Mittelfrankens Krankenhäuser schlagen Alarm

13.3.2013, 08:16 Uhr
Mittelfrankens Krankenhäuser schlagen Alarm

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Sie sehen die Gefahr, dass die Versorgung im Krankenhaus, wie wir sie heute kennen, zusammenbricht. Die Pressekonferenz fand im Nürnberger Rathaus statt, zu einer bewusst ausgewählten Zeit: „Fünf nach Zwölf“. Im Vorfeld der Aktion haben wir mit den Verwaltungschefs der hiesigen Krankenhäuser, Diakon Klaus Seitzinger (Schwabach) und Werner Rupp (Roth) gesprochen.

Werner Rupp ist, wenn man das so despektierlich sagen darf, ein alter Hase im Geschäft. Seit 18 Jahren ist er verantwortlich für die Kreisklinik in Roth. „Doch noch nie war die Situation so prekär wie jetzt“, klagt er.

Sechsstellige „Unterdeckung“

Seit Jahren würden die Kosten für Personal, Versicherungen und Energie um zwei bis drei Prozent pro Jahr steigen, die Erlöse aber nur um ein bis zwei Prozent. Von einer „Unterdeckung“ spricht dann der Betriebswirtschaftler. Die beträgt mal geschätzte 200000 Euro wie für dieses Jahr, mal 600000 Euro wie im Jahr 2011.

Wohl gemerkt: Das sind noch keine Verluste. Doch angesichts dieser Rahmenbedingungen wird es immer schwieriger, selbst in mittelgroßen Häusern wie Roth und Schwabach die Grundversorgung aufrecht zu erhalten. Bislang ist es Rupp immer gelungen, sein Haus in den Schwarzen Zahlen zu halten. „Wenn sich an der Finanzierung nichts ändert, wird das aber im Jahr 2012 das letzte Mal gewesen sein“, sagt er. 

Und dann? Dann muss für das Kommunalunternehmen wohl wieder der Rother Kreistag einstehen, so wie er das für die in den 1990er Jahren geschlossenen unrentablen Krankenhäuser in Greding und Hilpoltstein getan hat.

Wie eine ausgepresste Zitrone

Wie das dann aussieht, weiß Rupps Kollege Klaus Seitzinger. In Schwabach schießt der Stadtrat – und damit der Steuerzahler – jedes Jahr einige hunderttausend Euro zu, damit der Jahresfehlbetrag ausgeglichen wird. Die Bilanz für 2012 ist noch nicht ganz fertig. Aber es wird diesmal wohl ein Minus von über einer Million Euro herauskommen.

Seitzinger nimmt, um die Situation zu beschreiben, das Bild einer Zitrone zuhilfe. Die Zitrone würde die Krankenhauslandschaft symbolisieren. Seit knapp zwei Jahrzehnten würde die Zitrone nun ausgepresst. „Irgendwann“, sagt der Schwabacher Krankenhaus-Geschäftsführer, ist aber der letzte Tropfen draußen.

Dabei fließt von den knapp 180 Milliarden, die im deutschen Gesundheitssystem alljährlich verteilt werden, etwa jeder dritte Euro in die deutschen Krankenhäuser. Spezialkliniken könnten mit dem von den Kassen zur Verfügung gestellten Geld wohl gut über die Runden kommen, sagen Klaus Seitzinger und Werner Rupp. Doch die Häuser, welche die Grundversorgung als gesellschaftlichen Auftrag begreifen, die 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche und 365 Tage im Jahr für Patienten Gewehr bei Fuß stehen, für die werde es immer enger.

Leidensgenossen wenig tröstlich

Für die beiden Krankenhaus-Manager ist es auch kein Trost, dass derzeit „nur“ etwa 40 Prozent der deutschen Krankenhäuser rote Zahlen schreiben. „Sind wir denn erst zufrieden, wenn es 100 Prozent sind?“, fragt Werner Rupp provozierend. Wer auf Dauer keine Umsatzrendite von fünf Prozent erwirtschaften könne, der könne sein Haus nicht zukunftsfest machen, stimmt Klaus Seitzinger zu. „Denn investiert werden muss in Krankenhäusern ja immer.“

Klaus Seitzinger beklagt die zunehmenden Ungerechtigkeiten der sogenannten Re-Finanzierung der Krankenhäuser. Wer beispielsweise durch innovative Operationsmethoden oder wegweisende Therapien Mehreinnahmen generiere, der müsse bis zu 65 Prozent dieser Mehreinnahmen wieder zurückzahlen. Mehr noch: Dafür werden dann auch noch alle anderen Krankenhäuser in diesem Bundesland durch sinkende Erstattungen bestraft.

