Neuer Waldfriedhof war 1914 der Stolz der Stadt

6.7.2014, 07:38 Uhr
Neuer Waldfriedhof war 1914 der Stolz der Stadt

© Privat

Es war ein langer Weg, ehe der Waldfriedhof am 3. Juli 1914 um 15 Uhr offiziell durch die Geistlichkeit beider Konfessionen und die Stadtspitze eingeweiht wurde. Seit der ersten Anfrage waren 16 Jahre vergangen. Dabei hatten die Verantwortlichen der Stadt die Notwendigkeit sehr wohl erkannt.

Neuer Waldfriedhof war 1914 der Stolz der Stadt

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Sie vermuteten, dass der bis dahin verwendete Friedhof an der Dreieinigkeitskirche in seinem Fassungsvermögen bald ausgeschöpft sein würde. Bei etwa 212 Beerdigungen und mehr ging man davon aus, dass die Friedhofsanlage, die der evangelischen Kirchengemeinde gehörte, spätestens 1913 voll belegt sein würde.

Seit 1898 gab es Klagen über „unwürdige Verhältnisse“ und den Ruf nach einer Verlegung des Friedhofs. Ursache waren die Bodenverhältnisse am heutigen „Alten Friedhof“. Die zahlreichen Lehmschichten und die Menge an Grundwasser wirkten sich äußerst ungünstig auf die Wiederbelegung von Grabstätten aus. Denn beides verhinderte eine Verwesung der Leichen im üblichen zeitlichen Rahmen von zwölf Jahren bei Erwachsenen beziehungsweise bei Kindern von sechs Jahren.

„Wachsleichen“

Als Folge hatten die Friedhofsarbeiter mit „Wachsleichen“ zu kämpfen, wenn neue Gräber ausgehoben wurden. Je nach Wetterlage kam es zu üblem Gestank. Auch mit immer wieder kehrenden Verstopfungen von Drainagen, die man eingebaut hatte, um dem Grundwasser Herr zu werden, musste man sich auseinander setzen. Hinzu kam die Forderungen nach einem erweiterten Leichenhaus und der Vergrößerung des Friedhofs, der der evangelischen Kirchengemeinde gehörte.

Doch die Angelegenheit wurde immer wieder vertagt. Schließlich richtete man wenigstens eine städtische „gemischtgemeindliche“ sechsköpfige Kommission ein, die sich mit den Ansinnen einer neuen Friedhofsanlage befassen sollte. Parallel aber wurden weiter über die Erweiterung des Leichenhauses und des Friedhofs an der Dreieinigkeitskirche diskutiert.

Städtisch statt kirchlich

Die Schwierigkeiten lagen wohl darin, dass die evangelische Kirchengemeinde nicht einverstanden gewesen war, dass auf „ihrem“ — dem städtisch-evangelischen — Gottesacker, nun keine Beerdigungen mehr stattfinden sollten. Denn der Magistrat plante mit der neuen Friedhofsanlage, dass das Bestattungswesen ausschließlich in städtische Hände gelegt werden sollte. Damit aber verlor die evangelische Kirchengemeinde auch einen wichtigen Teil an Einnahmen.

Schon 1903 hatte die Kommission das passende Grundstück mit einem idealen Sandboden an der Limbacher Straße gefunden. Erst um 1910/1911 sah auch die protestantische Kirchenverwaltung ein, dass aufgrund der Bodenverhältnisse der heutige „Alte Friedhof“ nur mehr kurze Zeit belegt werden könne. In dem Friedhof von 1528 fanden rund 50 000 Menschen die letzte Ruhestätte.

Nachdem die königliche Kreisregierung eine Erweiterung des Leichenhauses endgültig abgelehnt hatte, wurde die neue Friedhofsanlage intensiver in Angriff genommen.

Ideen aus München

Zwischenzeitlich hatte sich auch die Kommission, zu der auch Stadtbaurat Hans Wagner gehörte, verschiedenste Friedhof in Bayern angesehen. Am meisten Eindruck hinterließ der große Friedhof in München. Wagner ließ sich von diesem bei seinen Überlegungen inspirieren und unterbreitete dem Magistrat seine Vorstellungen.

Endlich – nachdem man sich mit der evangelischen Kirche geeinigt hatte – beschloss der Magistrat in der Sitzung vom 12. Dezember 1911 ganz offiziell, Stadtbaurat Hans Wagner mit der Ausarbeitung einer Friedhofsanlage zu betrauen.

Wagner wollte einen Mittelweg finden zwischen dem idealen landschaftlichen Friedhof und der rein schematisch, ästhetisch aber höchst unbefriedigenden alten Art der Anlage, bei der sich das Gräberfeld als eng zusammengedrängte Anhäufung von Grabdenkmälern darstellte. Daher wollte er auch keine Erdbegräbnisse mehr entlang der Friedhofsmauer, sondern verteilt in Pflanzengruppen. Da er bei seinen Überlegungen von jährlich 230 Beerdigungen ausging, dachte er zudem von Anfang an daran, den vorhandenen Waldbestand sowie ein Nachbargelände einzubeziehen. Für die Wasserversorgung wurde ein Brunnen gebohrt.

Bei der Belegung der Gräber war man sich darin einig, dass man keine Gruften errichten wollte. Bis heute gibt es auch nur zwei, die genehmigt sein mussten. Dafür sah man damals schon für Feuerbestattungen einen speziellen Urnenhain vor.

