örtlichen Altkleider- und Altglascontainern. Just in den paar Minuten, in denen die Verkehrserzieherin die Kindergartenkinder einsammelte, fuhren die für den Altkleidercontainer zuständigen Mitarbeiter des Werkhofs Regenbogen vorbei, sahen Ottos Koffer, klassifizierten ihn – ebenso verständlich wie versehentlich – als Wegwerfware und nahmen ihn mitsamt der ganzen anderen Altkleider mit. Als sie am nächsten Morgen die Zeitung aufschlugen, trauten sie ihren Augen nicht, suchten nach dem Koffer – und fanden darin den herrenlosen Otto.

Auf der Dienststelle der Polizei gab es jetzt ein großes Hallo, als der verschwundene Mitarbeiter zurückgebracht wurde. "Wir sind froh, dass er wieder da ist", sagte die stellvertretende Dienststellenleiterin Simone Wiesenberg. "Er hat zwar schon viele Dienstjahre auf dem Buckel. Aber in Rente schicken wollen wir ihn noch nicht."

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