Miss Schwabach: "Ich will alles ausprobieren"

14.1.2018, 15:27 Uhr
Die Jury taxiert, Yasmin Schmidt strahlt: Die 24-Jährige hat am 16. Dezember im Markgrafensaal den Wahl zur Miss Schwabach gewonnen.

© Robert Schmitt Die Jury taxiert, Yasmin Schmidt strahlt: Die 24-Jährige hat am 16. Dezember im Markgrafensaal den Wahl zur Miss Schwabach gewonnen.

Erstmal herzlichen Glückwunsch! Waren Sie sehr aufgeregt?

Yasmin Schmidt: Dankeschön. Nein, eigentlich nicht. Ich habe in den letzten vier, fünf Jahren bei etlichen Miss-Wahlen mitgemacht. Ich war Miss Roth, Vize Miss Unterfranken, Dritte bei den Wahlen zur Miss Bamberg und Miss Franken. Ich mag es sehr, auf der Bühne zu stehen, das ist einfach mein Ding. Ich war also nicht so aufgeregt. Es war aber ein besonderes Gefühl in Schwabach, weil Teile meiner Familie und einige Bekannte hier wohnen.

Warum machen Sie bei so vielen Miss-Wahlen mit?

Yasmin Schmidt: Viele Mädchen wollen einen Titel – einmal die Schönste des Orts sein. Bei mir ist das anders. Ich habe durch diese Wahlen mein Selbstbewusstsein zurückgewonnen.

Wie hatten Sie es denn verloren?

Yasmin Schmidt: Ich wurde in meiner Kindheit – ich bin in Nürnberg aufgewachsen – viel gemobbt als Halb-Türkin, die komischerweise auch noch Schmidt heißt. Die Klischees haben mich wütend gemacht, ich habe oft die Schule gewechselt. Kinder und auch Lehrer können sehr gemein sein. Und man versteht nicht, warum man gehänselt wird, nur wegen der Herkunft. Das hat mir mein Selbstbewusstsein genommen. Ich fand mich hässlich, minderwertig. Das war schon extrem. Ich hatte und habe bis heute keinen Spaß am Klamotten einkaufen, in der Stadt bummeln gehen. Ich dachte immer: Ich bin es nicht wert. Wenn ich mal Markenklamotten geschenkt bekam und in der Schule anhatte, sagten die Leute, es seien gefälschte Sachen vom türkischen Basar.

Und jetzt sind Sie Miss Schwabach. Was hat sich verändert?

Yasmin Schmidt: Ich bin mit meiner Mutter für sechs Jahre in die Türkei gezogen. Mein Vater blieb in Deutschland, was für meine Eltern nicht leicht war. Aber bei mir war plötzlich alles anders. Als Halb-Deutsche fanden mich die Türken interessant, ich fand Freunde, war beliebt. Ich habe vieles gelernt und meine schwierige Vergangenheit mit der Zeit ins Positive gedreht. Darüber habe ich auch ein Buch geschrieben.

Ganz alleine auf der Bühne zu stehen ist nichts für Schüchterne, man kann es zwar zum Teil üben, sagt Yasmin Schmidt, vorgefertigte Sätze auswendig zu lernen hält sie aber für keine gute Idee.

Ganz alleine auf der Bühne zu stehen ist nichts für Schüchterne, man kann es zwar zum Teil üben, sagt Yasmin Schmidt, vorgefertigte Sätze auswendig zu lernen hält sie aber für keine gute Idee. © Robert Schmitt

Ein Buch?

Yasmin Schmidt: Der Titel lautet "Natürlich nur ich". Es geht um meine persönliche Geschichte, die Vorurteile gegenüber Türken, um die Miss-Wahlen. Aber es ist auch als Ratgeber gedacht für Leute, die in einer ähnlichen Situation sind.

Sie sind Model, Sie sind Autorin, was machen Sie denn noch alles?

Yasmin Schmidt: Ich habe eine Ausbildung in klassischer Musik und Querflöte, gebe Unterricht an einer Musikschule in Nürnberg-Mögeldorf und arbeite als Model-Coach. Außerdem habe ich vor kurzem einen Song herausgebracht, den ich mit 16 geschrieben habe, er heißt "Don’t remember". Aber ich glaube, damit kann man nicht wirklich viel Geld verdienen. Mein Hauptprojekt ist erst einmal sowieso die Schauspielerei.

Das auch noch?

Yasmin Schmidt (lacht): Ich will auf jeden Fall alles ausprobieren, was ich im Kopf habe. Ich war in Nürnberg drei Jahre an der Schauspielschule und will jetzt versuchen, in diesem Bereich in der Türkei Fuß zu fassen – Ende Januar ziehe ich fürs Erste wieder dorthin. Es ist bereits ein Theaterstück in Produktion, das mir vielleicht auch hilft, Rollen in Film- oder Fernsehproduktionen zu bekommen.