Schizophrenes System

„Man muss sich das mal am Beispiel eines Metzgers vorstellen“, erklärt Klaus Seitzinger. Der mache eine besonders gute Wurst und verkaufe davon mehr als im Vorjahr. Dafür müsse er jedoch einen Teil des Mehrgewinns wieder an seine Kunden (im Fall Krankenhaus: an die Kassen) zurückgeben. Gleichzeitig würden alle anderen Metzger in der Region gezwungen, ihre Wurst billiger abzugeben.

„Was mit der gewiss sinnvollen und überfälligen Einführung der Fallpauschalen 1994 begonnen habe, habe sich zu einem „schizophrenen, untragbaren System“ entwickelt, findet Seitzingers Kollege Werner Rupp.

Die Gelackmeierten

Die Gelackmeierten sind erstens die Krankenhäuser selbst, vor allem jedoch ihre Angestellten. 500 Frauen und Männer stehen in der Kreisklinik Roth in Lohn und Brot, 370 im Stadtkrankenhaus Schwabach. Deren Arbeitsverdichtung hat immer weiter zugenommen. Bisweilen muss sich eine Nachtschwester um 30 Patientinnen und Patienten kümmern, von denen immer mehr besonders gebrechlich oder dement sind. „Untragbar“ finden das Klaus Seitzinger und Werner Rupp. 

Zumindest die Pflegekräfte machen das zu einem Salär, für das in manchen Autoschmieden kein Facharbeiter einen Schraubenschlüssel in die Hand nehmen würde. Ausgebildete Krankenschwestern und Krankenpfleger gehen mit einem monatlichen Bruttogehalt von 2100 Euro nach Hause. Reich wird man damit nicht. „Unsere Politik, unsere Gesellschaft muss sich überlegen, was ihr die optimale Versorgung im Krankenhaus wert ist“, findet Klaus Seitzinger.

Keine Verhältnismäßigkeit

Werner Rupp fällt dabei die Jahresprämie für die VW-Mitarbeiter ein, die jetzt von ihrem Arbeitgeber 7200 Euro extra überwiesen bekommen haben. „Ich gönne jedem Einzelnen das Geld. Aber für unsere Krankenschwestern sind das mehr als drei Brutto-Monatsgehälter. Für sie sind solche Nachrichten natürlich wie ein Schlag ins Gesicht.“

Dabei geht es den Krankenhäusern mit ihrem Hilferuf an Kassen und Politik nicht nur darum, mehr Geld für die Beschäftigten herauszuschlagen. „Unsere Leute brauchen auch einfach mehr Zeit, um sich um unsere Patienten zu kümmern“, erklärt Klaus Seitzinger.

Ein Alarmsignal

Unterdurchschnittliche Löhne, unattraktive Arbeitszeiten und dann noch extreme Arbeitsverdichtung – kein Wunder, dass die Krankenhäuser immer größere Mühe haben, Fachpersonal zu bekommen – und dann zu halten. Eine weitere Zahl macht Klaus Seitzinger nachdenklich. Bei einer Pflegekraft liegen zwischen Berufseinstieg und Berufsausstieg nur noch fünf Jahre. „Da müssen doch bei allen die Alarmglocken schrillen.“

Ob die Alarmglocken gehört werden? Um auf die Situation der Kliniken aufmerksam zu machen, startet die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mit ihren 2045 Krankenhäusern und 1,1 Millionen Beschäftigten eine Image-Kampagne. Für Mittelfranken war die gestrige Pressekonferenz in Nürnberg der Auftakt (dazu eigener Bericht im Mantelteil).

Den Wert der Arbeit erkennen

Es soll in den nächsten Wochen und Monaten auch Diskussionsrunden mit Politikern geben. Zudem wollen Werner Rupp und Klaus Seitzinger die heimischen Bundestagsabgeordneten dazu animieren, Praktika abzuleisten. Vielleicht, so hoffen sie, könne damit das Bewusstsein für den Wert der Krankenhäuser, für den Wert der Arbeit der Mitarbeiter geschärft werden.

Wenn das gelingt, dann fließt im besten Fall mehr Geld ins System. Wenn nicht, dann ist nach Aussage von Seitzinger und Rupp schlechtestenfalls die flächendeckende Gesundheitsversorgung in Gefahr. Mit einer Einschränkung: Die Krankenhäuser in Schwabach und Roth werden trotz aller Probleme bestehen bleiben.

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