Kirchen, Synagogen und Moscheen: Blattgold aus Schwabach

5.8.2019, 20:50 Uhr
Kirchen, Synagogen und Moscheen: Blattgold aus Schwabach

© Foto: Lidia Piechulek

Es ist in diesen Tagen der Hitze-Rekorde noch ein bisschen heißer als draußen in manchen Produktionsräumen der Firma Eytzinger. Vor allem dort, wo das Rohmaterial zu Barren gegossen wird.

Auf 1200 Grad heizt sich der Ofen auf, in dem Susanne Wegler das Rohmaterial in einem Tiegel schmelzen lässt. Das dauert rund eine Stunde. Dann nimmt sie, geschützt mit dickem Handschutz, den Behälter heraus. Und gießt das glühend heiße Gold in eine Barren-Form.

Rund 680 Gramm schwer ist so ein Teil, das von der Form einem Schoko-Riegel ähnelt. Nicht mehr lange. Denn der Barren wandert gleich in eine Art Nudelmaschine: Susanne Wegler wälzt das Gold in etlichen Arbeitsprozessen auf eine Länge von rund 50 Metern aus.

Kirchen, Synagogen und Moscheen: Blattgold aus Schwabach

© Foto: Lidia Piechulek

Nicht schneller als per Hand

Dann beginnt die eigentliche Goldschlägerei. Aber längst nicht mehr von Hand. Eytzinger-Geschäftsführer Christian Scheuring, seit 1980 im Betrieb, hat die letzten echten Goldschläger noch erlebt. Ein Knochenjob? Gar nicht so sehr, sagt der 58-Jährige: Wer die Technik gut drauf hatte, kam rasch klar mit den Hämmern, da der Goldschläger-Hammer beim Schlagen der Goldform auf dem Schlagstein von selbst zurückfedert.

Nun erledigen das ziemlich laute Maschinen in einem geschützten Schlagraum, im Zwei-Schicht-Betrieb. Und in zwei Schlag-Durchläufen. Recht viel schneller als die menschlichen Goldschläger ist die Technik nicht: Weil das Material durchs Hämmern heiß wird, braucht es immer wieder Pausen.

Am Ende der Schlag-Durchgänge ist das Blattgold dann gerade mal rund 0,000125 Millimeter dünn – oder 1/8000 Millimeter. Es braucht also 8000 Stück Blattgold, damit ein Millimeter Stärke zusammenkommt. Hauchdünn sind die Blätter – so dünn, dass man durchschauen kann, wenn man so ein Teil gegen das Licht hält.

Diffizile Sache

Eine diffizile Angelegenheit. Im Schneideraum sitzen Frauen mit Haarschutz: Kein Fremdkörper darf dazwischen geraten, wenn sie die flachgehämmerten Blattgold-Folien in exakte Quadrate teilen, Standardgröße 8 mal 8 Zentimeter, es gibt aber etliche unterschiedliche Formate.

Mit einem Beschneiders-Karren, einem doppelseitigen Messer, schneiden sie das feine Edelmetall zurecht. Und mit einer Zange aus (besonders antistatischem) Ebenholz legen sie ein Blatt nach dem anderen in buch-ähnliche Bändchen mit Seidenpapier, gefertigt ebenfalls in der J. G. Eytzinger Blattgoldschlägerei. 25 Blatt kommen in so ein Büchlein, das dann in den Verkauf geht.

Und zwar zu 80 Prozent in den Export. Großabnehmer sind häufig die Religionen. So sehr sie teils auch streiten – "Gold mögen sie alle", sagt Scheuring. In Kirchen, Synagogen und Moscheen prangt das hauchdünne Edelmetall.

Kirchen, Synagogen und Moscheen: Blattgold aus Schwabach

© Foto: Lidia Piechulek

Auch die Super-Reichen dieser Welt, die sich schon mal eine 152-Meter-Segelyacht leisten können, zeigen ihren Wohlstand gern mit Blattgold an Wänden oder Säulen ihres schwimmenden Untersatzes. Klar, dass Goldschläger Scheuring von Neiddebatten gar nichts hält: "Wer Blattgold einsetzt, schafft und sichert Arbeitsplätze".

Kirchen, Synagogen und Moscheen: Blattgold aus Schwabach

© Foto: Lidia Piechulek

Und auch eine gefährdete Branche. Denn in Deutschland, klagt der Unternehmer, setze die öffentliche Hand aus falscher Sparsamkeit zu selten auf Blattgold. Scheuring nennt die aufwendige Sanierung der Berliner Staatsoper Unter den Linden als Beispiel: Dort wurde Imitationsgold verwendet, das billig in Asien produziert wird und kein einziges Gramm echtes Gold enthält. "Blattgold hätte rund 500 000 Euro mehr gekostet, aber es würde viel länger halten", sagt er und ergänzt empört: "Schande über dieses Land". Weil es oft zu lieblos mit seinen vielen, vielen Denkmälern umgehe.

Auch auf die EU ist Scheuring schlecht zu sprechen: Brüssel verlangt nun noch einmal von den Herstellern eine Studie, die explizit nachweisen soll, dass es unschädlich ist, Blattgold zu essen. Dabei wurde mit der Norm E175 schon geregelt, dass Gold auch ein Lebensmittel sein kann.

Branche unter Druck

Nun, klagt Scheuring, kommen auf Produzenten wie ihn wegen der Studie neue Kosten zu, während die asiastische Konkurrenz essbares Blattgold ohne irgendwelche Nachweise in die EU importieren könne. Die Firma Eytzinger setzt auch deshalb auf ihre Reihe "Gold Gourmet" mit verzehrbaren Goldblättchen, weil das traditionelle Geschäft schwächelt.

Gold essen? Da war doch was? Klar: Franck Riberys Post von einem dicken Steak in Gold-Hülle, das er in einem Lokal in Dubai verspeiste. Zu völlig überteuerten Preisen, so Scheuring: Das Blattgold ums Steak habe einen Wert von ein paar Euro gehabt, dazu das Fleisch – macht viel weniger als die 300 Euro, die Ribery gezahlt habe.

Wer im Besucherraum der Firma Eytzinger einen Kaffee trinkt, der bekommt ihn mit ein paar Goldflocken bestreut serviert. Ein Gramm davon, so Scheuring, reiche für bis zu 400 Tassen, damit Gold in aller Gäste Munde kommt.

Ob das sein muss? Manche Star-Gastronomen sehen Blattgold in der Küche als "Bling-Bling"-Extravaganz. Für die Goldschläger aber, deren Branche um ihre Zukunft kämpft, ist das neue Geschäftsfeld, ebenso wie die Gold-Kosmetik, eine Nische, eine Chance. Und eine, bei der das Auge ganz besonders intensiv mitisst.

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