Wie geht es denn als Miss Schwabach weiter? Sie sind doch für den Bayern-Entscheid qualifiziert.

Yasmin Schmidt: Die Miss-Schwabach-Wahl war die letzte Städtewahl vor der Wahl zur Miss Bayern, die, glaube ich, Ende Januar stattfindet. Hoffentlich bin ich dann noch in Deutschland! Ich wäre aber auch so zufrieden. Die Zweit- und die Drittplazierte der Schwabacher Wahl sind ja auch qualifiziert. Ich würde mich sehr freuen, wenn eine von ihnen Miss Bayern wird.

Yasmin Schmidts emotionaler Moment, gemeinsam mit Lilian Totty aus Lauf (rechts) und Angelina Hohnbaum aus Kleinschwarzenlohe (links) auf der Bühne im Markgrafensaal.

Yasmin Schmidts emotionaler Moment, gemeinsam mit Lilian Totty aus Lauf (rechts) und Angelina Hohnbaum aus Kleinschwarzenlohe (links) auf der Bühne im Markgrafensaal. © Robert Schmitt

Gab es Reaktionen auf Ihre Wahl zur Miss Schwabach?

Yasmin Schmidt: Ja, vor allem gab es positives Feedback. Viele Schwabacher haben mir über Facebook geschrieben, ich wurde in lokale Gruppen eingeladen. Klar gab es auch negative Kommentare, das ist immer so, wenn eine Miss nicht aus dem Ort kommt, an dem die Wahl stattfand. Aber es ist nunmal eine freie Veranstaltung, jeder kann mitmachen.

Wie ist eigentlich die Stimmung unter den Teilnehmerinnen bei so einer Wahl?

Yasmin Schmidt: Es gibt immer auch Zickenkrieg. Aber ich sehe das nicht als Konkurrenzkampf. Ich reise da und dorthin, habe eine gute Zeit . . . Aber es gibt natürlich Mädels, die gleich nach der Wahl das Lästern anfangen – oder weinen und schnell abhauen. Einmal habe ich auch geweint.

Warum?

Yasmin Schmidt: Das war bei der Wahl zur Miss Nürnberg vor vier Jahren. Ich hatte extra meinen Urlaub verschoben, wollte unbedingt gewinnen. Ich wohne schließlich in Nürnberg, bin Künstlerin. Das wäre eine tolle Werbung gewesen. Danach war ich am Boden zerstört und habe mich gefragt, warum ich mir das antun musste. Nach dieser Erfahrung habe ich beschlossen, lockerer an die Sache ranzugehen. Es ist letztlich sowieso Glückssache.

Ist es das? Oder kann man für Miss-Wahlen trainieren?

Yasmin Schmidt: Bei manchen Wahlen geht es schon ein bisschen unfair zu, da ist einfach nicht nachvollziehbar, warum man gewinnt oder verliert. Bei anderen merkt man aber, dass auf gewisse Dinge geachtet wurde, die man tatsächlich besonders gut oder auch schlecht gemacht hat. Üben kann man zum Beispiel den Gang, das spielt immer eine Rolle. Man sollte keine Hemmungen haben, sich zu präsentieren. Ein falsches Lächeln aufzusetzen ist natürlich schlecht, genauso wie eingeübte Antworten. Erstens klingt das unnatürlich und zweitens weiß man ja ohnehin nie genau, was man gefragt wird.

Müssen Missen schlank sein?

Yasmin Schmidt: Die Zeiten des Magerwahns sind vorbei. Das gibt es höchstens bei bestimmten Modeschauen noch. Bei Miss-Wahlen treten auch füllige Frauen an, genauso wie sehr kleine oder große Frauen, das habe ich alles schon gesehen.

Wie haben Sie sich gefühlt, als sie Miss Schwabach wurden?

Yasmin Schmidt: Ich war total berührt, als ich bei der Siegerehrung mein Namen gehört habe. Ich hatte das nicht erwartet. Es sollte eigentlich meine letzte Wahl werden, nachdem es viele Male nicht geklappt hatte. Es ging mir wirklich nicht darum, es den anderen zu zeigen oder so. Rechts neben mir stand ein blondes Mädchen, links eines mit schwarzer Hautfarbe und in der Mitte ich, eher der südländische Typ. Dann kamen mir die Gedanken aus meiner Kindheit wieder in Erinnerung, es war sehr emotional. So ändern sich die Zeiten. Einer der schönsten Tage meines Lebens.

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