Reicher Einblick in die erfolgreiche Schreibwerkstatt

9.11.2013, 09:00 Uhr
Reicher Einblick in die erfolgreiche Schreibwerkstatt

© Schmitt

Kurz, aber inhaltsreich erklärte sie ihren Arbeitsprozess, an dessen Beginn immer eine historische Recherche steht.

Denn vier ihrer fünf Kriminalromane beruhen auf authentischen Fällen. Ihr Erstlingswerk aus dem Jahre 2006 basiert auf einem mysteriösen ungeklärten Mordfall in Hinterkaifeck. „Tannöd“ verkaufte sich bislang über eine Million Mal. „Täuscher“, ihr jüngstes Werk, behandelt einen Doppelmord im Landshut des Jahres 1922.

Ausverkauftes Haus

Schenkels Lesung war wegen der großen Nachfrage von der Synagoge ins Evangelische Haus verlegt worden. Der Martin-Luther-Saal dort war ausverkauft. Das lag wohl auch daran, dass Andrea Schenkel einen neuen Schriftstellertypus verkörpert.

Denn sie tauchte urplötzlich als Bestsellerautorin auf, ohne zuvor jemals mit literarischer Bildung in Berührung gekommen zu sein. Schenkel ist ein Naturtalent. Zahlreiche Preise für ihre Bücher untermauern diese Einschätzung.

Eine Zeitung, zwei Morde

Auf den Stoff zu ihrem neuen Roman ist sie schon bei den Forschungen zu „Tannöd“ gestoßen. Beide Verbrechen wurden zur gleichen Zeit begangen. Auf der einen Seite der Zeitungen sei über Hinterkaifeck berichtet worden, auf der gegenüberliegenden vom Doppelmord in der niederbayrischen Hauptstadt, berichtet sie.

„Ich bin darüber gestolpert.“ Dann habe sie die Aktenlage studiert und immer mehr darüber gelesen. „Ich lese alles durch.“ Vom Wetterbericht über die Heiratsanzeige bis zu den Gerichtsakten. „Wenn ich das Gefühl habe, ich weiß genug, dann beginne ich zu schreiben.“

Sprache ist Heimat

Beim „Täuscher“ war das kein linearer Prozess. „Begonnen habe ich mit dem Schluss, dann habe ich Hubert Täuscher entwickelt und den Anfang habe ich relativ spät geschrieben.“ Sich ihrer Hauptperson zu nähern war diesmal nicht einfach. „Ich habe lange gebraucht, bis ich gewusst habe: Das ist er.“ Dazu musste sie vor allem seine Sprache treffen, wie sie erklärt.

Wie sie überhaupt Sprache über die reine Darstellung hinaus als zentrales Element ihres Schaffens sieht. „Für mich ist Sprache Heimat“, sagt sie. „Sie ist Klang, Rhythmus und Musik, die uns ständig begleiten, sie ist ein faszinierender Teil unserer Persönlichkeit“, findet Schenkel.

Realistische Dialoge

Insbesondere ihre Dialoge will sie realistisch halten und echte Sprache abliefern. „Oft findet man in Krimis Sätze, die so kein Mensch sagen würde.“ Damit ihr das nicht passiert, liest sie sich ihre Stücke stets laut vor. „Dann merke ich exakt, ob die Sprache zu den Handelnden passt, nicht hohl ist und echt klingt“, sagt sie und sieht einen deutlichen Zusammenhang zwischen Inhalt und Darstellung. „Die Sprache ist so wichtig wie der Fall.“ Schenkel erzählt schlicht. Stilistisch verzichtete sie auf jede Ausschweifung.

Die Fiktion an ihren Geschichten machen insbesondere Personen aus, die ihrer Phantasie entspringen. „Sie werden zu Bekannten“, sagt sie, „und entwickeln ein Eigenleben.“ Den ein oder anderen gewinne sie sogar richtig lieb. „Zu Kriminaloberwachtmeister Hutter habe ich eine intensive Bindung entwickelt und ihn wesentlich breiter angelegt als geplant.“

Echte Familiengeschichten

Als „sehr berührend“ schilderte Andrea Schenkel den Kontakt zu Nachfahren der Opfer oder Täter ihrer Kriminalfälle. „Durch das Buch können wir abschließen“, sagten die Nichten einer ihrer Hauptpersonen eines anderen Buchs. Im Fall Täuscher erklärten ebenfalls Nichten, beim Lesen sei es für sie so gewesen, als habe ihre Mutter das erlebt.

Andrea Schenkel ist offenbar ziemlich stolz auf diese Wirkung ihrer Bücher. „Mit einem Stück Literatur gebe ich ein Stück Familiengeschichte zurück“, findet sie. Solche Sätze würden niemals während eines Vorleseabends fallen.

Ausschließlich echter Austausch zwischen Schriftsteller und Leser kann sie hervorbringen.

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