Landwirte: Ausfall von Erntehelfern ist "existenzielle Bedrohung"

27.3.2020, 09:14 Uhr
Landwirte: Ausfall von Erntehelfern ist

© Foto: Marc Tirl/dpa

Am Mittwoch ist die Entscheidung der Bundesregierung als weitere Reaktion auf die Coronakrise wie ein Sturm über die Landwirtschaft hinweggefegt. Rund 300 000 Saisonkräfte sind normalerweise in Deutschland als Erntehelfer im Einsatz, die meisten aus Osteuropa, vor allem aus Rumänien. Die dürfen nun "bis auf weiteres", so Innenminister Horst Seehofer, nicht einreisen. Damit führen die Maßnahmen gegen die Pandemie zum nächsten wirtschaftlichen Problem.

Thomas Schmidt vom BBV schätzt, dass im Landkreis Roth in normalen Jahren rund 400 osteuropäische Erntehelfer mit anpacken. Dringend gebraucht werden sie vor allem bei der Spargelernte sowie beim Tabak und Hopfen oder auf Apfelplantagen. Schmidt geht zudem davon aus, dass von der Regelung auch Polen betroffen sind, was zunächst aufgrund der sich ständig ändernden Lage noch unklar geblieben ist.

Dies würde besonders Betriebe wie die der Familien Adel in Schwabach und Spachmüller in Haag treffen. Sie beschäftigen seit Jahren polnische Helfer. Jetzt aber herrscht große Unsicherheit. Und das kurz vor der Spargelernte, die – je nach Wetter – in etwa zwei Wochen beginnt.

"Auch das noch"

"2018 und auch 2019 hatten wir mit der Hitze und den Wetterkapriolen schon genug Probleme", sagt Johannes Spachmüller, "und jetzt kommt auch das noch". Er hat auch in diesem Jahr wieder mit fünf Helfern aus Polen gerechnet. Wie viele Landwirte, so beschäftigt auch er Stammkräfte, zu denen ein enges persönliches Verhältnis besteht. Das ist nicht nur wichtig für die gute Arbeitsatmosphäre, sondern auch für den reibungslosen Ablauf der Spargelernte.

"Einer hat mir bereits abgesagt, weil er Angst hat, sich in Deutschland anzustecken", berichtet Spachmüller. "Wenn jetzt die anderen auch nicht kommen, habe ich ein Riesenproblem." Denn die Spargelernte ist für sich genommen bereits sehr arbeitsintensiv, zudem überschneidet sie sich zum Teil auch mit dem Tabakpflanzen, dem zweiten wichtigen Standbein seines Hofs. "Ohne ausreichend Helfer müsste ich entweder den Spargel auf dem Feld lassen oder brächte den Tabak nicht raus. Wie man es dreht und wendet, ist es schwierig. Das macht mir schon existenzielle Sorgen.

In Unterfranken hat die Spargelernte aufgrund des etwas wärmeren Klimas schon begonnen, berichtet Miriam Adel. "Bei uns haben wir nachts ja noch Minusgrade, da wird es auch unter den Folien noch bis Anfang, Mitte April dauern. Dennoch sind die Betriebe unter Druck."

Was tun?

"Die einzige Hoffnung momentan ist, dass sich viele Helfer finden, etwa Studenten oder Leute in Kurzarbeit, die etwas dazuverdienen dürfen", sagt Thomas Schmidt. Für die Vermittlung haben der Bauernverband und das Bundeslandwirtschaftsministerium zwei Internet-Plattformen eingerichtet. Man könne sich aber auch an die BBV-Geschäftsstelle in Roth wenden. Oder an Landwirte direkt.

"Wir haben täglich mehrere Anfragen, die Solidarität mit den Landwirten ist da", freut sich Miriam Adel, ist gleichzeitig aber auch etwas skeptisch. Denn: "Die bisherige Erfahrung mit deutschen Arbeitskräften auf den Spargelfeldern ist, dass neun von zehn schnell wieder aufhören. Das ist schwere Arbeit meist zu Mindestlohn. Osteuropäer sind die besten Spargelstecher."

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Ein Problem zieht das nächste nach sich: zu wenige Helfer, weniger Ernte, weniger Einnahmen. "Dabei haben die Betriebe ja oft viel investiert, etwa in Waschstraßen für Spargel oder in Hopfenanlagen. Die Hopfenbauern haben Lieferverträge, ihnen drohen sogar Vertragsstrafen", sagt Thomas Schmidt.

"Da stellt sich dann schon auch die Frage nach dem finanziellen Ausgleich für die Ausfälle", findet Miriam Adel.

Von Kunden geschätzt

Und für die Verbraucher droht ein verknapptes Angebot zu entsprechend höheren Preisen. "Bislang wird in Bayern 90 Prozent heimischer Spargel verbraucht", weiß Adel. Der ist frisch, schmackhaft und von hoher Qualität, das wissen die Kunden zu schätzen.

"In der jetzigen Krise wird deutlich, was oft vergessen wird", findet der Leitende Landwirtschaftsdirektor Werner Wolf: "Landwirtschaft ist systemrelevant. Es ist großartig, was unsere vielen Familienbetriebe für die hochwertige Versorgung von uns allen leisten. Gerade in unserem Raum gibt es auch viele Direktvermarkter."

Wenn Erntehelfer ausfallen, bleibe der Landwirtschaft nur ein "Hilferuf", so Wolf. Und der sei für so manchen sicher "auch eine Chance, mal etwas ganz Neues auszuprobieren".

Auch die Bauern im Nürnberger Knoblauchsland trifft das Einreiseverbot hart.

Alle Infos im Internet unter www.saisonarbeiten-in-deutschland.de und www.daslandhilft.de

Auskünfte gibt es unter anderem auch beim Bauernverband in Roth unter der Telefonnummer (09171) 9660-100.

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