Schwabacher Hospizverein

"Ihr seid nicht allein": Hospizarbeit für Geschwisterkinder

5.8.2021, 11:00 Uhr
Sie werben für weitere ehrenamtliche Helfer für die Hospizarbeit in Schwabach (von links): Dirk Münch, Barbara Hüller, Bettina Renz und Thomas Mrotzek. 

© Günther Wilhelm, NN Sie werben für weitere ehrenamtliche Helfer für die Hospizarbeit in Schwabach (von links): Dirk Münch, Barbara Hüller, Bettina Renz und Thomas Mrotzek. 

Die nämlich leiden oft doppelt. Zum einen erleben sie die schwere Erkrankung der Schwester oder des Bruders, was für sich bereits eine extreme psychische Belastung ist. Wie schwierig der Umgang damit ist, beweist schon die sensible Wortwahl. "Wir sprechen nicht mehr von sterbenden Kindern, sondern von Kindern mit verkürzter Lebenserwartung", erklärt Dirk Münch, der Vorsitzende der Hospizvereine in Nürnberg und Schwabach.

Hinzu kommt: "Geschwisterkinder spielen oft nur die zweite Geige, weil sich in den Familien alles um das erkrankte Kind dreht", so die Erfahrung von Dirk Münch. "Deshalb brauchen sie den Austausch untereinander."

"Ihr seid nicht allein"

"Auch die Geschwister müssen sich wahrgenommen fühlen. Und eine solche Gruppe zeigt ihnen: Ihr seid nicht allein", ergänzt Thomas Mrotzek, der Koordinator der Einsätze des Hospizvereins. In Nürnberg gibt es solche Geschwistergruppen bereits. "Begonnen haben wir mit zwei Kindern, jetzt sind es drei Gruppen mit insgesamt 24. Der Bedarf ist da, aber die Eltern brauchen ein Angebot", so Münch.

Dieses Angebot will deshalb auch der Hospizverein Schwabach machen. "Möglichst im Herbst, spätestens Anfang Januar. Das hängt nicht zuletzt von Corona ab, weil die Ausbildungskurse nur in Präsenz möglich sind", erläutert Münch.

3000 Euro Spende

Die Anschubfinanzierung steht bereits. Erwin Grassl und Uwe Feser hatten im vergangenen Jahr bei ihrem Ausscheiden aus den Führungsgremien der Raiffeisenbank 3000 Euro gespendet. Das Geld fließt in die Ausbildung ehrenamtlicher Kinderhospizbegleiter und den Aufbau der Geschwistergruppe.

Der Hospizverein ist auf die Ehrenamtlichen angewiesen. "Wir suchen immer Helfer", betont Dirk Münch. Auch speziell für die Arbeit mit Kindern? "Es ist so", erklärt der Vorsitzende, "wir suchen Helfer für die Arbeit generell. Der Schwerpunkt liegt ja bei den Erwachsenen. Aus diesem Kreis schälen sich dann diejenigen für die Kinder- und Jugendlichen sowie für Menschen mit Behinderung heraus."

51-köpfiger Helferkreis

Momentan umfasst der Helferkreis des Hospizvereins Schwabach 51 Begleiter: 46 Frauen und fünf Männer. Einer davon ist inzwischen auch Ex-Raiffeisenbankvorstand Erwin Grassl.

Bereits über jahrelange Erfahrung verfügen Bettina Renz und Barbara Hüller. Für viele Menschen ist Sterben ein Tabuthema. Und die freiwillige Begleitung Sterbender unvorstellbar. Dieses Engagement aber ist mehr als selbstlose Hilfsbereitschaft. Im Gegenteil: "Wir werden beschenkt", sagt Bettina Renz, etwa durch Erfahrungen wie diese:

"Begleitung kann ja vieles sein. Gespräche, einfach nur da sein, ,Mensch ärgere Dich nicht spielen' und auch letzte Wünsche erfüllen. Ich hatte eine Frau begleitet, die Mitte sechzig war und noch nie in ihrem Leben ein Kino besucht hatte. Also sind wir ins Luna, haben Popcorn und Cola gekauft und uns einen Film angesehen. Sie hatte Tränen in den Augen. Aus dieser Begleitung hatte sich eine sehr innige Freundschaft entwickelt. Mittlerweile ist sie verstorben. Aber diese Freundschaft war ein echtes Geschenk. Man bekommt immer mehr zurück, als man gibt."

"Ich bekomme Gänsehaut"

"Das empfinde ich ganz genauso", sagt Barbara Hüller. "Wenn einem die Angehörigen in den Arm nehmen und ,Danke' sagen, das ist..." Barbara Hüller stockt einem Moment und entschuldigt sich: "Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich darüber rede." Eine besondere Erfahrung sei, wenn Patienten durch die Zuwendung nochmals unerwartet Kraft bekommen. Es kommt sogar vor, dass jemand aus dem Hospiz wieder nach Hause geht. So ergeben sich teils mehrjährige Begleitungen.

"Es ist dann immer wieder erstaunlich, wie die Menschen sich uns gegenüber öffnen und uns eigentlich Fremden Dinge erzählen, die sie nicht einmal ihren Angehörigen sagen. Das ist eine sehr intensive Erfahrung. Das macht etwas mit einem", berichtet Barbara Hüller.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Ab wann aber macht Hospizbegleitung Sinn? "Es ist sehr schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu treffen. Es soll ja nicht heißen: Oh, ist es schon so weit?", sagt Thomas Mrotzek. "Anderseits sollte man auch nicht warten, bis der Patient Schnappatmung hat. Schließlich geht es um eine würdevolle Gestaltung des Lebensendes."

"Auch wir wissen den richtigen Zeitpunkt nicht", betont Thomas Mrotzek. "Deshalb bieten wir Gespräche mit den Patienten und deren Angehörigen an, um uns ein Bild zu machen und gemeinsam zu beraten."

Kontakt und weitere Informationen gibt es unterwww.hospizteam-schwabach.de

Hospizverein Roth: Medizinische und mentale Unterstützung

Seit 2018 gibt es auch im Landkreis Roth einen 24-Stunden-Angebot für Schwerstkranke, Sterbende und ihre Angehörigen. Die Unterstützung dazu liefert der Hospizverein Hilpoltstein-Roth, der gleichberechtigtes Mitglied der in Pleinfeld beheimateten gemeinnützigen Genossenschaft SAPV Südfranken ist.

Der Hospizverein versieht seinen Dienst ohne Spezialisierung auf bestimmte Altersgruppen, wie die Vorsitzende Agathe Meixner erläutert, die Patienten nicht nur medizinisch betreut, sondern auch mental unterstützt. Diese Hilfe und die spätere Trauerbegleitung finden sowohl einzeln als auch in Gruppen statt.

Zwei Frauen haben eine spezielle Zusatz-Ausbildung für die psychologische Betreuung von Kindern absolviert. Sie kümmern sich nicht nur um die Patienten selbst, sondern auch um die Geschwister und die gesamte Familie. Das umfasst also auch die Aufgabe, der sich die neue Gruppe im Schwabacher Hospiz-Verein stellen wird.

Der Verein Hilpoltstein Roth arbeitet eng mit der Kreisklinik Roth und anderen Einrichtungen zusammen und gewährleisten einen regelmäßigen Besuchsdienst auf der Palliativstation der Kreisklinik Roth. Für trauernde Angehörige bietet er eine Trauergruppe mit festem Personenkreis an. Jeden ersten Freitag im Monat gibt außerdem für Angehörige ein Trauercafé. -pg-

Keine Kommentare