Rednitzhembach: Astronomisches Wunderwerk

20.4.2021, 15:00 Uhr
Der Putz am Haus bröckelt, die Garbe blättert ab. Aber Klaus-LEO Drechsels Sonnenuhr ist der neue Hingucker am Hirtenhaus. Auf dem Bild von links der Künstler, "Mathematiker" Bruno Westhoven, Initiator Franz Klement, Bürgermeister Jürgen Spahl und Klaus Nopitsch vom Arbeitskreis Heimat und Geschichte.

© Robert Gerner, NN Der Putz am Haus bröckelt, die Garbe blättert ab. Aber Klaus-LEO Drechsels Sonnenuhr ist der neue Hingucker am Hirtenhaus. Auf dem Bild von links der Künstler, "Mathematiker" Bruno Westhoven, Initiator Franz Klement, Bürgermeister Jürgen Spahl und Klaus Nopitsch vom Arbeitskreis Heimat und Geschichte.

Immer wissen, wie spät es ist? Um das herauszufinden, gibt es viele Möglichkeiten. Ein Blick auf die profane Armbanduhr, aufs Handy oder - ganz altmodisch - auf die Kirchturmuhr sind die geläufigsten Alternativen. Wer aber darüber hinaus ein wenig mehr über das Phänomen der Zeit erfahren will, für den lohnt seit kurzem auch ein Abstecher zum Rednitzhembacher Hirtenhaus. Dort hat Künstler Klaus LEO Drechsel nämlich eine neue Sonnenuhr montiert, die auch gleichzeitig ein kleines astronomisches Wunderwerk ist.

Kleine Schwester des Sternentors

Drechsel hat sich schon öfter als Hobby-Astronom hervorgetan. Sein nach wie vor beeindruckendstes Werk in dieser Hinsicht ist das "Sternentor", mit dem vor gut 20 Jahren der Hembacher Kunstweg, Mittelfrankens größte Open-Air-Galerie, seinen Anfang nahm.


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Die Sonnenuhr ist nicht üppig groß. Zwei mal einen Meter vielleicht, aber voll mit Linien, Zahlen und Symbolen. Die ans Hirtenhaus geschraubte Platte ist zum Teil aus angerostetem Cortenstahl, zum Teil aus sandgestrahltem Edelstahl. Drechsel wollte zunächst glänzenden Edelstahl nehmen. Der glänzende Edelstahl wirft aber keinen Schatten. Schlecht für eine Sonnenuhr.

Die Uhr zeigt zunächst einmal - Achtung, und jetzt wird es kompliziert - die Echtzeit an, oder anders gesagt: die "wahre Zeit". Immerhin weicht diese um bis zu 23 Minuten von der immer stundenweise normierten Normalzeit ab. Jetzt, im Sommerhalbjahr, sind es wegen der Umstellung auf die Sommerzeit sogar fast eineinhalb Stunden. Dann kann der Betrachter der Sonnenuhr anhand der Datumlinien und der Tierkreiszeichen den Lauf der Sonne über das Jahr hinweg verfolgen.

Ein Detailbild der Sonnenuhr. Immer um 13 Uhr wird die Pfeilspitze auf dem Analemma aus Schwabacher Blattgold stehen. Im Jahresverlauf beschreibt diese Pfeilspitze eine leicht schräg liegende "8".

Ein Detailbild der Sonnenuhr. Immer um 13 Uhr wird die Pfeilspitze auf dem Analemma aus Schwabacher Blattgold stehen. Im Jahresverlauf beschreibt diese Pfeilspitze eine leicht schräg liegende "8". © Drechsel, NN

Die scharfe Trennlinie zwischen Corten- und Edelstahl zeigt die Tag- und Nacht-Gleiche an, drunter und drüber gibt es leicht gebogene, gestrichelte Monatslinien. Ein Hingucker ist das so genannte "Analemma", eine leicht schiefstehende "8" aus Schwabacher Blattgold, die den jährlichen Verlauf der Sonne am Himmel und das Schattenende auf der Uhr für genau 13 Uhr definiert. Sie ist damit "die einzige standardisierte Zeitanzeige auf einer sonst nach wahrer Ortszeit ausgerichteten Sonnenuhr", so Drechsel.

Für den mathematischen Teil der Berechnungen hat sich Drechsel Unterstützung von Bruno Westhoven geholt, der auch das Plakat entworfen hat, das in einem Fenster des Hirtenhauses die Funktionsweise der Sonnenuhr grob erklärt.

Morbider Charme

Obwohl die Sonnenuhr ein schöner auch künstlerischer Hingucker ist, ist sie nicht offizieller Teil des Kunstweges. Die Idee zur Uhr hatte vor einigen Jahren Franz Klement vom Arbeitskreis Heimat und Geschichte. Mit dem Hirtenhaus im gleichnamigen Hirtenweg war schnell der passende Standort gefunden. Allerdings gab es zunächst Diskussionen, ob man vor der Montage der Sonnenuhr dem alten Haus, das sich im gemeindlichen Besitz befindet, das aber der Arbeitskreis nützt, nicht einen neuen Putz oder wenigstens einen neuen Anstrich verpassen sollte. Am Ende entschied man sich dagegen.


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Klaus-Leo Drechsel findet das nicht schlimm. "Der Cortenstahl passt ganz gut zum morbiden Charme des Hauses." Die Sonnenuhr ist ein sehr altes Verfahren, das astronomische Zusammenspiel zwischen Sonne und Erde zu ergründen. Die Sumerer haben die ersten Sonnenuhren schon vor rund 3000 Jahren entwickelt. Auch deshalb ist das Rednitzhembacher Hirtenhaus als Standort gar nicht dumm gewählt. Denn hier befindet man sich gewissermaßen auf historischem Boden. Ganz in der Nähe wurden in den 1930-er-Jahren nämlich Rest einer Keltensiedlung ausgebraben.

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