Als erste Frau Präsidentin eines US-Colleges

Nora Demleitner: Von Schwabach über Yale an die Spitze

14.12.2021, 05:55 Uhr
Die Elite-Universität Yale im US-Bundesstaat Connecticut gilt als eine der renommiertesten Universitäten der Welt. Insgesamt haben 49 Nobelpreisträger in Yale studiert, gelehrt oder gearbeitet. Zu den Absolventen der Universität zählen fünf US-Präsidenten, 19 Richter des Obersten Gerichtshofs der USA und diverse ausländische Staatsoberhäupter. 

© Beth Harpaz/AP/dpa Die Elite-Universität Yale im US-Bundesstaat Connecticut gilt als eine der renommiertesten Universitäten der Welt. Insgesamt haben 49 Nobelpreisträger in Yale studiert, gelehrt oder gearbeitet. Zu den Absolventen der Universität zählen fünf US-Präsidenten, 19 Richter des Obersten Gerichtshofs der USA und diverse ausländische Staatsoberhäupter. 

1986 zog Nora Demleitner aus ihrem Elternhaus in Schwabach aus. Sie hatte gerade ihr Abitur am Adam-Kraft-Gymnasium gemacht und war bereit für die große, weite und auch unbekannte Welt. Sie wollte ihren Gefühlen folgen. Es sollte Amerika sein, das Land, in dem sie noch nie war und "keinen einzigen Menschen auf dem ganzen Kontinent kannte".

Fortan lebte sie in einer "ganz anderen Welt", weit weg von ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester. "Ich konnte nur alle 14 Tage daheim anrufen, Überseetelefonate waren zu der Zeit furchtbar teuer", erinnert sie sich heute. Ihre Eltern waren sich sicher, dass sie nach ein paar Monaten in die Heimat zurückkehren würde. Doch aus den Monaten wurden Jahre, am Ende Jahrzehnte.

Die gebürtige Schwabacherin Nora Demleitern zog nach dem Abitur in die USA und legte dort eine beeindruckende juristische Karriere hin. Als erste Frau wird sie Anfang 2022 Präsidentin des St. John's College in Annapolis/Maryland.

Die gebürtige Schwabacherin Nora Demleitern zog nach dem Abitur in die USA und legte dort eine beeindruckende juristische Karriere hin. Als erste Frau wird sie Anfang 2022 Präsidentin des St. John's College in Annapolis/Maryland. © Privat

34 Jahre nach ihrer Ankunft in Amerika tritt Demleitner im Januar 2022 ihren bislang bedeutendsten Posten an. Sie wird Präsidentin des St. John's College in Annapolis, Maryland. Als erste Frau wird sie künftig die drittälteste Universität der USA leiten. Das Ergebnis einer steilen Karriere.

Demleitner verließ ihre Heimatstadt Schwabach, um am Bates College im US-Bundesstaat Maine Jura zu studieren. Journalismus stand ursprünglich auch auf dem Zukunfts-Plan, aber nach einem Volontariat bei einem deutschen Radiosender in den USA merkte sie, was ihre wahre Leidenschaft war: die Rechtswissenschaften. "Es geht um die Regelung des menschlichen Zusammenlebens und welchen Einfluss der Staat nehmen kann. Mal ist es besser, mal schlechter geregelt. In einer immer schwieriger und komplexer werdenden Welt verändert sich das Recht ständig. Das fasziniert mich", sagt Demleitner.

Sie schloss ihr Jurastudium am Bates College mit summa cum laude ab, der höchstmöglichen Auszeichnung einer Dissertation. Das war ihre Eintrittskarte zur Yale University, einer der renommiertesten Universitäten der Welt. Mehrere US-Präsidenten, darunter George W. Bush und die Clintons sowie Richter des Obersten Gerichtshofs der USA studierten dort. "Es war ein erster Traum, der sich erfüllte", erzählt sie.

Streifzug durch die Hochschullandschaft

Ab diesem Zeitpunkt ging es mit Demleitners Karriere steil bergauf und ihr Streifzug durch die amerikanische Hochschullandschaft begann. Nach ihrem Abschluss in Yale 1992 studierte sie Internationales Recht an der Georgetown University in Washington D.C. und wurde 1994 mit nur 27 Jahren Professorin an der St. Mary's University School of Law in San Antonio, Texas. Nach sieben Jahren in Texas zog es sie an die Hofstra University in Hempstead, New York, wo sie die erste weibliche Dekanin der Geschichte wurde. "Ich habe diese Aufgabe sehr genossen. Als Dekanin kann man viel für das Klima einer Uni tun und für die Studierenden und Fakultäten etwas verändern", sagt sie.

Etwas verändern - das ist Nora Demleitner gelungen. Ihr Glaubenspfeiler ist die soziale Gerechtigkeit. Das Recht auf Abtreibung, die Wiedereingliederung von Straffälligen und die Rechte der LGBTQ-Community liegen ihr am Herzen. An der Washington and Lee University in Lexington, Virginia setzte sie sich in den vergangenen Jahren als Dekanin, wieder war sie die erste Frau, für bessere Studienbedingungen und Karrierechancen der Studierenden ein und sorgte für mehr Diversität auf dem Campus.

Demleitner hat ihren Platz in den USA gefunden. "Ich habe nie ernsthaft überlegt, permanent nach Deutschland zurückzuziehen", sagt Demleitner. Sie verliebte sich in einen amerikanischen Rechtsanwalt und bekam zwei Kinder, die mittlerweile 17 und 20 Jahre alt sind. Auch ihre jüngere Schwester zog für ein Studium in die Vereinigten Staaten, nach dem Tod ihres Vaters 1990 kam die Mutter nach. Damit waren fast alle Verbindungen in die deutsche Heimat gekappt, lediglich nach Freiburg zog es Demleitner noch regelmäßig. Am Max Planck Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht arbeitete sie zwischen 1997 und 2015 an verschiedenen Forschungsprojekten.

Neue Stadt, neues Kapitel

Anfang Januar beginnt nun ein neues Kapitel im Hause Demleitner, von Charlottesville, Virginia geht es in das knapp vier Stunden entfernte Annapolis. Der Umzug wird in Etappen passieren, "wir müssen familienintern erst noch klären, wann Hund und Katze mit umziehen", sagt Demleitner und lacht. Dass sie die Präsidentin am St. John's College wird, musste sie "gut einen Monat lang verarbeiten. Obwohl es ein langer Prozess war, kam die Entscheidung für mich sehr überraschend. Ich bin überglücklich, bald anfangen zu dürfen", sagt Demleitner. Die Verantwortung ist groß, St John's ist bekannt für seinen einzigartigen Lehrplan. Die Studierenden müssen Altgriechisch und Französisch lernen und die großen Werke der Weltliteratur, Philosophie und Wissenschaft lesen. "Dort ist Raum für solche Dinge, es gibt die Möglichkeit, anders zu sein. Das begeistert mich", so die zukünftige Präsidentin.

Sie tritt am College in die Fußstapfen von Eva Brann. Die 1929 in Berlin geborene Jüdin kam 1941 mit ihrer Familie in die USA und wurde die erste weibliche Dekanin am College, noch immer arbeitet die 92-Jährige dort als Tutorin. "Sie hat den Weg für Frauen wie mich geebnet", sagt Demleitner.

Trotz aller Erfolge ist Demleitner bescheiden und bodenständig geblieben. Obwohl sie mittlerweile fest in Amerika verwurzelt ist, vermisst sie an ihrer alten Heimat zwei essentielle Dinge: Fränkisches Essen und den Nürnberger Christkindlesmarkt. Was auch sonst.

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