Michael Wolgemut, "der Retter in der Not"

14.12.2019, 06:00 Uhr
Michael Wolgemut,

© Foto: Günther Wilhelm

Huber und Distler sind Experten in Sachen Schwabacher Stadtkirche. In diesem Jahr haben sie ein neues Begleitheft für Besucher herausgegeben. Und Besucher dürfte das Gotteshaus demnächst noch spürbar mehr bekommen.

Denn die Stadtkirche ist Teil einer neuen Ausstellung: "Michael Wolgemut — mehr als Dürers Lehrer". Sie beginnt am kommenden Freitag, 20. Dezember, und dauert bis 22. März. Das besondere Konzept: Die Ausstellung zeigt Wolgemuts Werke an gleich neun Stationen: acht in Nürnberg, eine in Schwabach.

In Nürnberg sind dies das Germanische Nationalmuseum, die Jakobskirche, das Albrecht-Dürer-Haus, Friedenskirche, die Sebalduskirche, die Frauenkirche, das Museum Tucherschloss und die Lorenzkirche.

"Das Highlight der Ausstellung"

In Schwabach ist die Stadtkirche zwar die einzige Station, dafür hat die aber gleich drei Werke aus Wolgemuts Werkstatt: den Hochaltar sowie den Kreuz- und den Dreikönigsaltar.

Michael Wolgemut,

© Foto: Günther Wilhelm

Am Anfang war ein Anruf. "Bereits im vergangenen Jahr hat mich Dr. Benno Baumbauer von den Museen der Stadt Nürnberg gefragt, ob Schwabach nicht eine Außenstelle der Ausstellung sein wolle", erzählt Pfarrer Paul-Hermann Zellfelder von der Kirchengemeinde St. Martin. "Da habe ich natürlich spontan zugesagt."

Eine kleine Randnotiz ist diese Außenstelle aber nicht. Ganz im Gegenteil: "Unser Hochaltar ist das Highlight", findet Klaus Huber. Auch auf dem Ausstellungsflyer ist ein Foto des Hochaltar der zentrale Blickfang.

Das hat mehrere gute Gründe. Er ist rund 15 Meter hoch und sechs Meter breit und damit der größte Hochaltar des Spätgotik in Süddeutschland. Vor allem ist er ein kunstvoll gefertigtes Meisterwerk.

Und: Eine bis heute erhaltene Bürgschaft belegt zweifelsfrei, dass der Altar in der Werkstatt Michael Wolgemuts vollendet wurde. Gleichzeitig ist diese Bürgschaft des wohlhabenden Nürnberger Patriziers Wilhelm Derrer ein Hinweis auf eine Entstehungsgeschichte voller Hindernisse.

Denn die Bürgschaft stammt aus dem Jahr 1507. In der Stadtkirche geweiht wurde der Hochaltar am 21. September 1508. "Innerhalb nur eines Jahres war es aber unmöglich, so einen Altar zu bauen", sagt Ulrich Distler. "Es muss schon 1507 weitgehend fertig gewesen sein." Damit stellt sich die Frage: Wer hat vor 1507 mit dem Hochaltar begonnen?

Michael Wolgemut,

Weitere Urkunden oder sonstige Belege für die Urheberschaft gibt es nicht, schreibt Schwabachs ehemaliger Dekan Günter Bauer im 1983 von ihm herausgegebenen Buch "Der Hochaltar der Schwabacher Stadtkirche". Damals war der Hochaltar gerade über mehrere Jahre generalsaniert worden.

Es bedarf also einer Art kunsthistorische Detektivarbeit. Als sicher gilt: "Aus Wolgemuts Werkstatt stammen die Fassungen der Figuren, also die Farbe und die Vergoldung", erklärt Klaus Huber. Ebenso wie die großflächige Malerei auf der Rückseite mit der Heiligen Sippe im Mittelpunkt. Auf der Vorderseite hat Michael Wolgemut die beiden Flügelbilder neben der geschnitzten Abendmahlszene gemalt.

Schnitzereien von Veit Stoß?

Wer aber hat die Figuren geschnitzt? "Aller Wahrscheinlichkeit nach Veit Stoß", sind Huber und Distler überzeugt. Dafür spricht, dass der herausragende Bildschnitzer aus Nürnberg für diese anspruchsvolle Aufgabe ohnehin prädestiniert gewesen wäre. "Wenn man die Schwabacher Figuren etwa mit anderen Werken von Veit Stoß vergleicht, dann ist die Ähnlichkeit offenkundig", erläutert Distler.

Holzuntersuchungen ergaben zudem, dass das Lindenholz aus dem Reichswald schon 1502 geschlagen worden war. Die These lautet also: Begonnen wurde der Hochaltar in der Werkstatt von Veit Stoß.

Verurteilt und gebrandmarkt

Und wieso nicht vollendet? "1503 wurde Veit Stoß wegen eines gefälschten Schuldscheins verurteilt und gebrandmarkt. Seine Werkstatt wurde geschlossen", erklärt Huber. "In Schwabach reagierte man entsprechend ungehalten, weil man nicht wusste, wie es mit dem Altar weitergeht. Zudem hatten einige Bürger sehr viel Geld gespendet." Wilhelm Derrer, ein Freund von Stoß und Wolgemut, hat mit seiner Bürgschaft die Fertigstellung schließlich gesichert.

Gedankenspiel mit Dürer

Beim Kreuz- und Dreikönigsaltar gibt es keine schriftlichen Belege. "Kunsthistoriker sind sich einig, dass die beiden Altäre von Wolgemut stammen", so Distler. Der Dreikönigsaltar stammt aus dem Jahr 1490. Zu dieser Zeit war Dürer noch in Wolgemuts Werkstatt. "Man könnte also mutmaßen, dass vielleicht sogar Dürer daran mitgewirkt hat", fügt Distler schmunzelnd hinzu.

Ganz sicher ist: Es ist ein Glücksfall, dass die Stadtkirche selbst große Kriege bis heute unbeschadet überstanden hat. Am Hochaltar erfreuen sich die Menschen somit seit 511 Jahren. Ob man das im Jahr 2530 vom Berliner Flughafen auch sagen wird?

Zur Ausstellung ist ein umfangreiches Programm mit Führungen und Vorträgen in Nürnberg geplant. Alle Infos dazu unter www.museen.nuernberg.de

In Schwabach sind zusätzliche Führungen in der Stadtkirche in Planung. Fest steht bereits ein Termin: An Heilig Dreikönig, 6. Januar, stellt Stadtheimatpflegerin Ursula Kaiser-Biburger passend zum Feiertag den Dreikönigsaltar vor. Die 30-minütige Führung beginnt um 11.30 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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