Zur Anpflanzung riet der Stadtbaurat zu Fichten und Tannen, da Laubbäume auf dem vorhandenen Boden schlecht gedeihen und in der kalten Jahreszeit doch nur kahl sein würden.

Kein „Gottesacker“

Hans Wagner wollte keinen althergebrachten „Gottesacker“, sondern einen modernen Friedhof, der sich in Unterabteilungen aufgliedert und durch Hecken in kleinere Einheiten gegliedert wird. Mit einer verputzten Mauer sollte das Gelände im Norden und Westen umgeben werden, die zudem eine optische Einheit mit dem geplanten Hauptgebäude bildete. Das Grundstück, das für eine mögliche Erweiterung vorgesehen war, wollte Wagner mit einem Palisaden-Zaun einfrieden.

Der vorhandene Wald im nördlichen Teil, also oberhalb des Gebäudetrakts, wurde einbezogen. Die südliche Hälfte sollte frei von Bäumen sein, dafür sollten Tannen-Hecken Gehwegen und Unterabteilungen trennen.

Wagners Entwurf sah ein Hauptgebäude mit der Wohnung des Friedhofwärters, einer großen Leichenhalle, Arztzimmer, Sezierraum, Abstellräume und einen gemeinsamen Raum für die Geistlichkeit beider Konfessionen sowie einen für die Leichenträger vor. Ebenso dachte man an eine Aussegnungshalle und eine Friedhofskapelle.

Diesen Vorschlägen stimmten sowohl die Kommission wie auch der Magistrat im Juli 1912 zu. Im Januar 1913 genehmigte die Regierung auch die Pläne. Sprach sich immer noch einige Stadträte für den alten Friedhof aus, doch dessen Erweiterung wurde endgültig abgelehnt. Stattdessen wurden 150 000 Mark für die 14 Tagwerk (etwa 12 Hektar) große Anlage genehmigt.

Gebäude im „Heimatstil“

Endlich erfolgte am 24. Juni 1913 der erste Spatenstich. Der gesamte Gebäudekomplex sowie die nördlichen Mauer-Einfriedung wurde im damals typischen „Heimatstil“ gebaut. Genau genommen aber sollte besser vom „Heimatschutzstil“ gesprochen werden, der um 1904 eine Weiterentwicklung des Historismus mit traditionellen, regionaltypischen Bauformen darstellte.

Heute noch sind seine Elemente der ortsüblichen Baumaterialien sowie der Verzicht auf verzierende Attribute, die ältere Baustile detailgetreu nachahmen, erhalten geblieben. Nur Rundbögen oder Säulen kamen sparsam zur Anwendung. Für den Stadtbaurat war es wichtig, dass die Anlage in die bestehende Kulturlandschaft passen sollte.

Nicht nur in der Konzeption des freien Geländes ging Wagner neue Wege, auch die Aufbewahrung der Verstorbenen sollte in einer damals modernen Weise erfolgen, allerdings eine Kühlkammer wurde damals noch nicht miteingeplant. Vom Wandelgang aus gelangte man damals wie heute in die Besichtigungsgänge, die den Leichenhallen vorgelagert waren.

Zwölf Verstorbene konnten so gleichzeitig aufgebahrt werden. Fenster ermöglichten einen letzten Blick zum Abschied. Daneben schloss sich das Wärterwohnhaus (heute Friedhofsbüro) an.

Die Aussegnungshalle wurde mit einem Altar und einem Kruzifix im Chor sowie der Deckenmalerei ausgestattet. Im Raum selbst gab es nur an den Wänden dunkelbraune Sitzbänke, die für die Angehörigen gedacht waren. Auf der kleinen Empore wurde für die musikalische Gestaltung ein Harmonium aufgestellt. Da man keinen eigenen Glockenturm wollte, gab es nur einen kleinen auf dem Dach der Aussegnungshalle für eine einfache Glocke.

Heute aber erklingen zwei Glocken. Glocken-Fachmann Klaus Alter hat sich in den engen Turm durchgezwängt und eine kleine Stahl-Glocke aus dem Jahre 1914 mit einem Durchmesser von 37 Zentimetern entdeckt, die den Viertelstundenschlag übernimmt. Daneben gibt es eine zweite aus Bronze, die den Stundenschlag erklingen lässt. Sie stammt aus dem Jahre 1410. Vermutlich war sie schon viele Jahrhunderte in Schwabach in Gebrauch. Jedoch weiß man nur, dass sie bis 1623 in der Dreieinigkeitskirche geläutet hat.

Positive Reaktionen

Zwei Tage nach der offiziellen Einweihung durch die Geistlichkeit mit Bürgermeister Wilhelm Dümmler, Regierungsvertretern sowie weiteren politischen Würdenträgern erhielt, am Sonntag, 5. Juli, die Bevölkerung Gelegenheit, die neue Friedhofsanlage für 2600 vorgesehene Grabstätten zu besichtigen, ehe sie am darauffolgenden Montag in Betrieb genommen wurde. Die Reaktionen der Öffentlichkeit und der Stadtvertreter waren einhellig und voll des Lobes. So hieß es im Schwabacher Tagblatt vom 4. Juli 1914: „Es dürfte wohl keine Stadt von der Größe Schwabachs geben, die einen solchen Friedhof aufzuweisen hätte.“

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