LesArt mit Büchner-Preisträger Martin Mosebach

12.11.2015, 08:38 Uhr
LesArt mit Büchner-Preisträger Martin Mosebach

© Foto: Wilhelm

Das Thema ist bitter: der aufziehende Bosnien-Krieg Anfang der neunziger Jahre. Martin Mosebach beschreibt ihn in seinem aktuellen Roman „Das Blutbuchenfest“ im bizarren Kontrast zur dekadenten „Frankfurter Szene“, in der sich die bosnische Putzfrau Ivana mit mehreren Jobs durchschlägt.

Der Ton aber ist heiter. Zumindest im neunten der 33 Kapitel dieses 445-Seiten-Werks, das  Mosebach am Dienstagabend bei LesArt in Schwabachs in der voll besetzten Alten Synagoge vorträgt. „Das Buch hat sehr schwarze Seiten“, sagt Mosebach. Aber mit dem neunten Kapitel wählt er die „grotesk possenhafte“.

Es ist die Episode eines Seitensprungs. Originell daran ist weniger die Handlung. Natürlich kommt der Ehemann unerwartet früh nach Hause und die panische Flucht des Geliebten endet im Wandschrank, aus dem ihn erst die Putzfrau Ivana befreit.

Doch Martin Mosebach schildert die Szene mit einer inspirierten sprachlichen Leichtigkeit, die die Lesung zu einem amüsanten Vergnügen macht. Leiser Humor, der durch seinen unprätentiös entspannten Vortragsstil noch unterstrichen wird.

Gut unterhalten fühlte sich Werner Sittauer schon bei der Lektüre des Buches im Vorfeld. Der SPD-Stadtrat und Germanist stellt eingangs Autor und Werk kurz vor. Er erinnert an die vielfachen Ehrungen wie den Büchner-Preis 2007, die Mosebach zu einem der renommiertesten deutschen Schriftsteller der Gegenwart machen. „Das Blutbuchenfest“ präsentiere ein „Panoptikum skurriler Originale und ihren erotischen Verstrickungen“ in Mosebachs Heimatstadt Frankfurt, mit der ihn eine Art Hassliebe verbindet.

Sittauers Tipp an die Zuhörer für das heimische Lesevergnügen: „Schenken Sie sich ein Glas Wein ein und stellen Sie die Flasche neben sich. Sie werden nicht mehr aufstehen wollen, wenn Sie zu lesen begonnen haben.“

Martin Mosebach ist aber auch ein Autor, der polarisiert und daran durchaus Freude zu haben scheint. Er gilt als konservativer Intellektueller, als katholischer Traditionalist, der mit seiner Kritik an Papst Franziskus keine Kontroverse scheut.

In Schwabach ist davon nichts zu spüren. Auch im anschließenden kleinen Interview mit Werner Sittauer gibt der 64-Jährige nicht den Provokateur, sondern wirkt eher wie ein selbstironischer Grandseigneur des Bildungsbürgertums.

Den Impuls zu diesem Buch habe nicht etwa sein Besuch 1994 im belagerten Sarajewo gegeben. „Obwohl das ein sehr, sehr starker Eindruck war.“ Vielmehr kannte er tatsächlich eine Bosnierin, die sich aus dem Krieg nach Frankfurt rettete, dort als Putzfrau ihren Lebensunterhalt verdiente und gleichzeitig die Familie in einem kleinen Dorf in Bosnien unterstützte. „So bekam ich Informationen aus einer ganz persönlichen Perspektive“, sagt Martin Mosebach. Die Geschichte ist deshalb auch „ganz aus der Sicht“ der Hauptperson Ivana geschildert. Auf politische Analysen habe er bewusst verzichtet.

Zwei Jahre habe er an dem Roman gearbeitet, erzählt er beim Signieren im kurzen Gespräch mit einer Frau. Immer wieder habe er das Manuskript zur Seite gelegt, „manchmal sogar fast vergessen“, es dann immer und immer wieder stilistisch überarbeitet. „Und selbst jetzt finde ich beim Lesen Stellen, die ich noch gern anders gemacht hätte.“

Zumindest in Kapitel neun können es aber viele nicht sein.

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